Iranische Eindringlichkeit
Die Schwestern Marjan und Mahsa Vadat haben ihre erste Aufnahme gemeinsam vor vierzehn Jahren veröffentlich. Seitdem erschienen zahlreiche Alben, die sie teils getrennt, teils gemeinsam, wie die 2019er-Platte mit dem renommierten Kronos Quartet, aufgenommen haben. Jetzt ist erneut eine eigene von Marjan Vahdat erhältlich. Sie lebt seit geraumer Zeit in den USA, denn im Iran ist es Frauen verboten, Sologesang aufzuführen. Die Texte der dreizehn Lieder auf The Eagle of my Heart stammen von Vahdat selbst, von zeitgenössischen iranischen Poeten, wie auch von den beiden berühmtesten Poeten der klassischen Periode islamischer Dichtung, Rumi und Hafez und wurden von Vahdat in Musik umgesetzt. In zwei Fällen ließ sie sich dabei von traditionellen Melodien inspirieren. In ihren Texten verarbeitet sie die bedrückende Erfahrung des Lebens im Exil und beklagt die Opfer, die bei Protestmärschen vom iranischen Regime getötet wurden. Es ist ein a cappella Album, auf dem neben ihrer Stimme auch Gesangsfragmente von Aufnahmen mit ihrer Großmutter, ihrem Vater und einer Großcousine erklingen – Personen, die ihren Gesangsstil geprägt haben. Ein Album einer großen Sängerin von tief berührender Intensität.
Marjan Vahdat – The Eagle of my Heart – Kirkelig Kulturverksted
Afrobeat von heute
Dele Sosimi hatte das Glück, als junger Pianist sieben Jahre lang in der Band der nigerianischen Legende Fela Kuti spielen zu können. Heute lebt der im Londoner Stadtteil Hackney Geborene nach seiner Rückkehr aus Nigeria wieder in Großbritannien, und spielt weiter Afrobeat. Sein Piano spielt in den sechs Tracks von The Confluence eine tragende Rolle, während seine Begleitband The Estuary 21 Gitarre, Bass, Drums und Blech hinzufügt. Der Gesang ist straight und meist in Duettform. Es finden sich Stücke, die den typischen mittelschnellen Afrobeat aufweisen, als auch solche, in denen es entspannter zugeht. In beiden Fällen lassen sich auch die groovigen Jazzelemente finden, die bereits den Sound Fela Kutis, dem Begründer des Afrobeats, prägten. Das Schlagzeug spielt den treibenden Polyrhythmus, wie er für den originalen Afrobeat notwendig ist, die Bläser begleiten das mit funkigen Riffs. Am Afrobeat versuchen sich heute viele, allzu oft aber ohne den Biss zu beherrschen, der ihn ausmacht. Bei Dele Sosimi ist das anders: Er spielt Afrobeat mit seiner ganz eigenen Note, die eine Empfehlung wirklich wert ist.
Dele Sosimi and The Estuary 21 – The Confluence – Wah Wah 45s
Afro-Euro-Experiment
Das Glitterbeat Label gehört zu den Toplabels in der Weltmusikszene. Das nicht zuletzt deshalb, weil es ein breites Spektrum von minimalistischen Fieldrecordings über moderne Interpretationen von Tradition bis hin zu knalligen Experimenten anbietet. Zur letzten Kategorie gehört die Gruppe Avalanche Kaito, die sich in Brüssel traf und jetzt ihr zweites Album Talitakum veröffentlichte. Benjamin Chaval am Schlagzeug und mit Electronics ist Franzose, während Nico Gritto an der mit allen möglichen Effekten gekoppelten E-Gitarre aus Belgien kommt. Am Mikrophon steht Kaito Winse, der aus Burkina Faso stammt. Er singt, spielt die Tama-Talking-Drum, die typische Flöte des Volkes der Fulɓe (franz. Peul) und den Mundbogen. Die drei produzieren eine oft laute und rhythmisch schräge, drückende Musik, die durch Kaito Winse, einem energischen Shouter, eine deutlich westafrikanische Prägung enthält. Purist*innen werden sich damit wohl schwertun; die Hörer*innen aber, die sich auch vor punkigem Noise oder Industrial nicht fürchten, dürften an diesem kraftvollen Afro-Euro-Mix ihre Freude haben. Aufregend anders!
Avalanche Kaito – Talitakum – Glitterbeat
Schwedens mitschwingende Saiten
Das schwedische Trio Northern Resonance hat für sein zweites Album Vision of Three zehn Instrumentalstücke aufgenommen, die von den Gruppenmitgliedern komponiert wurden und die auf Folkmelodien Skandinaviens fußen. Anna Ekborg Hans-Ers, die zuvor bereits Soloaufnahmen veröffentlichte, spielt die Viola d’Amore, ein der Bratsche ähnliches Instrument, das erstmals im 17. Jahrhundert erwähnt wurde, mit mehreren, lediglich mitschwingenden Resonanzsaiten bespannt ist und bei Ekeborg fünf Spielsaiten besitzt. Petrus Dillner bedient die Nyckelharpa, ein altes Streichinstrument, bei dem die Tonhöhe mit Tasten verändert wird. Das dritte eingesetzte Instrument ist die Hardanger-Fiedel, die – wie die Viola d’Amore – zusätzlich zu den Spielsaiten Resonanzsaiten aufweist und von Jerker Hans-Ers gespielt wird. Die Kombination dieser alten Instrumente erlaubt ganz besondere schillernde Klangfarben, die ein Ensemble mit klassischen Violinen nicht erzeugen könnte. Auf ihrem neuen Album hat das Trio eingängige, beschwingte, skandinavische Melodien kompetent eingespielt, die wunderbar satt und „räsonierend“ klingen.
Northern Resonance – Vision of Three – TRAD Records
Transglobal World Music Chart Mai – Top 20
1. Aynur · Rabe · Dreyer Gaido
2. Aziza Brahim · Mawja · Glitterbeat
3. Sam Lee · Songdreaming · Cooking Vinyl
4. Lina · Fado Camões · Galileo Music Communication
5. Maria Mazzotta · Onde · Zero Nove Nove
6. Ali Doğan Gönültaş – Keyeyî – Mapamundi Música
7. Sahra Halgan · Hiddo Dhawr · Danaya Music
8. Jembaa Groove · Ye Ankasa | We Ourselves · Agogo
9. Ana Lua Caiano · Vou Ficar Neste Quadrado · Glitterbeat
10. V.A. · Congo Funk! Sound Madness from the Shores of the Mighty Congo River (Kinshasa / Brazzaville 1969-1982) · Analog Africa
11. Les Amazones d’Afrique · Musow Dance · Real World
12. Kiran Ahluwalia · Comfort Food · Six Degrees
13. Nancy Vieira · Gente · Galileo Music Communication
14. Tarek Abdallah & Adel Shams El Din · Ousoul · Buda Musique
15. Maliheh Moradi & Ehsan Matoori · Our Sorrow · ARC Music
16. Avalanche Kaito · Talitakum · Glitterbeat
17. Dele Sosimi & The Estuary 21 · The Confluence · Wah Wah 45s
18. Asmaa Hamzaoui & Bnat Timbouktou · L’Bnat · Ajabu!
19. Lass · Passeport · Chapter Two
20. Yīn Yīn · Mount Matsu · Glitterbeat