Konzert: Orthodoxer Doom Metal

Die griechische Metal Band „The Temple“ verbindet die Polyphonie kirchlicher Chormusik mit langsamen und schweren Gitarrenriffs. Im Mai verkündet die Bruderschaft des „True Doom“ ihre Lehre auch in Liège und Trier.

Vertreten die reine Lehre des Doom Metal: The Temple aus Thessaloniki. (Fotos: privat)

Es kommt häufig vor, dass eine Band ihre Platte mit einem Intro beginnt, das nicht von ihr selbst eingespielt worden ist. Stattdessen wird aus einer Filmmusik, einer Klaviersonate oder aus einem Orchesterstück zitiert. Die griechische Doom-Metal Band „The Temple“ geht auf ihrem neuen Langspieler jedoch viel weiter. Sie hat ein komplettes Chormusikstück des in Griechenland verehrten und 2021 verstorbenen Komponisten Mikis Theodorakis an den Anfang gesetzt. Bassist und Sänger Alex Sarchosis erzählt, wie es dazu gekommen ist: „Unser Gitarrist ist Tontechniker von Beruf und hat die Aufnahmeleitung gemacht, als der betreffende Chor eine Hommage an Theodorakis eingesungen hat“, so Sarchosis, der sich auch „Father Alex“ nennt. „Er war so begeistert von den polyphonen Klängen des Chors, dass er nachgefragt hat, ob wir ein Stück daraus verwenden dürfen.“

Die Referenz auf solch orthodox liturgische Gesänge kommt für die 2005 gegründete Metal Band nicht von ungefähr. „Das Stück repräsentiert exakt das Epische, Feierliche, das auch wir mit unserem Sound erzeugen wollen, deshalb hielten wir es für eine gute Einleitung in unser Album“, so „Father Alex“ gegenüber der woxx. Und tatsächlich wirken die eigenen Songs von „The Temple“ in vielerlei Hinsicht wie eine in Heavy Metal überführte Version griechisch-orthodoxer Kirchenmusik. „Ich war immer der Meinung, dass die Vielstimmigkeit und der Sound dieser Art von Musik im Grunde ebenfalls heavy oder sogar doomig ist. Wir haben das dann einfach ausprobiert und zu der mythischen Atmosphäre der orthodoxen Gesänge heavy Gitarren hinzugefügt – und wir waren sehr zufrieden mit dem Resultat.“

„Doom“ nennt sich ganz allgemein der Stil, den die vier Musiker aus Thessaloniki spielen. Was sich wörtlich unter anderem als „Verhängnis“, „Verderben“ und „Untergang“ übersetzt, wird in diesem Genre auch musikalisch zum Programm: Auf den Hard Rock der 1960er- und 1970er-Jahre, insbesondere den Psychedelic- und Occult Rock zurückgehend, werden hier tief gestimmte Bässe und Gitarren mit zumeist sehr schweren und langsamen Riffs kombiniert. Bands wie „Black Sabbath“ gehören zu den Urvätern; doch mittlerweile hat sich ein unübersichtliches Geäst aus Subgenres gebildet, zu denen etwa „Death Doom“ mit dem Growl-Gesang des Death Metal zählt, aber auch der „Funeral Doom“, der Dark Ambient-Elemente in sich aufnimmt.

Nichts für die Vertreter der reinen Lehre um „Father Alex“, die für sich reklamieren, den „True Doom“ zu vertreten: „Für uns kommt es vor allem darauf an, dass klar gesungen wird und nicht geshouted oder gegrowlt.“ Überbordende Hymnen und Harmonien, emporgetragen von Tremolo-Gitarren und einem vielstimmigem Gesang, werden von der Band mit so tiefer Inbrunst vorgetragen, dass sie den Vorwurf, Kitsch zu produzieren, glaubhaft von sich abprallen lässt. „Bei den Aufnahmen zu unserem Album hat uns der Produzent gesagt, dass wir zu dick auftragen und das so nicht geht“, beichtet „Father Alex“. „Wir wollten es aber so haben und haben uns durchgesetzt. Es war einfach das, was wir tun mussten. Wir haben ihm gesagt: So klingen wir, und so haben wir die Songs geschrieben, also versauʼ sie uns nicht.“

Wer vom rechten Glauben des Doom abfällt, darf bei „The Temple“ daher nicht mit Nachsicht rechnen – auch wenn die Band nicht mit dem Schwert die Bühne betritt, um ihre orthodoxe Lehre unter die Leute zu bringen, wie etwa „True Metal“-Missionare vom Schlage der US-Band „Visigoth“ das tun. „Natürlich ist das nicht so super ernst gemeint“, schüttet Alex etwas Wasser in den Wein, um seine Reformfeindlichkeit wie auch die seiner Mitbrüder (Stefanos und Filip, Gitarre; Pavlos, Schlagzeug) ein wenig zu kaschieren.

Keine Kompromisse

Auch inhaltlich hat sich die Band mit ihrem soeben erschienenen Konzeptalbum „Of Solitude Triumphant“ ganz der Auferstehung gewidmet, die man allerdings eher spirituell denn christlich-religiös verstanden wissen will. „Unser erster Song repräsentiert der Beginn und das, worauf das weitere Leben aufbaut: Wie man andere zu lieben, anderen zu vergeben lernt“, verkündet „Father Alex“. „Diese Tugenden werden aber bald auf eine harte Probe gestellt, wovon das zweite Lied handelt. Im weiteren geht es um den Tod und die Angst vor ihm, um Verlustgefühle. All das führt schließlich zum Ende der Reise; dafür steht das letzte Stück der Platte, ‚The Lord of Light‘.“

Für die Band ist ihre Musik nicht zuletzt ein Appell, den Moment zu schätzen und nicht alles als Selbstverständlichkeit zu betrachten. „Wenn wir etwas oder jemanden verlieren, lernen wir erst wieder den Wert von vielem zu sehen“, sagt Alex auch mit Blick auf den Song „Profound Loss“, dessen Text sich aus persönlichen Schicksalsschlägen der Bandmitglieder speist: „Sei dankbar, für alles was du hast und für die Menschen um dich herum, du kannst dir beim Abschied nie wirklich sicher sein, dass du sie jemals wiedersehen wirst.“

Und so will die Band sich aller Düsternis zum Trotz auch mit ihrem neuen Album nicht als Formation präsentieren, die nur die negativen Seiten des Lebens sieht. „Man muss immer auch die glücklichen Momente festhalten, die sich inmitten allen Leids ergeben“, sagt Alex. Auch deshalb hat man das eingangs angesprochene Theodorakis-Stück mit dem Titel „Me To Lichno Tou Astrou“ ausgewählt. Übersetzt bedeutet das „Mit dem Licht des Sterns“, und der Komponist spielte damit auf den Kummer und das Elend Griechenlands während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg an: „Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass inmitten all der Trauer immer auch das Licht der Hoffnung erkennbar bleibt.“

Eingehender über die derzeitige politische Lage in Griechenland unterhalten will sich „Father Alex“ eher nicht. „Die Regierungen Griechenlands in den letzten 50 Jahren waren immer korrupt. Wenn man darüber nachdenkt, wird man nur wütend, und das führt nirgends hin.“ Auch von den dortigen Parlamentswahlen am 21. Mai erwartet er sich daher nicht allzu viel. Stattdessen richtet er seinen Blick auf aus seiner Sicht weniger irdische Dinge. Denn just im Mai geht die Band zum ersten Mal seit ihrem Bestehen in Europa auf Tour, gemeinsam mit „Tortuga“ aus Polen. Zwei Termine führen sie dabei in die Nähe des Großherzogtums: Am 7. Mai spielen sie im alternativen Kulturzentrum La Zone in Liège, und am 11. Mai gastieren sie in Lucky’s Luke in Trier. Wer den vier Musikern einen Tag später in Luxemburg über den Weg läuft, sollte sich nicht wundern: Ihren spielfreien Tag plant die griechische Band nämlich hierzulande zu verbringen.

The Temple (GR) auf Tour mit Tortuga (PL): 
7. Mai – La Zone, Liège; 
11. Mai – Lucky’s Luke, Trier.

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