Der privatrechtliche Rahmen von LuxTram könnte Schule machen und das Beamtenstatut gefährden, insbesondere beim Tice, warnt der Gewerkschafter Alain Sertic.
Im vergangenen November wurde das Präsidium des Tice vom Regierungsbeschluss in Kenntnis gesetzt, dass die jährliche Subvention für das Bus-Syndikat der Südgemeinden um satte neun Millionen Euro gekürzt wird. In einer Unterredung mit dem Transportminister wurde dies dem Büro des Tice bestätigt und mitgeteilt, dass der bestehende Staatsvertrag gekündigt und die Finanzierung in der bisherigen Höhe nur noch bis 2025 gesichert sei. Entweder die Gemeinden bezahlen ab dann den fehlenden Betrag aus eigener Tasche oder sie müssen ihre Dienstleistungen entsprechend kürzen.
Was sind die Hintergründe? Die rechtliche Grundlage des Tice bildet der Staatsvertrag von 1914, der 2014 mit den Tice-Gemeinden erneuert wurde. Nun ist aber mit der geplanten Trambahn nach Esch und Beles ein neues Element hinzugekommen. Entlang der Strecke von Beles/Rathaus über Belval/Uni, Lallingen und Cloche d’Or nach Luxemburg-Zentrum soll der Bustransport des Tice vor allem als Zubringer dieser Trambahn dienen. Teile der bisherigen Dienstleistungen des Tice sollen auch an private Busbetreiber des RGTR vergeben werden. Die Regierung ist dabei fest entschlossen, die Tice-Gemeinden mittels Vertragskündigung zu einem neuen Staatsvertrag zu zwingen, der 2025 in Kraft treten soll. Dieses Diktat wird ihnen nach den diesjährigen Wahlen wohl schon im Frühjahr 2024 zur Unterzeichnung vorgelegt werden.
Für das Personal bedeutet das voraussichtlich, dass neue Fahrer nicht mehr im Statut des Fonctionnaire communal, sondern nur mehr als Employés oder Salariés eingestellt werden. Die bisherigen Fahrer werden ihre bisherige Karriere behalten, aber allen neuen Fahrern droht ein ungünstigeres Statut mit niedrigeren Gehaltsaussichten und einer viel schlechteren rechtlichen Absicherung, vor allem, was den Schutz vor Entlassungen betrifft. Laut Verkehrsminister François Bausch sollen irgendwann alle Transportbetriebe unter einem gemeinsamen Dach, einer Art Super-RGTR-Regie zusammengefasst werden, die auch die CFL samt ihrem Busbetrieb, Tice, Luxtram S. A. und private Busunternehmen einbegreift. Spätestens bei solchen Aussagen, so unklar diese im Detail und im Zeitrahmen auch sind, müsste jedem klar sein, wohin diese Reise geht. Nämlich schnurstracks in Richtung eines Konglomerates von Transportbetrieben, teils in privatem, teils in öffentlichem Besitz. Zwar wären die Einzelbetriebe unter dem Dach einer ministeriellen Regie zusammengefasst, aber juristisch und sozial schon in einem privatrechtlichen Regime oder in der Transition dazu – und mit Lohn- und Arbeitsbedingungen, die wohl immer mehr jenen der Angestellten und Paketzustellern der in den 2010er-Jahren privatisierten Post gleichen werden!
Öffentliche Trambahn als Aktiengesellschaft
Auch diese Entwicklung ist nicht zufällig vom Himmel gefallen, sondern wurde durch eine breite Koalition systemkonformer Berufspolitiker und Gewerkschafter von langer Hand geplant und umgesetzt. Besonders deutlich wurde dies Anfang 2017, als die Gründung der hauptstädtischen Tramgesellschaft konkret wurde. Der damalige Schöffenrat Luxemburgs (DP und Déi Gréng) wollte unbedingt die Integration in den AVL-Busdienst oder die Gründung einer eigenen kommunalen Struktur vermeiden. Auf höherer Ebene einigten sich die drei Regierungsparteien letztendlich auf das Modell einer Aktiengesellschaft, zu einem Drittel im Besitz der Stadt Luxemburg und zu zwei Dritteln in dem des Transportministeriums. Dies widersprach natürlich dem Vorhaben der größten Gewerkschaft im Transportsektor, der FNCTTFEL, deren damalige Führung eine gewerkschaftliche Kampagne gegen diese Form der Auslagerung und Liberalisierung plante. Dieser Plan wurde in letzter Minute durchkreuzt mittels eines internen „Coup de Force“ gegen die damalige Führung im Februar 2017. Damit war der Kampf für eine Trambahn als kommunaler Betrieb auch schon beendet, ehe er überhaupt begonnen hatte und eine neue „Société Anonyme“ erblickte im Transportministerium das Licht der Welt.
Dies entsprach vollends den Wünschen der Regierungsparteien, die absolut kein Interesse an einer gewerkschaftlichen Mobilisierung zugunsten einer Trambahn als Gemeindebetrieb mit einem öffentlich-rechtlichen Statut hatten. Ein Antrag von Déi Lénk im Gemeinderat Luxemburgs zugunsten einer diesbezüglichen Debatte wurde auch prompt abgelehnt – mit den Stimmen der LSAP. Wie zu erwarten, rührte auch die neue Leitung der FNCTTFEL, im Einvernehmen mit der OGBL-Führung, keinen Finger bezüglich des rechtlichen Status der Tram und seiner Belegschaft.
Das erklärt, wie wir dort angelangt sind, wo wir derzeit stehen. Nach der Verschlechterung des öffentlichen Pensionsregimes 1998, der Spaltung der CFL mit der Auslagerung des Gütertransports in die CFL/Cargo, dem Ende der Briefträgerkarriere bei der Post und der Gründung der privatrechtlichen LuxTram S. A. steht nun im öffentlichen Dienst der Angriff auf den Tice bevor. Im Grunde geht es dabei um zwei Aspekte: Das ist zum einen der Stellenwert eines interkommunalen Syndikates, wo die neun Südgemeinden dank ihres eigenen Busbetriebes Tice bisher über ein zentrales Mitspracherecht bei der Gestaltung des Personennahverkehrs im Süden verfügen. Der Staat, der den Groβteil der Finanzierung leistet, will nun die wichtigsten Entscheidungen zentralisieren und ohne Umschweife das Heft in die eigene Hand nehmen.
Beamtenstatut: Prüfstein für Parteien und Gewerkschaften
Zum anderen geht es um das Statut eines Teils des Personals, das sind derzeit an Fahrern und Werkstattpersonal rund 450 Posten. Deren Nachfolger sollen, wenn es nach dem Ministerium geht, künftig wohl nicht mehr unweigerlich in die Karriere der Fonctionnaires communaux nominiert werden. Das Beamtenstatut würde also zum Auslaufmodell und das Personal würde nach und nach auf das Niveau Employé oder gar Salarié zurückgestuft. Die Konsequenzen daraus werden die Neueingestellten dann bei den Karrieren, den Gehältern und den statutarischen Rechten zu spüren bekommen. Da Minister Bausch ja schon eine Subventionskürzung von neun Millionen Euro angekündigt hat, wäre es illusorisch zu glauben, mit „verbesserten Kollektivverträgen“ könnte dieses Problem nachträglich behoben werden. Im Gegenteil, gerade Verschlechterungen beim Gehalt in einem Gemeindesyndikat könnten schnell Auswirkungen auf den Südgemeinden-Kollektivvertrag haben, der so oder so in Kürze in seinem Wirkungsbereich mit der Konkurrenz der Hausverträge der privatrechtlichen LuxTram S. A. konfrontiert sein wird.
Das Statut des Fonctionnaire bietet immer noch handfeste Vorteile, es bedeutet eine reale Errungenschaft und es lohnt sich, für seinen Erhalt zu kämpfen. Ein erneutes Zurückweichen der Gewerkschaften in dieser Problematik wäre jetzt ein negatives Signal für den ganzen öffentlichen Dienst und auch für den gesamten privaten Personentransport. Vonseiten des Ministeriums hört man nur, wie immer, dass alles schon beschlossen und es für grundsätzliche Debatten zu spät sei. Dem ist nicht so, noch steht nichts fest und nichts ist unterzeichnet und vor allem stehen jetzt die Kommunal- und Parlamentswahlen an sowie eine neue Regierung im Herbst. Der OGBL steht nun beim Tice in der Verantwortung und soll Farbe bekennen. Mit der Einverleibung der FNCTTFEL hat er den öffentlichen Beamtensektor übernommen. An ihm nun, für den Erhalt des Funktionärsstatuts zu kämpfen, beim Tice und im ganzen öffentlichen Dienst.