Judendeportationen: „Aussiedlung nach Osten“

Vor 75 Jahren verließ auf Befehl der Nazi-Machthaber der erste Deportationszug Luxemburg. Wie reagierten die jüdische Kultusgemeinde und die Mehrheitsgesellschaft?

„Dienst an der Volksgemeinschaft“: In einer Notiz im „Tageblatt“ wurde mit dem Euphemismus „nach dem Osten ausgesiedelt“ auf den ersten Deportationszug vom 16.10.1941 hingewiesen. (Quelle: e-luxemburgensia.lu)

„Dienst an der Volksgemeinschaft“: In einer Notiz im „Tageblatt“ wurde mit dem Euphemismus „nach dem Osten ausgesiedelt“ auf den ersten Deportationszug vom 16.10.1941 hingewiesen. (Quelle: e-luxemburgensia.lu)

„Luxemburg judenfrei“, titelte am 17. Oktober 1941 das von den nationalsozialistischen Machthabern gleichgeschaltete „Tageblatt“: „In dem Bestreben, der Volksgemeinschaft einen Dienst zu leisten, sind gestern die im Bereich des Chefs der Zivilverwaltung noch ansässig gewesenen Juden nach dem Osten ausgesiedelt worden.“ Nachdem zuvor, durch Eigeninitiative oder auf Druck der Gestapo, immerhin fast drei Viertel der im Mai 1940 ansässigen 3907 Juden und Jüdinnen nach Frankreich und Belgien gelangt waren, markiert der 16. Oktober 1941 mit 322 Deportierten aber nur den Beginn der systematischen Judendeportationen nach Osten. Von Luxemburg aus gingen nämlich laut dem Bericht der Kommission „Spoliations des biens juifs“ sieben Transporte ab.

Insgesamt wurden aus Luxemburg und anderen Ländern 1.289 Personen deportiert; fast alle wurden ermordet: Dies entspricht einem Anteil von 35,4 Prozent der jüdischen Bevölkerung Luxemburgs von Mai 1940. Berücksichtigt man allerdings die hohe Dunkelziffer von 912 ungeklärten Fällen, so liegt der Anteil der Ermordeten an der jüdischen Bevölkerung zwischen den genannten 35,4 und einem theoretisch möglichen Maximum von 58,8 Prozent. Zum Vergleich: Dieser Anteil lag in Italien bei 20, in Frankreich bei 25, in Belgien bei 45 und in den Niederlanden bei 80 Prozent.

Wie bereits bei den Judenverordnungen wurden die nationalsozialistischen Machthaber in Luxemburg auch in puncto Deportationen nach Osten sehr früh aktiv. Während aus Luxemburg der erste Transport am 16. Oktober 1941 abging, begannen die Deportationen in anderen westlichen Ländern erst im Frühjahr 1942. Dies erklärt sich möglicherweise, wie Georges Büchler jüngst analysiert hat, durch die nationalsozialistische „Quotenpolitik“, nach der Luxemburg ein hohes Soll zu erfüllen hatte.

Während z.B. in Belgien noch bis Juli 1944 Deportationen stattfanden, endeten sie hier bereits 1943. Man kann davon ausgehen, dass infolge der geringen Größe des Territoriums das nationalsozialistische Ziel, Luxemburg „judenfrei“ zu machen, bereits zu diesem frühen Zeitpunkt erreicht war.

Laut einigen Quellen fuhren die Züge von Luxemburg-Bahnhof ab; die Zeitzeugin Dédée Berchem erinnert sich jedoch an Abfahrten nicht nur der Umsiedlungs-, sondern auch der Judentransporte vom Bahnhof Hollerich aus, wo sie als Eisenbahnerkind während des Kriegs lebte. Das Gelände sei dann zu beiden Seiten des Bahnhofs abgesperrt gewesen. Einige Transporte wurden bereits beim „jüdischen Altersheim“ in Fünfbrunnen zusammengestellt. So berichtete die Auschwitz-Überlebende Edith Lévy in einem deutschen Ermittlungsverfahren, das zwischen 1967-1970 stattfand, wie sie im September 1941, im Alter von 24 Jahren, nach Fünfbrunnen gebracht und von dort im April 1943 mit ihrer Familie nach Theresienstadt deportiert wurde, wo sie als einzige überlebte. Als sich der Transport nach Theresienstadt ankündigte, habe man geglaubt, dass es zum Arbeitseinsatz gehe: „Wir haben auf keinen Fall damit gerechnet, es könne beabsichtigt sein, uns zu töten. […] Als ich dann aber selbst abtransportiert wurde, kamen mir doch gewisse Zweifel.“ Bereits den Transport hätten mehrere Personen nicht überlebt.

Selektion

Von der Isolation zur Ermordung: Das ehemalige Kloster Fünfbrunnen bei Ulflingen wurde im Zweiten Weltkrieg zum Sammellager für Juden und Jüdinnen. Von dort aus wurden viele deportiert. (Quelle: Artikel von Evy Friedrich, Revue 1969, Nr. 22.)

Von der Isolation zur Ermordung: Das ehemalige Kloster Fünfbrunnen bei Ulflingen wurde im Zweiten Weltkrieg zum Sammellager für Juden und Jüdinnen. Von dort aus wurden viele deportiert. (Quelle: Artikel von Evy Friedrich, Revue 1969, Nr. 22)

Bei den Selektionskriterien für die Deportation scheinen zunächst geografische Gesichtspunkte eine Rolle gespielt zu haben, denn kleinere Ortschaften wurden in der „Judenfrei“-Logik besonders visiert. Soziale Merkmale hatten augenscheinlich nur einen indirekten Effekt. So war infolge der hohen Kosten für die Ausreise nach Übersee der Anteil von sozial schlechter Gestellten unter den in Luxemburg Verbliebenen hoch. Doch fanden sich in Fünfbrunnen auch Personen wie der Gemeinderat Emile Godchaux und der Maler Guido Oppenheim, oder Geschäftsleute und Fabrikunternehmer wie das Ehepaar Rosenstiel-Schwartz, das ein bekanntes Kleidergeschäft geführt hatte, und der Handschuhfabrikant Armand Geyershöfer.

In den Anweisungen des „Reichssicherheitshauptamtes“ von Anfang 1942 wurde festgelegt, dass „ausländische“ Personen zunächst nicht deportiert werden sollten – ausgenommen luxemburgische, polnische und staatenlose Juden und Jüdinnen. Der erste Deportations-Transport bestand laut der Aussage des „Judenältesten“ Alfred Oppenheimer im Eichmann-Prozess 1960 „vorwiegend aus jüdischen Emigranten, die in der Zeit des Hitlerregimes aus Deutschland und Österreich in Luxemburg zugereist waren, sowie [aus] Personen, welche bereits polizeilich in Erscheinung getreten waren und eventuell eine Strafverurteilung erlitten hatten“.

Die Auswahl der zu Deportierenden dürfte in den Händen von Otto Schmalz, dem „Judensachbearbeiter“ beim SD-Einsatzkommando, bzw. seines Vorgesetzten Hartmann, gelegen haben. Im späteren Luxemburger Nachkriegsprozess von 1949/50 sagte Schmalz aus: „Es war mir freigestellt, wie wir die J sammeln sollten. Es war mir vorgeschrieben, wieviel Geld sie mitnehmen konnten u. wie viel Sachen sie tragen konnten.“ Schmalz fügte hinzu: „Es wurde immer von Berlin die Zahl bestimmt.“ In dem erwähnten deutschen Ermittlungsverfahren erklärte er später jedoch, die jüdische Kultusgemeinde sei aufgefordert worden, „aus ihren eigenen Unterlagen, selbst die Transportlisten zusammenzustellen und uns vorzulegen“. Dieser Aussage wurde von Alfred Oppenheimer widersprochen.

In der Bekanntmachung von Oktober 1941, die die Kultusgemeinde an die Betroffenen des ersten Deportationstransportes richtete, hieß es: „Wer Luxemburg verlassen muß, entzieht sich unserer Kenntnis, da die Aufforderung hierzu durch die deutschen Behörden erfolgt.“ Dass das Konsistorium einen gewissen Einfluss nehmen konnte, zeigt aber eine Ansprache Oppenheimers vom 16. April 1942 in Fünfbrunnen zu einem bevorstehenden Transport: „Es gelang mir […] durchzusetzen, dass von diesen […] Personen eine Anzahl Juden betroffen werden, die nicht zu unserer Gemeinde gehören & nie mit uns etwas zu tun haben wollten.“

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Die von Aloyse Raths geführte Widerstandsbewegung „Letzeburger Legioun“ verbreitete noch 1941 antisemitisches Gedankengut. (Quelle: Abschrift aus einem Rundschreiben der LL)

Die Kultusgemeinde wurde also von der Gestapo in die Rolle des Erfüllungsgehilfen der nationalsozialistischen Deportationspolitik gezwungen. Nach dem ersten Transport musste sie Listen der noch in Luxemburg befindlichen Juden und Jüdinnen erstellen. Auch deren Konzentration zunächst in „Judenhäusern“, dann im „jüdischen Altersheim“ in Fünfbrunnen hatte sie umsetzen müssen. Angesichts der ständig präsenten Gewaltdrohung, und um die Politik der Zivilverwaltung abzumildern, versuchte sie eine Taktik der Anpassung, die sich langfristig freilich als erfolglos erwies. Ihre Haltung erinnert stark an jene der deutschen „Reichsvereinigung der Juden“, mit der sie zusammenarbeitete. So dürfte auch für Luxemburg gelten, was Beate Meyer für Deutschland resümiert, nämlich dass für die jüdischen Funktionäre kein „zeitgenössischer Begriff, wie Holocaust oder Shoah,“ existierte, „um das Geschehen zu bündeln und damit seine Dimension wenigstens annähernd zu erfassen“. Sie hätten die Haltung angenommen, „nicht das Schlimmste anzunehmen, sich auf naheliegende praktische Aufgaben zu konzentrieren und zu versuchen, möglichst effektiv im Sinne der Machthaber – schon um den Erhalt der Organisation willen – und zugleich im Interesse der Mitglieder zu handeln“.

Betrachtet man die Haltung der Luxemburger Kultusgemeinde im westeuropäischen Kontext, so gehörte sie mit ihrem Verhalten eher zu den angepassteren: In Frankreich entschloss sich die „Union générale des Juifs de France“, parallel illegale Strukturen aufzubauen. In Belgien war die „Association des Juifs de Belgique“ dagegen später dem Vorwurf der Kollaboration ausgesetzt; doch gab es dort zugleich eine, so die Historikerin Insa Meinen, „massenhafte Flucht in den Untergrund“, zum Teil mit Unterstützung des kommunistisch orientierten „Comité de défense des juifs“. In Luxemburg dürfte der hohe Anteil an älteren Personen, aber auch das Fehlen ausgebildeter Untergrundstrukturen, ähnliche Entwicklungen verhindert haben. Auch innerfamiliäre Solidarität mag erklären, weshalb sich von den Betroffenen, die oft mehrere Tage vorher über ihre Deportation informiert wurden, nur wenige zu einer Flucht entschlossen.

Die Haltung der Mehrheitsgesellschaft

Anders als in anderen Ländern war in Luxemburg keine lokale Regierung in die Judendeportation impliziert. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es auf der Ebene nachgeordneter Organe, etwa der Polizei oder der Eisenbahn, eine Beteiligung von LuxemburgerInnen gab. Auch für die Gestapo übernahmen Einheimische Aufgaben wie Büroarbeiten oder Dolmetscher- und Chauffeur-Dienste.

Zumindest das Wissen um die Judendeportationen muss eigentlich auf dieser Ebene vorhanden gewesen sein und sich in dem kleinen Land schnell verbreitet haben. Die erzwungene Ausreise nach Westen, die wirtschaftliche Entrechtung und in Folge davon das Verschwinden der jüdischen Minderheit als Wirtschaftskraft können ebenfalls nicht unbemerkt geblieben sein. Die antisemitischen Verordnungen erschienen in den Tageszeitungen, erfolgten aber auch per „öffentlichem Anschlag“, so dass sie kaum jemandem entgehen konnten. Trotzdem trifft man häufig auch in Luxemburg auf die Behauptung, die antisemitischen Maßnahmen seien nicht bekannt gewesen. Viele schauten jedoch auch weg bzw. richteten ihre Aufmerksamkeit auf andere Aspekte der NS-Politik, von denen sie direkt betroffen waren.

Das Verhalten der Mehrheitsgesellschaft gegenüber Juden und Jüdinnen – Distanz, Passivität und Antisemitismus – wies eine Kontinuität gegenüber dem der Vorkriegszeit auf. Bereits im August 1940 gab es zum Beispiel Klagen bei der jüdischen Hilfsorganisation „Esra“ von Gemeindemitgliedern, denen die Wohnung „aus antisemitischen Gründen“ gekündigt worden war. Die ersten Judenverordnungen weckten ebenfalls keinen offenen Protest.

Allerdings vermerkte der deutsche Sicherheitsdienst bereits schon Ende 1940 in seinen Meldungen einen Gesinnungswandel: Die Luxemburger Bevölkerung sei zwar „im allgemeinen nicht judenfreundlich eingestellt“. Diese Einstellung habe sich jedoch geändert, „da deutsche Dienststellen dazu übergingen, das Judenproblem zum Beispiel durch die Bekanntmachung zur Sicherung jüdischen Vermögens vom 1.10.1940 und durch die Abschiebung der Juden nach Portugal und Übersee zu lösen. […] Die luxemburgische Bevölkerung vertritt die Ansicht, dass die Juden auch Menschen seien, dass man sie anständig behandeln müsse und dass man sie nicht fortjagen und ihnen nicht das Geld wegnehmen dürfe.“

„Tu te lèveras contre la persécution!“ In einem linken belgischen Flugblatt wurde die jüdische Jugend direkt aufgefordert, im Untergrund zu kämpfen. (Quelle: Michman, Dan (Hg.): Belgium and the Holocaust. Jerusalem 1998.)

„Tu te lèveras contre la persécution!“ In einem linken belgischen Flugblatt wurde die jüdische Jugend direkt aufgefordert, im Untergrund zu kämpfen. (Quelle: Michman, Dan (Hg.): Belgium and the Holocaust. Jerusalem 1998.)

Doch führte dieser Wandel nicht zwangsläufig zu konkreter Solidarität. In einem Interview, das der Historiker Mathias Wallerang mit einem Zeitzeugen aus Medernach führte, hieß es: „Dann wurden die Geschäfte geschlossen von den Juden und andere, schon Deutsche, da reingesetzt, und die Juden wurden dann nach und nach abtransportiert. […] Die Deportationen hat man gesehen, wir haben ja noch andere Deportationen erlebt. Das waren natürlich die ersten. Das ging alles sehr schnell vor sich. Da wurde an der Tür geklingelt, da stand ein Lastwagen vor der Tür, mit Handgepäck rauf auf den Lastwagen. Fort. Das war alles eine Sache von kaum einer Woche, da waren die Leute alle abgeführt.“

Lediglich kleinere Zeichen der Solidarität gegenüber den jüdischen Verfolgten gab es, wie etwa Nachbarschaftshilfe und Warnungen vor Kontrollen. Die Kultusgemeinde dankte zum Beispiel dem Arzt Dr. Eicher aus Ulflingen, weil man erfahren habe, dass er sich „in aufopfernder Weise unseren Heiminsassen zur Verfügung gestellt“ habe. Die Archive enthalten zudem mehrere – eventuell altruistisch motivierte – ärztliche Atteste, die jüdischen Personen bescheinigten, dass sie nicht transportfähig seien.

Anders als in Frankreich und Belgien kam es aber in Luxemburg kaum vor, dass Juden und Jüdinnen versteckt wurden: Die Spoliations-Kommission berichtet für die Zeit nach dem 16.10.1941 von lediglich sechs bekannten Fällen, während es 28 Personen gelang, ins Ausland zu flüchten. Diese niedrige Zahl ist umso bemerkenswerter, als die Zahl der in Luxemburg versteckten bzw. heimlich über die Grenze gebrachten Deserteure mit über 3.000 beeindruckend hoch ist. Einen Monat nach dem ersten Transport gab das Konsistorium noch insgesamt 362 in Luxemburg lebende Gemeindemitglieder an, davon 12 Kinder und Jugendliche, sowie 29 Personen zwischen 14 und 30 Jahren. In nächster Nähe zu Luxemburg, in Metz und Lüttich, waren zudem Netzwerke zur Rettung jüdischer Kinder aktiv.

Von den Widerstandsorganisationen war zumindest ein Teil antisemitisch, korporatistisch, xenophob und katholisch-integristisch ausgerichtet. Im Fokus der Linken dagegen, etwa bei der „Alweraje“, standen vor allem soziale Probleme und der Kampf gegen die Nazi-Ideologie. In der praktischen Widerstandsarbeit soll jedoch, so Marc Limpach und Marc Kayser, „die Unterstützung der jüdischen Mitbürger ein Ziel der ALWERAJE“ gewesen sein. Die „PI-Men“ („Patriotes indépendants“) verhalfen dem jüdischen „Hadir“-Angestellten Edouard Bonem zur Flucht. Alice Grethen, zugleich Bürokraft bei der Sicherheitspolizei und Agentin der Widerstandsgruppe „Josy Zinnen“, stand mit der „jüdischen Kultusgemeinde“ in Kontakt. Sie gab Informationen betreffend die Judenpolitik, auch zu bevorstehenden Deportationen, an diese weiter.

Während man in den Nachbarländern Belgien und Frankreich bereits über eine Tradition des Widerstands verfügte – unter anderem durch die Erfahrungen im Ersten Weltkrieg“ -, war in Luxemburg die „KPL“ die einzige Organisation, die über Erfahrungen mit illegalem Kampf und Untergrund-Methoden verfügte. Der Historiker Henri Wehenkel beschreibt, dass einer Gruppe Luxemburger KommunistInnen, der auch Juden und Jüdinnen angehörten, die Flucht nach Brüssel gelang, wo sie im Untergrund überlebten und Widerstandsarbeit leisteten. Die KPL wurde aber anscheinend von den Vorgängen in Belgien nicht beeinflusst: Dort waren die kommunistischen Kräfte zusammen mit anderen im „Front de l’Indépendance“ (FI) eingebunden, der sich auch für die jüdischen Verfolgten einsetzte.

„Wo haben Sie ihr Schlafzimmer her, Frau M.?“ Judenverfolgung wurde auch in den Flugblättern linker Widerstandsorganisationen nur selten erwähnt. Hier ein Beispiel in der von der „Alweraje“ verbreiteten „Ons Zeidong“. ()

„Wo haben Sie ihr Schlafzimmer her, Frau M.?“ Judenverfolgung wurde auch in den Flugblättern linker Widerstandsorganisationen nur selten erwähnt. Hier ein Beispiel in der von der „Alweraje“ verbreiteten „Ons Zeidong“. (Quelle: Wehenkel, Henri: Der antifaschistische Widerstand, Luxembourg 1985)

In Luxemburg existierte schließlich auch keine eigenständige jüdische Widerstandsorganisation. So konnte es innerhalb des Landes auch nicht, wie in Belgien, zu einer Zusammenarbeit zwischen jüdischem und nicht-jüdischem Widerstand kommen. Lediglich der Einsatz von Einzelpersonen ist bekannt, wie der von Jeanne Salomon, die als Jüdin in einer Mischehe lebte und deshalb in Luxemburg bleiben konnte: Sie arbeitete als Kurierin für die PI-Men.

Und die Luxemburger Kirche? Es gab während des Zweiten Weltkriegs von ihrer Seite keinen offenen Widerstand gegen die nationalsozialistische Politik. Auf diplomatischem Weg erhob sie Einspruch gegen eine Reihe von Maßnahmen, die sie selbst betrafen, nicht jedoch gegen die NS-Judenpolitik. Während vereinzelt Priester mit Widerstandsorganisa-tionen zusammenarbeiteten und sich besonders beim Verbergen von Fahnenflüchtigen hervortaten, kamen jüdische Erwachsene und Kinder allem Anschein nach nicht in den Genuss derartiger Hilfe. In Frankreich dagegen protestierten die katholischen Bischöfe im Juli 1942 gegen die Juden-Deportationen, in Belgien setzte sich u.a. der Lütticher Bischof Kerkhofs für die Rettung jüdischer Verfolgter ein. Hier zögerten auch verschiedene Pfarrer nicht, Geburtsscheine zum Nachweis der arischen Abstammung zu fälschen. Über solche Hilfsaktionen in Luxemburg ist bislang nichts bekannt.

Der Historiker Bob Moore hat gezeigt, dass die Haltung wichtiger religiöser oder weltlicher Persönlichkeiten ein Mobilisierungsfaktor bei der Hilfe für jüdische Verfolgte war. Solche Persönlichkeiten, die das gute Beispiel gaben und damit neue Verhaltensnormen setzten, scheinen in Luxemburg gefehlt zu haben.

Der Beitrag ist eine überarbeitete Version von Auszügen aus der Promotionsarbeit der Autorin.
Quellen:
Archive
ANLUX, CdG-143; CdZ-SD:029; FD-261-05; FD-261-06; FMD-002;
Bundesarchiv, B 162 / 6906; 6907; 6908.
Landeshauptarchiv Koblenz, 856-220284.
 Zeitungen
Tageblatt
Bücher und Artikel
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Les courants politiques et la Résistance. Continuités ou rupture? Colloque international, Esch-sur-Alzette, Avril 2002, (Anlux. Série sources; 2), Luxembourg 2003.

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