In einem Handy-Rollenspiel präsentiert der Digitalkünstler Thomas Webb seine aktuellen Werke. Eine Gratwanderung zwischen 8-Bit-Nostalgie und aktuellen Buzzwords.
Es sind harte Zeiten für Künstler*innen. Auch wenn in Luxemburg Museen und Galerien wieder offen haben – das ist nicht überall so. Seit einem Jahr versuchen Kulturinstitutionen, Besucher*innen virtuell zu empfangen, oft mit aufwendig produzierten, durch das Netz begehbaren 3D-Modellen, die zwar das Gefühl vermitteln, in einem Museum zu stehen, das Betrachten der Ausstellung jedoch in den Hintergrund rücken. Glücklich, wer ohnehin „creative hacker“ ist und seine Ausstellung selbst programmieren kann.
Das „World Wide Webb“ ist eine digitale Spielewelt, die nach ihrem Erschaffer Thomas Webb benannt ist und in der Optik japanischer Rollenspiele der Super Nintendo-Ära daherkommt. Die „Exercise in Hopeless Nostalgia“ lässt sich im Hochformat am Handy begehen und spielen, was den Zauber der optischen und akustischen Zeitreise ein wenig verblassen lässt. Hauptattraktion ist eine virtuelle Version der Berliner König Galerie. In den echten Ausstellungsräumen sind die Werke Webbs, in der Hauptsache digitale Spiegel, zu sehen und zu kaufen. Die Besucher*innen müssen sich auf dem Handy erst einen passenden Avatar aussuchen, mit dem sie dann die virtuelle Ausstellung besuchen können.
In einem recht sterilen Ausstellungs- raum wird man von den Kurator*innen begrüßt und kann Objekte anstupsen, was die Spielfigur „in“ das Kunstwerk befördert. Die Kunstwerke beschäftigen sich vor allem mit den Themen Social Media, Künstliche Intelligenz und dem Verhalten von Internetnutzer*innen. Dabei greift Webb teilweise auf Echtzeitdaten zurück, zum Beispiel indem er die aktuell meistgesuchten Begriffe auf Google anzeigt. Warum er angibt, die Suchmaschine dafür „gehackt“ zu haben, ist eher unverständlich: Google stellt diese Daten selbst zur Verfügung.
Virtuelles Klatschen für Pflegekräfte
Andere Werke beschäftigen sich mit Geld: Einerseits Bitcoin und der unvorstellbaren Wertsteigerung, die die Kryptowährung in den letzten Jahren erfuhr, andererseits mit Mark Zuckerberg und den Investitionen in Virtual und Augmented Reality, die die Firma tätigte. Die Auseinandersetzung mit dem Internetgiganten bleibt aber flach: Zuckerberg spricht einige ominöse Zeilen, die Besucher*innen können virtuelles Geld aufsammeln. Das beste Werk ist ohne Zweifel „Clap for Healthcare Workers“. In einem leeren virtuellen OP-Saal können die Besucher*innen die sinnlose Geste nachahmen. Wer besonders viel klatscht, wird auf einer ebenso unsinnigen Rangliste verewigt.
Ein weiteres Werk beschäftigt sich mit den Tweets depressiver Twitternutzer*innen. Diese Botschaften werden ohne Kontext gezeigt: Was in echten Spiegeln funktioniert, wirkt in einem Handyspiel eher witzlos. Auch stellt sich hier die Frage, ob Webb überhaupt die Erlaubnis der Twitter*innen hat, mit ihren Texten Geld zu verdienen.
Nach dem Besuch der virtuellen Ausstellung beginnt das Spiel eigentlich erst so richtig. Drei Orte können besucht werden: Berlin, Kanagawa und Osaka. Man kann mit Figuren reden, Hunde füttern, Katzen streicheln und Drogen konsumieren. Ziel ist es eigentlich, eine Art Klon von Webb in Form einer bösen künstlichen Intelligenz zu besiegen. Allerdings ist die Steuerung so unangenehm und die Fehler so häufig, dass es wenig Spaß macht, Webbs Welt ausgiebig zu erkunden. Die Idee, Webb sei ein hackender Künstler, der künstliche Intelligenzen für seine Werke programmiert, wirkt auf einmal unglaubwürdig.
Leider wurde das interessante Konzept, eine virtuelle Ausstellung in ein Online-Multiplayer-Spiel zu packen, nicht konsequent genug entwickelt. Zudem scheint viel Inhalt zwar geplant, jedoch nie umgesetzt worden zu sein. Die Auseinandersetzung mit den spannenden digitalen Zukunftsthemen ist ebenfalls in den meisten Fällen recht flach, sodass sich ein Besuch im World Wide Webb zwar anbietet, jedoch sicherlich keine Stunden andauern wird.
Bis zum 31. August auf webb.game
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