Kunstausstellung: Bilder einer finanziellen Alternative

Zwischen dem Hin et Her der Reisenden und Grenzgänger*innen präsentiert die NGO Etika in der Glashalle des Luxemburger Bahnhofes die Ausstellung „Den Wandel dokumentiert‟. Im Mittelpunkt steht eine Auswahl an sozialen und ökologischen Projekten, die mit Etikas alternativen Sparkonten finanziert wurden.

Den „Wandel dokumentieren“ tut die Ausstellung auf informative Weise. (Foto: María Elorza Saralegui/woxx)

Es ist schwül unter dem Glasdach der Bahnhofshalle. In der Mitte reihen sich Fotografien auf einem halben Dutzend Informationstafeln, eine kleine Schar von Menschen umgeben die Plakate. Gegenüber: ein Rednerpult, gleich abwechselnd besetzt von verschiedenen Vorsitzenden der zivilgesellschaftlichen Organisation Etika. Die Eröffnung der sechsten Ausgabe der „etiKAMERA‟ Ausstellung und anschließende Preiszeremonie verlaufen an diesem Septembermontag schlicht und ohne großes Tamtam. Umso mehr überzeugen die aufrichtigen Reden der Organisator*innen und der Austausch zwischen den Fotograf*innen und den Besucher*innen. Im Hintergrund laufen regelmäßig die Durchsagen der CFL, ein Flugzeug donnert gelegentlich über den Köpfen des Publikums.

„Den Wandel dokumentiert‟ heißt die neueste Ausstellung der Organisation Etika, die sich für alternative Finanzierungsmethoden einsetzt. Insgesamt sind elf Fotoreportagen auf den Informationstafeln ausgestellt. Neben ihnen in Papiertüten: kleinere Fotos auf Postkarten, die Passanten und Besucher*innen mitnehmen können. Ein dutzend Fotograf*innen haben dieses Jahr an der sechsten Edition des Fotowettbewerbs etiKAMERA teilgenommen. Im Fokus stehen soziale und ökologische Projekte, die durch das alternative Sparkonto der Spuerkeess finanziert worden sind. Seit über 25 Jahren arbeitet Etika zusammen mit der staatlichen Bank, um Sparer*innen zu einem alternativen Sparkonto zu ermutigen. Wird bei konventionellen Konten das Sparkapital dort investiert, wo die Bank es für sinnvoll und profitabel hält, finanzieren die Ersparnisse der alternativen Sparkonten der Spuerkeess nur Projekte, die sozialen und ökologischen Kriterien entsprechen. Geprüft werden diese Projekte seit der Entstehung des alternativen Kontos im Jahr 1997 vom Kreditkomitee der Etika. Mag die Spuerkeess selbst in der Bilanz der NGO ASTM was die Sorgfaltspflicht bezüglich Menschenrechten angeht eher schlecht abschneiden (siehe woxx 1725), verhilft das alternative Sparkonto einzelne Projekte hierzulande zu einer nachhaltigeren Entwicklung.

Mit Krediten die Gesellschaft verändern

„Wir zeigen, dass es funktioniert‟, sagt Julian Bernstein, Koordinator von Etika, stolz ins Mikrofon. Über den Köpfen der Anwesenden tost ein Flugzeug. Passanten auf dem Weg zu den Gleisen schauen befremdet herüber, einige bleiben stehen und schließen sich der kleinen Gruppe um die Tafeln an. „Über 100 Millionen Euro sind in den letzten drei Jahrzehnten für soziale und ökologische Projekte in Form von Krediten mit niedrigeren Zinssätzen investiert worden.‟ Rund 105 Millionen Euro (Stand 2022), die über 310 Projekte finanziert haben ‒ von Solaranlagen und Biorestaurants bis über zu Sozialwohnungen.

Um der Öffentlichkeit diese Projekte näher zu bringen, ruft Etika seit dem Jahr 2016 junge Fotograf*innen zum Wettbewerb auf: So sind in den letzten acht Jahren rund fünfzig der über 300 verschiedenen Projekte geknipst und einem breiteren Publikum vorgestellt worden. Die anschließende Fotoausstellung, die dieses Jahr elf der finanzierten Projekte umfasst, führt Besucher*innen alternative Zukunftsvisionen vor Augen. „Die Projekte regen zum Nachdenken an‟, beschreibt Bernstein die Serien. „Sie sind Produkt …‟ eine Bahnhofsansage unterbricht ihn. Ein Zug kommt mit Verspätung an. Die anwesenden Besucher*innen schmunzeln. Bernstein wartet, wiederholt lächelnd, etwas lauter: „Die Projekte sind das Ergebnis unserer Kredite, eins der ältesten Mechanismen des hiesigen nachhaltigen Finanzplatzes.‟

Kinder, die auf einem Spielplatz toben, ein Generationswechsel auf einem Bauernhof, ein Mann, der als Flüchtling nach Luxemburg kam und nun sein eigenes Unternehmen gegründet hat, … Auf den Informationstafeln erzählen die leider etwas klein gehaltenen Fotografien von den unterschiedlichsten Projekten, immer mit einem menschlichen Fokus oder einen Bezug zur Umwelt. Wenn auch die Reportagen die verschiedenen Projekte kaum kritisch angehen, schafft ihre dokumentierende Arbeit Bewusstsein.

Junges Talent fördern

Die drei Preisträger*innen des ‚etiKAMERA‛: Kevin Prudhomme, Manuela Gonçalves und Sana Murad. (Foto: María Elorza Saralegui/woxx)

Neben der Bekanntmache der einzelnen Projekte sei das Ziel zudem das Fördern fotografischen Talents, erklärt Ekkehart Schmidt. Der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit von Etika nimmt als nächstes Platz am Rednerpult. EtiKAMERA ermögliche Personen, das fotografische Handwerk zu erlernen und zu perfektionieren, so Schmidt in seiner Rede: „Unsere Motivation ist deshalb, einen Wettbewerb zu erschaffen, der partizipativ statt kompetitiv ist.‟ Teilnehmende Fotograf*innen werden von Anfang an unterstützt ‒ sowohl von der NGO selbst, die Teilnehmenden den Besuch der von Etika finanziell unterstützten Projekte verschafft und somit „Türen öffnet‟, als auch von professionellen Fotograf*innen. Dieses Jahr übernahm der Fotograf Patrick Galbats, der unter anderem auch für die woxx fotografiert, die Betreuung und leitete zwei Workshops über die narrativen und kompositionellen Inhalte der Fotos. „Die Arbeit mit dem Fotografen half mir, einen anderen Blick auf meine Fotos zu entwickeln‟, sagt Manuela Gonçalves gegenüber der woxx. Neben ihrer Arbeit im Oekozenter Pafendall, schießt sie in ihrer Freizeit vor allem Fotos von Theaterveranstaltungen.

Die Präsentation der Fotoreportagen ist dabei schlussendlich immer gleich ähnlich: Auf jeder Tafel befinden sich vier Fotos, kontextualisierende Bilder wechseln sich mit kontrastierenden Nahaufnahmen ab. „Wir haben zusammen überlegt, wie wir die Projekte darstellen und haben dann die Auswahl der Fotos gemacht‟, erklärt Ekkehart Schmidt den Prozess. „Die endgültige Entscheidung über die Auswahl lag aber bei den Fotograf*innen selbst.‟ Was Gonçalvez am meisten am Fotografieren mag, ist das Festhalten verschiedener Momente, um Leute über Geschehnisse zu informieren. Mit ihrer Serie über die Erschaffung natürlicher Biotope in Industriezonen ‒ ein Projekt von Natur&Ëmwelt ‒ bekommt Gonçalves unter dem Applaus der Anwesenden den Preis ‚Komposition‛ verleiht. Weil das Endziel die Zusammenarbeit und das Lernen voneinander ist, erfüllt die Preiszeremonie an diesem Septembertag vor allem eine symbolische Funktion. Bewertet werden zwar die narrativen und kompositionellen Aspekte der Bilder. Doch die Botschaft ‒ etwa die Artenvielfaltskrise ‒ sei am wichtigsten, erläutert Schmidt. Deshalb habe die Jury bei Gonçalves Thema zur Biodiversitätskrise auch eine Ausnahme gemacht; es ist in der Ausstellung, obwohl das Projekt von Natur&Ëmwelt nicht von Etika finanziert worden ist.

Unter Applaus reiht sich Gonçalves neben Kevin Prudhomme ein, der in den Händen die Preisurkunde in der Kategorie „Storytelling“ für seine Reportage über Biomilch hält. Auf seinen Bildern kontrastiert die helle Milch stark mit dem dunklen, industriellen Hintergrund der Molkerei in Bascharage. Der dritte und letzte Preis, der ‚coup de coeur‛ kündigt Schmidt an, geht an Sana Murad. Die Fotografin, die unter anderem auch für die woxx fotografiert, trägt mit dieser erneuten Auszeichnung zum vierten Mal einen etiKAMERA-Preis nach Hause. Gelungen stellt ihre Serie über die Organisation ProFamilia die Einsamkeit der Kinder in der Auffangstruktur dar. Besonders herausfordernd sei beim Fotografieren die Anonymisierung der Kinder gewesen. Auf den Bildern drehen sie der Kamera den Rücken zu, sitzen an einem Tisch, Kinderschuhe liegen im Gras.

Finanzieller Wandel?

(Foto: María Elorza Saralegui/woxx)

Nicht nur für die rund 70.000 Personen die täglich den hauptstädtischen Bahnhof passieren, lohnt sich ein kurzer Umweg zum Entdecken der Ausstellung ‒ trotz dazwischenfunkender CFL-Ansagen und dem Lärm der tief fliegenden Flugzeuge. Sowohl informativ als auch emotional geladen erzählen die vorgestellten Reportagen von sozialen Realitäten und alternativen Lösungen, dokumentieren aber auch eine wachsende Prekarität in Luxemburg. Obwohl sich zwei der drei ausgezeichneten Serien mit Umweltprojekten befassen, offenbart die Mehrheit der Fotoserien soziale Projekte, die in den letzten Jahren vermehrt von Etika unterstützt worden sind. Dass etiKAMERA dieses Jahr so viele soziale Geschichten präsentiert ist kein Zufall: Trotz der jahrzehntelangen Bemühungen im zivilgesellschaftlichen Sektor zeugt die Ausstellung deshalb auch von der steigenden Armut in Luxemburg. „Wir dürfen uns nicht ausruhen, wenn es darum geht, die Schwächsten unter uns zu unterstützen‟, gibt Etika-Koordinator Bernstein zum Schluss seiner Rede zu bedenken. Das Interesse an den Projekten scheint zu bestehen. Von den in den Papiertütchen liegenden Postkarten ‒ eine intimere Art und Weise sich mit den Projekten auseinanderzusetzen ‒ bleibt am Ende des Tages nur noch eine übrig.

„etiKAMERA ‒ den Wandel dokumentiert‟, Glashalle des Bahnhofes (Place de la Gare, L-1616 Luxembourg), täglich 4 – 1 Uhr. Bis zum 30. September.

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