Im Stream: Halston

Die Miniserie „Halston“ entführt das Publikum ins New York der 1960er- und 1970er-Jahre. Sie ist eine ungeschönte Hommage an den exzentrischen Modedesigner Halston und seine prominente Entourage. Eine sehenswerte Serie mit Schwachstelle: die Darstellung ethnischer Minoritäten.

Elsa (links), Victor (Mitte) und Halston (rechts) durchleben in der Serie „Halston“ turbulente Beziehungen, die Halstons Zerbrechlichkeit, aber auch seinen Narzissmus offenbaren. (Copyright: Netflix/IMDB)

„Halston“ ist eine Zeitreise mit der Limousine zurück ins New York der 1960er- und 1970er-Jahre. Regisseur Daniel Minahan führt in seinem Biopic durch das Leben des illustren Modedesigners Halston (Ewan McGregor), macht Halt am schwulen Straßenstrich, in Aids-Beratungsstellen und im legendären Nachtclub „Studio 54“. Dabei zuzuschauen ist ein Genuss für Auge, Ohr und Herz. Nur die Repräsentation der Black und People of Colour (BPoC) stößt einem auf.

Halston steht in der ersten Folge am Anfang seiner Karriere. Er macht sich einen Namen als Hutdesigner als die Kopfbedeckung aus der Mode kommt. Es ist das erste, aber nicht das letzte Mal, dass Halston gegen die Schnelllebigkeit von Trends ankämpfen und umdenken muss. Auf Startschwierigkeiten folgen Verkaufsschlager und schon bald großes Interesse an der Marke Halston. Der Mensch hinter dem Namen „Halston“ und dessen kreative Mode rücken dadurch immer weiter in den Hintergrund.

Minahan dokumentiert den Wandel des Modeschöpfers vom kreativen Kopf zum exzentrischen und drogenabhängigen Arschloch, das Kaviar und Backkartoffeln aus New York in sein Ferienhaus in Montauk einfliegen lässt. Dabei lässt er zu keinem Moment aus den Augen, wie fragil Halston ist. Tief im Inneren ist der Designer nach wie vor das Kind, das Opfer häuslicher Gewalt wurde.

Die langjährige Beziehung zum südamerikanischen Künstler Victor (Gian Franco Rodriguez) offenbart Halstons starke Verlustängste, die mit seinem Hang zu toxischen Beziehungen einhergehen. Halston lässt sich sowohl von seinem Partner als auch von den Investor*innen für deren Zwecke instrumentalisieren, redet sich dabei aber ein, am längeren Hebel zu sitzen – bis das Kartenhaus zusammenfällt.

Mehrmals weicht Minahan vom Bild des gefühlskalten und aggressiven Halston ab, wenn er seine Traumata wach werden und Halston weinend zusammenbrechen lässt. Diese Momente sind nicht voyeuristisch oder übertrieben dramatisch. Sie wirken durch Ewan McGregors Schauspieltalent äußerst authentisch. Damit zeichnet Minahan ein vielschichtiges Bild des Designers, der unter anderem mit Berühmtheiten wie Liza Minelli (Krysta Rodriguez) befreundet war. Interaktionen mit den Nebendarsteller*innen decken seine einzelnen Persönlichkeitsebenen auf.

Da ist zum Beispiel Halstons Ex-Freund, Ed (Sullivan Jones), der ihm gleich zu Beginn seiner Karriere vorhält, sich selbst zu verlieren. Später dekoriert Ed Schaufenster für Halston, der ihn wegen Konflikten mit Victor vor die Tür setzt. Außer Ed und einer Ärztin sind übrigens fast alle BPOC in der Serie Lustobjekte, was der Serie einen bitteren Beigeschmack gibt.

Die meisten BPOC in der Serie sind geldgierige (Ex-)Prostituierte, deren Schwanzgröße im Mittelpunkt steht. Das Argument, dass es sich um eine biografische Erzählung handelt, gilt nur bedingt: Einige Geschehnisse wurden nach Medienberichten für das Biopic verändert oder um Szenen ergänzt. Halstons Familienangehörige beschwerten sich öffentlich darüber. Warum also ausgerechnet an rassistischen Darstellungen festhalten?

Auch wenn Victor Halston wiederholt vorwirft, in ihm nur einen Schwanz zu sehen, reicht das als Kritik an der Hypersexualisierung der Personengruppen nicht aus. Vor allem deshalb nicht, weil Victor selbst einen Schwarzen Mann auf einer öffentlichen Toilette abschleppt und ihm verspricht, Halston zahle für Sex mit einem langen Penis viel Geld. Noch dazu tut er das im Glauben daran, dass der Unbekannte Aids hat, was die Sache noch problematischer macht. Ob es sich bei der Aktion um ein wahres Ereignis handelt, ist nicht bekannt.

Ein kleiner Trost ist, dass die Miniserie trotz der Dominanz männlicher Hauptcharaktere mit starken Frauenfiguren punkten kann, wie etwa mit Elsa Peretti (Rebecca Dayan). Zunächst Halstons Muse, dann langjährige Schmuckdesignerin für Tiffany, gibt sie Halston Kontra und entlarvt sein manipulatives und narzisstisches Verhalten.

Obwohl auch Ryan Murphy (u.a. „Glee“, „Hollywood“ und „Pose“) an der Serie mitgeschrieben hat, ist „Halston“ – anders als für seine letzten Produktionen üblich – kein verkapptes Musical das mit jeder Folge tiefer in Absurdität und Kitsch abrutscht. „Halston“ steigert sich von Episode zu Episode. Behauptet Halston verbissen, dass es ihm nur noch ums Geld und nicht mehr um Mode geht, wird im Laufe der Serie deutlich, dass etwas anderes ihn antreibt: Die Suche nach Anerkennung und Vertrautheit. Dafür ist er bereit, sich selbst und das, woran er glaubt, aufzugeben.

Umso bedeutender sind die Szenen, in denen er nach heftigen Auseinandersetzungen und öffentlicher Bloßstellung „I loved you“ zu Victor sagt und ihm den Rücken kehrt, oder sich mit einem seiner treuesten Weggefährten auf der Rückbank einer Limousine ohne viele Worte versöhnt.

Dazu gibt es den passenden disco-lastigen Soundtrack, interessante Kameraeinstellungen, schillernde Dekors und herausragende schauspielerische Leistungen aller Schauspieler*innen. Weiterhin sind die Kostüme ein Kunstwerk für sich. Trotz der Zelebrierung der 1960er und 1970er, romantisiert Minahan aber weder den hohen Drogenkonsum noch die Feierkultur der New Yorker Elite dieser Zeit.

Ein bisschen Kitsch gibt es in der letzten Staffel dann doch: Am Ende sitzt Halston in einem Klappstuhl am Strand und schwärmt für das Blau des Meeres, das er nicht mehr als Farbe für seine nächsten Modekollektionen einsetzen will, sondern als Schönheit der Natur genießen kann. Und irgendwie gönnt man dem Charakter diesen romantischen Moment, der für die Versöhnung mit sich selbst steht.

Auf Netflix.

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