In Torrey Peters Debütroman „Detransition, Baby“ ist das Elternglück für ein getrenntes trans Paar zum Greifen nahe, wodurch alte Wunden aufreißen. Ein wichtiges Buch, das jedoch teilweise diskutable, sexistische Klischees reproduziert.
Torrey Peters hebt Dreiecksbeziehungen mit ihrem Debütroman „Detransition, Baby“ auf ein neues Level: Ihre Charaktere führen keine Liebesbeziehung zu dritt, sondern schmieden größere Pläne – sie ziehen in Erwägung, gemeinsam ein Kind zu erziehen. Dabei sind zwei der Beteiligten ehemalige Liebhaber*innen, die sich bis aufs Blut zerstritten haben.
Nach Jahren der Funkstille sucht Ames den Kontakt zu seiner Ex-Freundin Reese. Ihre romantische Beziehung liegt eine Weile zurück, die Wunden sind noch nicht vernarbt. Die beiden lernten sich kennen, als Ames noch den Namen Amy und weibliche Pronomen verwendete. Reese und sie lebten als trans Frauen zusammen, bevor Amy sich entschloss, ihre Transition nicht weiter zu verfolgen. Als die Charaktere Jahre nach der Trennung aufeinandertreffen, hat Ames eine Affäre mit Katrina, seiner Chefin. Warum er ausgerechnet jetzt Kontakt zu seiner Ex sucht? Weil Katrina ein Kind von ihm erwartet und das sein Leben, ihr Verhältnis und sein Selbstbild auf den Kopf stellt. Ames macht Reese, die seit Langem einen Kinderwunsch hegt, ein Angebot: Er will, dass sie die zweite Mutter des ungeborenen Kindes wird. Der leiblichen Mutter des Kindes, Katrina, macht er den Vorschlag seine Ex in die Kindeserziehung einzubinden. Eine Idee, die für hitzige Diskussionen und Gefühlsausbrüche auf allen Seiten sorgt. Darunter mischt die Autorin Rückblicke, die mehr über Reeses und Ames’ Vergangenheit verraten.
Angst und Gefahr als Lustspiel?
Während Reeses, Ames’ und Katrinas Auseinandersetzungen über Elternschaft vielschichtig sind, wirkt die Darstellung von Weiblichkeit an manchen Stellen erschreckend platt und sexistisch. Das fällt vor allem in den Passagen auf, die Reeses Sexualität und Begehren beschreiben. „Cis women, she supposed, rubbed against a frisson of danger every time they had sex. The risk, the thrill, that they might get pregnant – a single fuck to fuck up (or bless?) their lives. For cis women, Reese imagined, sex was a game played at the precipice of a cliff“, heißt es an einer Stelle. Das Zitat fällt, als es um die HIV-Erkrankung von Reeses Sexpartner geht. Die Angst, sich anzustecken, wird hier mit der Furcht vor einer ungewollten Schwangerschaft verglichen. Reese findet Gefallen an der Gefahr.
Ein paar Seiten weiter schwärmt Reese von Stanley, einem Mann, der sie misshandelt: „She liked his jealousy, his controlling behaviour, the way he told her how to dress. She liked seeing herself through his eyes: vulnerable, fragile, prone to the most exasperatingly feminine qualities – he made fun of her for being obsessed with her looks (…) and her highly subjective and associative takes on the workings of the world. She liked how he called her a whore, then bought her expensive gifts.“ Die Gewalt beginnt teilweise aber schon vor dem ersten Date, nämlich dann, wenn Reese sich auf die Suche nach Sexpartnern begibt. Während andere trans Frauen auf Mainstream-Internetplattformen stöbern, setzt Reese auf Fetisch-Seiten: Sie hält Männer, die sich bewusst auf einer Website anmelden, die ihnen ausschließlich trans Frauen vermittelt, für verlässlicher: „Go to a fetish site for men who already know they want a trans girl, and select one from among the many begging for you. In matters of the heart, Reese had one firm maxim: You don’t get to choose who you fuck, you get to choose from among those who want to fuck you.“
Diese wiederholten Assoziationen zwischen Weiblichkeit und Missbrauch, Gewalt und Sex, ziehen sich wie ein roter Faden durch den Roman. Die Verhältnisse werden vornehmlich erotisiert statt problematisiert. Auch wenn die erlebte Gewalt hier als einvernehmliches Beziehungsmuster beschrieben wird, lässt sie einen nicht unberührt. Zwar trägt die Darstellung dieser Facette von Sexualität und Begehren zur Komplexität des Romans bei, doch birgt sie auch das Risiko, sexistische Klischees kommentarlos zu reproduzieren – von wegen Frauen wollen es doch nicht anders, als dass ein Mann die Zügel in der Hand hält.
Im Kontrast hierzu steht Ames, der sich trotz seiner Abkehr von einem Leben als Amy als trans Person begreift. Die bevorstehende Elternschaft setzt ihm auch deshalb zu, weil er sich mit sich als Vaterfigur nicht identifizieren kann. Ames hat seine Transition nicht gestoppt, weil er sie als Fehler begreift. Peters legt nahe, dass das Leben als trans Frau ihn vor unüberwindbare Herausforderungen gestellt hat. In Interviews zu ihrem Buch verrät sie, dass sie in der Vergangenheit selbst mit dem Gedanken einer Detransition gespielt habe, weil der Alltag als trans Frau belastend sei. „Detransition, Baby“ bedient also keinesfalls die Rhetorik transfeindlicher Personen: Die führen gerne Menschen, die ihre Transition abgebrochen haben, als Gegenargument für die Rechte von trans Personen an. Peters schildert die Hintergründe solcher Entscheidungen wertfrei und zeigt dabei die Risse auf, die ein solcher Prozess in Beziehungen und in der Selbstwahrnehmung der Betroffenen provozieren kann.
„So good I want to scream.“ Das sagt die Autorin Carmen Maria Machado über Peters’ Debütroman. Das Zitat prangt auf der One World Trade Paperback Edition von Penguin Random House. Machado ist nicht die einzige, die Peters für ihren Roman feiert: Das Buch war für mehrere Literaturpreise nominiert, wurde mit dem PEN/Hemingway Award ausgezeichnet und von Kritiker*innen über den grünen Klee gelobt. Das haben der Text und seine Autorin trotz Kritikpunkten verdient. Das Buch wühlt auf und wirkt nach. Der eine oder andere Aufschrei ist dabei tatsächlich nicht ausgeschlossen, denn leichte Kost ist „Detransition, Baby“ nicht.