Die Diskussion um die vier Cannabis- pflanzen zu Hause überdeckt die angekündigte Law and Order-Politik der Regierung. Außerdem zeigt sich, dass das Drogenthema nicht verstanden wurde.

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Es ist schon erstaunlich. Da zieht eine Regierung aus, um Cannabis zu legalisieren, und kommt mit einem Paket gegen „Drogenkriminalität“ zurück. Nicht nur, dass das an eine komplette Themenverfehlung in einem Schulaufsatz erinnert, auch die Ausreden gleichen denen säumiger Schüler*innen: Die Pandemie, der internationale Druck, und überhaupt, hat der Hund meine Hausaufgaben gefressen.
Im Gegensatz zu Schüler*innen, die ihren Lehrer*innen einen Aufsatz präsentieren müssen, hatte die Regierung jedoch keine Deadline. Warum präsentiert man also ein Pseudo-Legalisierungsprojekt, wenn das überhaupt noch nicht fertig ist? Die Antwort ist schmerzhaft: Man hat sich von der CSV und teilweise aus den eigenen DP-Reihen treiben lassen. Statt der versprochenen und von einer Mehrheit der Bevölkerung befürworteten Cannabis-Legalisierung kommt nun ein verringertes Strafmaß für den Besitz kleiner Mengen und die Möglichkeit, zu Hause vier Pflanzen anzubauen.
Das mag eine gute Nachricht sein für Konsument*innen, die ein freies Zimmer, einen Balkon oder Garten zur Verfügung haben, ist aber nur eine halbgare Maßnahme. Eine staatliche Qualitätskontrolle ist so nicht zu erreichen. So bleiben Unsicherheiten beim Konsum, vor allem, wenn man vielleicht keinen so grünen Daumen oder kein teures Equipment hat. Der Verkauf in legalen „Coffeeshops“ hätte vor allem für Gelegenheits- konsument*innen viele Vorteile.
Ein Grund, weswegen der (noch) nicht kommt, ist unter anderem der Druck aus dem Ausland. Bereits in den 1990er-Jahren beschäftigte das Thema Drogenlegalisierung die Luxemburger Politik. Eine Spezialkommission des Parlaments arbeitete Vorschläge aus, die jedoch in der Schublade verschwanden. 1996 beschloss das Parlament einstimmig einen Antrag, der die Regierung dazu aufforderte, sich auf internationaler Ebene für eine Neubewertung von Cannabis einzusetzen. Das ist nie passiert, obwohl einige der damaligen Abgeordneten später Regierungsmitglieder waren.
Neben den vier Pflanzen, die in den letzten Tagen die Diskussion beherrschten, wurden am vergangenen Freitag auch jede Menge Präventionsprojekte vorgestellt, von denen die meisten bereits einmal angekündigt worden waren. Auffallend ist, dass viele repressive Instrumente vorgestellt wurden. Da wären zum Beispiel die Bodycams, die Polizist*innen künftig tragen können. Kurz vor den Kammerwahlen 2018 stellte der damalige Polizeiminister Etienne Schneider (LSAP) ein entsprechendes Pilotprojekt vor. Zu dem kam es jedoch nie, weil die legale Basis fehlte. Die soll nun kommen – aber ob der Einsatz von Bodycams, der wohl kaum dazu dienen soll, Polizeigewalt zu dokumentieren, noch ausführlich getestet wird, ist unklar. Genauso wie der kausale Zusammenhang zwischen den Kameras und „Drogenkriminalität“.
Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen Bodycams und vermeintlicher Drogenkriminalität.
Der Platzverweis, um Gebäudeeingänge räumen zu können, dient der Bekämpfung von Obdachlosen und nicht von Dealer*innen. Außerdem muss man sich die Frage stellen, ob der entsprechende Paragraf künftig bei Protesten aus dem Hut gezaubert wird, um Blockaden vor Gebäuden aufzulösen.
Eine Drogenpolitik, die weiterhin allein auf der Bekämpfung von Kriminalität beruht, verkennt das Problem von Sucht und den menschlichen Drang nach Rausch. Die Koalitionsparteien haben sich auf das Framing der CSV eingelassen: „Drogenkriminalität“ ist gleich Dealer*innen und Obdachlose im Bahnhofsviertel. Wenn zugekokste Banker*innen mittels Cum-Ex dem Staat Milliarden klauen, gilt das überraschenderweise nicht als Drogenkriminalität. Statt ein populistisches Law and Order-Konzept zu propagieren, muss eine ehrliche Drogenpolitik sich viel mehr mit medizinischen und sozialen Komponenten beschäftigen.