Nahe Mailand trafen sich zu einem sogenannten Remigrationsgipfel bekannte Vertreter der europäischen und internationalen rechtsextremen Szene, darunter auch EU-Parlamentarier.

War auf dem „Remigrationsgipfel“ bei Mailand zugegen: die EU-Abgeordnete Isabella Tovaglieri von der rechtsextremen italienischen „Lega“, hier bei deren jährlichem Parteitag im Oktober 2024. (Foto: EPA-EFE/MICHELE MARAVIGLIA)
Im großen Saal des kommunalen Theaters in der norditalienischen Gemeinde Gallarate nahe Mailand blieben am 17. Mai nicht wenige Plätze leer. Doch auch wenn keine, wie angekündigt, 400 Teilnehmer erschienen, sondern nur etwa halb so viele, war der „erste internationale Remigrationsgipfel“ ein bedeutendes internationales Treffen von Szenegrößen der identitären Bewegung und anderer rechtsextremer Strömungen.
Zu den Initiatoren gehörte unter anderem Martin Sellner, der als Kopf der österreichischen Identitären gilt. Er bezeichnete die Konferenz als „das italienische Potsdam“ – womit er auf das Treffen von Mitgliedern der „Alternative für Deutschland“ (AfD) und anderen Rechtsextremen Ende 2023 anspielte, durch das der Begriff der Remigration in den Medien omnipräsent wurde.
Auch der 23-jährige Italiener Andrea Ballarati gehörte dem Organisationsteam an. Er gilt als aufstrebender Vertreter der italienischen außerparlamentarischen extremen Rechten, war kurzzeitig bei der Jugendorganisation der Partei „Fratelli d’Italia“ von Giorgia Meloni, der „Gioventù Nazionale“, aktiv gewesen, deren Mitglieder gerne den rechten Arm heben und „Sieg Heil!“ oder „Duce!“ rufen. Ballarati pflegt Kontakte zu Identitären nach Österreich und Belgien und hat mittlerweile seine eigenen Verein gegründet, genannt „Azione Cultura Tradizione“, der die Konferenz ausrichtete.
Dass das Treffen schließlich in Gallarate stattfinden konnte, wäre ohne das Einverständnis des „Lega“-Bürgermeisters Andrea Cassani wohl nicht möglich gewesen – die ursprünglich vorgesehene Austragung des Treffens in Mailand konnte nicht zuletzt aufgrund des Einspruchs des dortigen parteilosen Bürgermeisters Giuseppe Sala verhindert werden. Sowohl Ballarati als auch Sellner sprachen nach der Konferenz von einem „metapolitischen Sieg“.
Nachdem sie Pizza als Import angeprangert hatte, der die US-amerikanische Kultur verfälscht habe, beendete Eubanks ihre Rede mit einem leidenschaftlichen „Italien den Italienern“.
Mit von der Partie war auch Dries Van Langenhove, der Anführer der rechtsextremen flämischen Jugendgruppe „Schild & Vrienden“, der 2024 wegen Holocaustleugnung und Rassismus in erster Instanz zu einer einjährigen Haftstrafe und einer Geldstrafe in Höhe von 16.000 Euro verurteilt worden war. Ein weiterer bekannter Redner war der 25-jährige Afonso Gonçalves. Er hat die ultranationalistische portugiesische Bewegung „Reconquista“ gegründet. Seine Spezialität ist es, Ausländer in den Armenvierteln Lissabons zu filmen und sie zu interviewen, um eine „migratorische Überflutung“ zu beweisen. Er hat kein Problem damit, sich als Rassist zu bezeichnen, und beschrieb den US-amerikanischen Holocaustleugner und Incel Nick Fuentes, den Donald Trump 2022 in Mar-a-Lago empfangen hatte, bei einem Treffen mit ihm als „einen der Größten seiner Generation“. Die Rednerliste verzeichnete auch Eva Vlaardingerbroek, eine bekannte Verschwörungstheoretikerin der niederländischen extremen Rechten. Sie trat seit 2022 wiederholt in der Sendung von Tucker Carlson auf, einem ultrakonservativen US-Moderator.
Angesichts des Durchschnittsalters der Redner, das zweifellos unter 30 Jahren lag, fiel der Franzose Jean-Yves Le Gallou mit seinen 76 Jahren deutlich aus dem Rahmen. Der ehemalige Funktionär des „Front national“ und Publizist, der der Neuen Rechten nahesteht, ist mittlerweile politischer Berater von Éric Zemmour und Mitglied seiner rechtsextremen Partei „Reconquête“.
Als Vertreter der „Jungen Republikaner“, der Nachwuchsorganisation der Republikanischen Partei der Vereinigten Staaten, war Jacky Eubanks angereist. Die Katholikin ist überzeugte Abtreibungsgegnerin und erhielt 2022 die Unterstützung von Trump, als sie erfolglos für einen Sitz im Repräsentantenhaus von Michigan kandidierte. Auf der Bühne vertrat sie die Auffassung, dass die Vereinigten Staaten nicht dazu bestimmt seien, Menschen mit anderen Sprachen, Kulturen und Religionen aufzunehmen. Nachdem sie Pizza als Import angeprangert hatte, der die US-amerikanische Kultur verfälscht habe, beendete sie ihre Rede mit einem leidenschaftlichen „Italien den Italienern“.
Die AfD war durch Lena Kotré vertreten, die im Landtag von Brandenburg sitzt. Im Dezember vergangenen Jahres nahm sie an einem Treffen in der Schweiz zum Thema „Remigration“ teil, das von „Junge Tat“ organisiert wurde, einer kleinen Schweizer Gruppierung, die aus dem Zusammenschluss mehrerer kleiner neonazistischer Gruppen entstanden ist. Mit dabei waren damals auch Mitglieder der in Deutschland verbotenen Bewegung „Blood & Honour“. Junge Tat wiederum war ebenfalls in Mailand anwesend.
Zwei Personen vertraten die Lega von Matteo Salvini: Roberto Vannacci und Isabella Tovaglieri. Vannacci war Ende 2023 zum Generalstabschef der italienischen Landstreitkräfte ernannt worden, aber bald danach aufgrund eines rassistischen und LGBT-feindlichen Buchs vom Dienst suspendiert worden. Seit 2024 ist er Mitglied des Europäischen Parlaments. Tovaglieri ist seit 2019 Europaabgeordnete.
Man könnte lange so fortfahren und unter anderem Vertreter der 2023 gegründeten britischen „Homeland Party“, der deutschen „Identitären Bewegung“ (von denen acht eine Zeitlang von den Behörden am Flughafen festgehalten wurden) sowie der seit 2016 existierenden irischen „National Party“ erwähnen. An den vorgestellten Personen zeigt sich hinlänglich, dass sich der Begriff der „Remigration“ bestens dafür eignet, „eine Schnittstelle zwischen Aktivismus und Parteipolitik“ zu bilden, wie Sellner nach dem Treffen resümierte. Anscheinend laufen bereits Vorbereitungen für eine Nachfolgekonferenz im Jahr 2026.
Ornella Guyet arbeitet als Journalistin und ist auf die Netzwerke der extremen Rechten spezialisiert.
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