Interview: „Hip-Hop muss erst mal gar nichts“

Am kommenden Freitag stellen Luxemburgs Rap-Pioniere De Läb ihre neue EP „Ween ass am Haus (Gemaach?!)“ in der Escher Kulturfabrik vor. Im Vorfeld sprechen David Fluit und Corbi mit der woxx über den „Minett“, Migration und Klimakrise im Hip-Hop.

Die Band um David Fluit, den Mann mit Hut: De Läb schlägt in ihrer neuen EP erneut gesellschaftskritische Töne an. (Copyright: Danny Eppstein)

woxx: De Läb gelten als die „fäin Drecksäck aus dem Minett“. Was bedeutet die Region Ihnen, vor allem nachdem sie 2022 als Kulturhauptstadt im Mittelpunkt stand?


David Fluit und Corbi: Die Minette-Region war für uns immer schon kultureller, kulinarischer oder auch sportlicher Mittelpunkt. Wir sind hier aufgewachsen, es ist unsere Gegend, die die wir repräsentieren. Die hiesige direkte, manchmal raue Art – „vun der Long op d’Zong“ – ist Teil unserer Identität!

Was für eine Rolle spielt dabei die Tatsache, dass die Minette seit Jahrhunderten als Hochburg der Immigration und der Arbeiter*innen bekannt ist?


Wir sind die vierte Generation: Unsere Vorfahren, die vor über hundert Jahren nach Luxemburg ausgewandert sind, um in den Minen zu arbeiten und unserem Land zu Reichtum zu verhelfen, haben sich unserer Meinung nach gut integriert. Trotzdem haben wir in Luxemburg wie auch im Ausland Probleme mit Fremdenhass, der oft auf einen Mangel an Bildung und Offenheit zurückzuführen ist. Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.

Auf der neuen EP taucht Migration in „Pasta vun der Nonna“ auf, doch auch auf Ihren früheren Alben ist die italienische Gemeinschaft in Luxemburg vertreten. Was für einen Platz hat die Migrationsgeschichte allgemein in der nationalen Rap- und Musikszene?


Solange es noch Fremdenhass gibt, wird und muss das Thema weiter behandelt werden, ganz gleich ob in der Musik oder in den Medien insgesamt. Und genauso ist es in der Rap- und Musikszene: Mittlerweile sind wir ein schöner „Melting Pot“ vieler verschiedener Kulturen, was die Szene sehr divers macht und bereichert. Wenn wir dort alle zusammenhalten, dann ist Hip-Hop ein Tool, das uns zusammenbringt und die beste Waffe gegen Rassismus.

Kommen wir zu einer anderen Herausforderung: künstliche Intelligenz, kurz KI. In „Kosmonauten“ rappen Sie über ihren Einfluss auf die Musikszene. Ist die KI, etwa in Form von Text-Generatoren, eine Bedrohung oder eine Bereicherung für den Hip-Hop?


Die KI ist Fluch und Segen zugleich: Es hängt davon ab, was der Mensch am Ende daraus macht. Setzt die Menschheit sie für medizinischen Fortschritt oder für Böses ein? Welche Rolle KI im Rap haben wird, können wir jetzt noch nicht genau sagen. Vielleicht unterhalten uns programmierte Bots in Zukunft virtuell in der Matrix. Aber selbst dann wird es immer eine Gegenbewegung geben, die hausgemachtes vorzuziehen und zu schätzen wissen wird.

De Läb hat also keine Angst vor Rap-Bots?


Wir denken positiv, auch wenn es in dem Kontext manchmal schwerfällt.

Bleiben wir bei diesem Song: An einer Stelle fließt Energydrink statt Wasser aus der Leitung, was als Kommentar zur Klimakrise gelesen werden kann. Muss Hip-Hop Stellung beziehen?


Hip-Hop muss erst mal gar nichts. Er soll hauptsächlich „fett“ sein, es geht um den Style und die Technik. Bei unserem Rap darf die Message aber selbstverständlich nicht fehlen, auch wenn die in der jüngeren, aktuellen Hip-Hop-Szene nicht mehr so relevant ist.

Wie meinen Sie das?


Es geht mehr ums Image und die Vibes.

Das Klischee protziger Rapper*innen, die mit fetten Luxuskarren anrollen widerspricht jedenfalls den Forderungen der Klimabewegung … 


Wenn wir uns die Stereotypen des Hip-Hops anschauen, dann können wir natürlich sagen: Das ist unverantwortlich, wie verschwenderisch manche Kunstschaffenden ihr Geld zum Fenster hinauswerfen, wie sie damit angeben in ihren Liedern, in ihren Videoclips oder auf sozialen Medien einen dekadenten Konsum gutheißen. Das sind aber eindeutig nicht unsere Vibes.

„Welche Rolle KI im Rap haben wird, können wir jetzt noch nicht genau sagen. Vielleicht unterhalten uns programmierte Bots in Zukunft virtuell in der Matrix. Aber selbst dann wird es immer eine Gegenbewegung geben, die hausgemachtes vorzuziehen und zu schätzen wissen wird.“

Was sind denn Ihre Vibes zu diesem Thema?


Musik kann die Welt nicht retten. Sie gibt denen, die zuhören, höchstens ein paar Denkanstöße. Auch wenn verschiedene Kulturschaffende einen großen Einfluss auf ihre Fans haben, so liegt es am Ende des Tages an jedem einzelnen Menschen, etwas zur Bekämpfung der Klimakrise beizutragen. Dazu gehört mit klarem Verstand zu handeln – niemand muss mit dem SUV in den Bio-Garten fahren oder zur Bäckerei ums Eck. Jede Person sollte versuchen, ihr Bestes zu geben. Allerdings ist es schade, dass oft das Gefühl vermittelt wird, dass nur die „end consumers“ einen Einfluss auf die Klimakrise haben, dabei gibt es höhere Instanzen. Das Kind müsste öfter beim Namen genannt werden.

Warum haben Sie mit dem letzten Track Ihrer EP „De stolze Bauer“ ausgerechnet einen Song von 2013 neu aufgelegt, in dem es um die luxemburgische Identität geht?


Erstens ist es eines unserer Lieblingslieder, das auch beim Publikum gut ankommt. Wir wollten es weiter performen, fanden aber, dass dem Track ein neues musikalisches Gewand gut stehen würde. Zweitens haben wir zahlreiche wunderbare Musiker im Team, die selbst geniale Komponisten sind, deshalb haben wir gemeinsam mit ihnen eine neue Komposition geschrieben – und weil de Lyrics nicht mehr „up to date“ waren, haben wir auch diese geändert.

Ist Luxemburg für Sie heute anders, als noch vor zehn Jahren?


Es gab Passagen, die 2013 relevant waren, aber jetzt, zehn Jahre danach, herrscht eine andere Realität. Aus dem Grund haben wir den Track aktualisiert. Am Ende hat uns das Ergebnis so gut gefallen, dass der Song auf der EP gelandet ist.

De Läb, Album release show, an diesem Freitag, 
dem 24. März, ab 19:30 Uhr in der 
Escher Kulturfabrik. Mit DJ PC (Warm Up), 
V.I.C (Support) und KILL EMIL (After Party). 
Infos unter kulturfabrik.lu.

Die luxemburgische Hip-Hop- und Rap-Band De Läb wurde 2006 von David Fluit, Corbi und Spenko gegründet, ihr erstes Album erschien 2007. Fünf Jahre später lancierten David Fluit, Mike Zweyer und Christophe Birgern das Plattenlabel De Läbbel, das bis heute sowohl Nachwuchs- als auch etablierte Hip-Hop-Künstler*innen vertritt, darunter beispielsweise Nicool – eine der wenigen Rapperinnen in Luxemburg. Zum zehnjährigen Jubiläum stellte De Läb ein 19-köpfiges Orchester zusammen, das De Läb Orchästra. 2018 erschien ihr drittes und vorerst letztes Album „Dekäd“. In den Medien wird ihr Stil als „Conscious Rap“ mit gesellschaftskritischem Hintergrund, Ironie und Humor beschrieben. 2020 gehörten neben Fluit und Corbi auch noch DJ Funkstarr, der Bassist René Däiwelskärel Marci, der Schlagzeuger Benoît Martiny, der Saxophonist Georges Sadeler und der Keyboarder Michel Lopes zur Band. Nachdem es die letzten Jahre eher still um die Rapper geworden war, erscheint Ende März die EP „Ween ass am Haus (Gemaach?!)“.


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