„Reservation Dogs“ stellt eine Gruppe indigener Nordamerikaner*innen ins Zentrum, unterwandert dabei jedoch gängige Stereotype. Trotz trauriger Rahmen handlung dominiert in den insgesamt acht Folgen ein leichter Grundton.
Als Bear, Elora, Willie und Cheese einen Chips-Transporter stehlen, um ihn anschließend auf dem lokalen Schrottplatz gegen Geld wieder loszuwerden, scheinen sie zu wissen, was sie tun. Fast reibungslos verläuft der Raub. Am Ende der Aktion können sie sich mit dem Verkauf der Chips sogar noch ein paar Dollar hinzuverdienen.
Ungewöhnlich actionreich beginnt „Reservation Dogs“, eine Serie, die in der Folge vor allem durch ihr langsames Tempo charakterisiert ist. Im Zentrum steht eine auf einem Reservat in Oklahoma lebende Gruppe junger indigener Nordamerikaner*innen. Die Jugendlichen brauchen Geld, um nach Kalifornien auszuwandern – Geld, das sie sich mit kriminellen Aktionen wie der oben beschriebenen möglichst schnell zu beschaffen versuchen.
Dieses Ziel bietet aber nur den groben Rahmen für eine Staffel, die immer wieder Umwege einlegt, um uns die indigene Gemeinschaft, in der diese Figuren leben, näherzubringen. Wenn die vier in einem Vorgarten sitzen, um ihre gestohlenen Chips zu verkaufen, und der lokale Polizist, Big (Zahn McClarnon), vorbeikommt, bringt das die Handlung nicht wirklich voran: Dass der inkompetente Ordnungshüter die Schuldigen fassen wird, steht außer Frage. Szenen wie diese dienen einzig der Figurenzeichnung – und der komödiantischen Auflockerung.Nach und nach erfahren wir, dass ein bestimmtes Ereignis Bear, Elora, Willie und Cheese dazu veranlasst, ihre Heimat verlassen zu wollen: der Tod des fünften Bandenmitglieds, Daniel. Die Teenager sind überzeugt, dass dieser noch leben würde, wenn er weggezogen wäre. Das Reservat empfinden sie als trostlosen Ort, der kaum Perspektiven bietet. Wie genau es zu Daniels Tod gekommen ist, erfahren die Zuschauer*innen erst am Ende der Staffel. In jeder Folge wird die Lücke spürbar, die der Verstorbene hinterlassen hat.
Steht zu Beginn vor allem Bears (D‘Pharaoh Woon-A-Tai) Erleben im Zentrum, so wird gegen Ende der Staffel Elora (Devery Jacobs) und Willie (Paulina Alexis) jeweils eine Folge gewidmet. Durch die lose Struktur bleibt „Reservation Dogs“ nie vorhersehbar. Als Bear sich bei einer Schlägerei eine blutige Nase holt, spielt eine ganze Folge im lokalen Krankenhaus. Indem die Folge die Jugendlichen abwechselnd in den Mittelpunkt stellt, erhalten wir Einblicke in ihr Verhältnis zu dieser Institution einerseits und ihren jeweiligen Gemütszustand andererseits. Doch auch den erwachsenen Anwohner*innen gilt punktuell das Interesse: Das ermöglicht, neben der Perspektivlosigkeit und den prekären Lebensverhältnissen, auch etwa Themen wie etwa Landnutzungsrechte und das Fetischisieren indigener Frauen aufzugreifen.
Trotz gewisser Ähnlichkeiten mit Donald Glovers „Atlanta“ und Crystal Moselles „Betty“ ist „Reservation Dogs“ von Anfang bis Ende ein eigenes Ding. Dass dieses von Taika Waititi und Sterlin Harjo geschaffene Werk Figuren zeigt, die man so noch nicht oft gesehen hat, und stereotype Darstellungen so gelungen dekonstruiert, dürfte vor allem daran liegen, dass sowohl vor als auch hinter der Kamera fast nur indigene Nordamerikaner*innen mitwirkten. Nie kommt die Serie moralisierend oder gar pädagogisch daher. Stattdessen ist sie erfrischend unprätentiös.
Trotz vieler berührender und sogar einiger trauriger Momente bleibt der Grundton von „Reservation Dogs“ leicht. Und so möchte man am Ende der letzten Folge die Serie am liebsten gleich wieder von vorne beginnen.