Vordergründig ein Krimi, geht es in der siebenteiligen Serie „Mare of Easttown“ vor allem um die Bewohner*innen einer kleinen Stadt in den USA: ihre Sorgen, ihre Hoffnungen, ihren Schmerz.
Knapp zwei Wochen ist es her, dass in der US-amerikanischen Comedy-Show Saturday Night Live (SNL) eine Parodie von „Mare of Easttown“ zu sehen war. Der Sketch, mit unter anderem der Komikerin Kate McKinnon, brachte manche inhaltlichlichen Charakteristiken der Serie äußerst treffend auf den Punkt. Dazu zählen neben dem markanten Philadelphia-Akzent auch die fast ausschließlich weißen Figuren, die bis auf wenige Ausnahmen alle miteinander verwandt zu sein scheinen. Auch die Ess- und Trinkgewohnheiten sowie der Grundstimmung der Serie zuwiderlaufende melodramatische Entwicklungen wurden von SNL auf die Schippe genommen.
Der Ton von „Mare of Easttown“ könnte nicht weiter vom SNL-Sketch entfernt sein. In Easttown, einem Arbeiter*innendorf an der Ostküste der USA, ist nur den wenigsten zum Spaßen zumute. Wer nicht selbst alkohol- oder drogenabhängig ist, kennt zumindest jemanden, der es ist oder war – zum Teil mit fatalen Folgen. Wie der Titel andeutet, steht in der Serie vor allem eine Person im Fokus. Die Mittvierzigerin Marianne „Mare“ Sheeran (Kate Winslet) lebt schon ihr ganzes Leben lang in Easttown. Ihr Vater starb durch Suizid als sie 13 war. Seitdem war für Mare klar, dass sie Detektivin werden würde wie er. Ihren Bekanntheitsgrad in der Stadt verdankt sie aber einem anderen Umstand: Vor 25 Jahren erzielte sie bei einem Basketball-Spiel einen Treffer, für den sie heute noch gefeiert wird. Glamourös ist allerdings nichts an Mares Leben: Wenn sie nicht gerade Junkfood isst, betäubt sie sich mit Alkohol. Sie ist weit davon entfernt, den Tod ihres Sohnes verarbeitet zu haben, und kämpft um das Sorgerecht für ihren Enkel Drew (Izzy King). Noch dazu ist sie geschieden – ihr Ex Frank (David Denman) wohnt mit seiner Verlobten im Haus nebenan. Außerdem lebt ihre Mutter Helen (Jean Smart) bei ihr, mit der sie sich mehr schlecht als recht versteht.
Als würde das nicht schon reichen, läuft es auch beruflich nicht optimal. Von der jungen Easttown-Bewohnerin Katie Bailey (Caitlin Houlahan), die vor einem Jahr verschwunden ist, fehlt immer noch jede Spur. Katies Mutter Dawn (Enid Graham), auch eine frühere Basketballspielerin, lässt keine Gelegenheit aus, um die lokale Polizei an ihr Versagen zu erinnern. Als dann die Leiche der Teenagerin Erin (Cailee Spaeny) in einem Fluss gefunden wird, dreht sich für Mare zunehmend alles um die Aufklärung des Mordes.
Dass es sich bei „Mare of Easttown“ um die x-te Serie handelt, die ein solches Verbrechen an einer jungen Frau zum Ausgangspunkt nimmt, ist natürlich auch SNL nicht entgangen. Derart viele solcher Geschichten gibt es mittlerweile, dass es schwerfällt zu glauben, „Mare“ könne noch viel Originelles bieten. Ein bloßes „Whodunnit“ will die von Brad Ingelsby geschaffene Serie aber ohnehin nicht sein, vielmehr geht es um die Bewohner*innen von Easttown und ihre Beziehungen zueinander. Das zeigt vor allem die erste Folge, in der wir einen Tag im Leben der später ermordeten Erin gezeigt bekommen. Sie firmiert nicht bloß als anonyme Leiche, wir lernen die junge Frau kennen: ihre Lebensrealität als junge Mutter, ihre Sorgen, ihre Persönlichkeit.
Zu Beginn überzeugt die Serie mit Subtilität: Wer wie tickt und mit wem in welchem Verhältnis steht, müssen sich die Zuschauer*innen nach und nach selbst zusammenreimen. In den ersten Folgen meistert „Mare“ die Devise „show, don’t tell“, an der so viele Serien kläglich scheitern, mit Bravour. Dass die Macher*innen uns dies ebenso zutrauen wie die Präsenz einer wenig charismatischen Protagonistin, ist an und für sich schon lobenswert.
„Mare of Easttown“ hat mehr zu bieten als die ein oder andere spannende Wendung, die siebenteilige Serie ist vor allem wegen der Liebe zum Detail sehenswert. Die humorvollen Momente, die vor allem Jean Smart als Mares Mutter beschert, machen abgedroschene Dialogzeilen oder kitschige Entwicklungen um ein Vielfaches wett.