Einen „Gesellschaftsroman“ nannte die Autorin Juli Zeh ihr neuestes Werk in einem TV-Interview. Und auch wenn „Unterleuten“ sich als eine Dorfchronik lesen lässt, so passt diese Bezeichnung doch vortrefflich. Denn das Spannungsfeld, in das Zeh den Leser bannt, geht weit über den Dorfrand von „Unterleuten“ hinaus. Das gleichnamige Dorf, irgendwo in der brandenburgischen Idylle gelegen, hat schwer mit den Geistern seiner Vergangenheit, mit seiner Gegenwart und sogar mit seiner Zukunft zu kämpfen. Die offenen Rechnungen aus DDR-Zeiten spiegeln sich in der Art, wie die Einwohner mit den Neuankömmlingen aus den Städten umgehen und wie sie sich zu dem Projekt eines großen Windparks auf ihrer Dorfmark stellen. Die Autorin beschreibt aus verschiedenen Perspektiven die durch dieses Projekt verursachten Interessenkollisionen und feindseligen Allianzbildungen und wie sich die Dörfler in ihrem Hader gegenseitig in den Wahnsinn treiben. Dabei gelingt ihr das Kunststück, für jede ihrer Figuren Empathie aufzubringen, ohne dass der Leser diese Figuren sympathisch finden muss. Im Gegenteil: Bei der Lektüre fragt sich dieser eher, wen man denn nun am meisten hasst – den arroganten Vogelschützer, den vorbelasteten Großgrundbesitzer oder doch den unbelehrbaren Kommunisten? Jeder hat ein schmutziges Geheimnis und keiner spielt seine Karten offen aus. Dies macht „Unterleuten“ zu einem Schmöker, der einen so schnell nicht wieder loslässt.
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