World Music: Das Revival der Rumba Congolaise

Der Gitarrist Huit Kilos Nseka sprach mit der woxx über seine Karriere, die Bedeutung des verstorbenen Bandleaders Tabu Ley, dessen Orchestre Afrisa International und das aktuelle Album Melanie.

Wegbereiter der Rumba Congolaise: Huit Kilos Nseka (Foto: © David J. Gaar)

woxx: Worin liegt die Bedeutung des neuen Albums? 


Huit Kilos Nseka: Wir mussten dem großen Tabu Ley Rochereau unsere Ehre erweisen. Wir zeigen den Menschen, dass wir es auch so viele Jahre nach seinem Tod noch können, selbst wenn die letzte Platte vor 20 Jahren erschienen ist.

Würden Sie es auch heute noch Rumba Congolaise nennen?


Ja, es ist Rumba Congolaise. Damit fing alles an, und wir führen es weiter. Das ist unsere Originalität. Ob man das nun Rumba, Soukouss oder Sebene nennt, ist egal. Es kommt darauf an, die Menschen zum Tanzen zu bringen. Wir wollen nicht, dass die Leute traurig herumsitzen, denn wir spielen fröhliche Musik, und das macht kongolesische Musik aus. Es fing mit Rumba an und entwickelte sich zu Soukouss und Sebene. Wir machen unser Ding und respektieren die anderen.

Kubanische Musik ist eine der Wurzeln. Welche Bedeutung hat die kubanische Musik für die kongolesische Rumba?


Ehrlich gesagt, kam die kubanische Musik ja aus dem Kongo. Man hat Afrikaner auf Kuba auch Congo genannt. Die Musik im Kongo ist darüber hinaus vom Semba (traditioneller Musikstil in Angola und Kongo, Anm. d. Red.) geprägt. Das war die Inspiration, und sie hat sich immer weiterentwickelt.

Was hat Ihren Gitarrenstil beeinflusst?


Ich habe mir die Musik vieler Kulturen auf der Welt angehört, vom Kongo bis in die Karibik. Ganz wichtig waren für mich James Brown, Otis Redding und Jimi Hendrix. Diese ganzen Einflüsse haben meinen Stil zu dem gemacht, was er heute ist.

„Lass die jungen Leute machen, was sie wollen. Lasst uns zusammen arbeiten, dann werden die Wurzeln nicht verloren gehen.“

Wie erzeugen Sie den typischen, hellen Gitarrenklang? Benutzen Sie Effekte?


Es ist ein natürlicher Sound, für den ich nur Reverb (Hall) und Delay (Echo) verwende.

Haben Sie Verständnis dafür, dass jüngere MusikerInnen andere Wege gehen?


Ich liebe das und mache da auch gerne mit. Ich liebe sie alle. Jeder von ihnen ist Musiker wie ich. Einmal führe ich sie, dann führen sie mich. Wir müssen zusammenarbeiten. Lass die jungen Leute machen, was sie wollen. Lasst uns zusammenarbeiten, dann werden die Wurzeln nicht verloren gehen.

Welche Chancen haben kongolesische Musiker, ihre Platten weltweit zu veröffentlichen?


Ich will auf illegale Geschäftspraktiken hinweisen. Als wir 1996 mit Tabu Ley und Afrisa International außerhalb von Afrika unterwegs waren, war ich überrascht. Überall hat man unsere Platten verkauft, ohne dass wir wussten, wie sie dorthin gekommen waren. Man muss unsere Rechte als Menschen respektieren und auch die Tradition. Das war traurig.

Wie verlief Ihre Karriere bis Sie schließlich zu Afrisa International kamen?


Es fing mit Bella Soum an, einer lokalen Band von Ngouma Lokito alias Shungu Omba. Ich war 12 Jahre alt, er 19, und ich bin in Sandalen und Hemd zum Vorspielen gekommen. Damals hörten andere, dass da ein junger Gitarrist ist, und sie haben mich geholt. Ich spielte bei Dindo Yogos Macchi und mit Etumbana Ngwaka. Und dann ging ich zu Papa Wembas Viva La Musica. Schließlich gründete ich u.a. mit Dindo Yogo, Esperant Djenga Ka und Evoloko Jocker die Langa Langa Stars. Aber Viva La Musica wollte mich zurückhaben. Nachdem wir sechs Monate in Europa gespielt hatten, verließ Papa Wemba die Gruppe, und wir kehrten in den Kongo zurück. Ich und King Kester Emeneya gründeten dann die Gruppe Victoria Eleison. Schließlich hatte ich das Glück, dass das Orchestre Afrisa International Probleme bekam. Sie hatten ihren Gitarristen verloren. So bin ich dann Mitglied der Band von Tabu Ley Rochereau geworden. Jetzt, auf dem neuen Album „Melanie“, spiele ich nach so langer Zeit wieder mit dem Bassisten Ngouma Lokito, mit dem alles angefangen hat.

Sie sind gerade durch die USA getourt. Gibt es Pläne, nach Europa zu kommen?


Nach Europa zu kommen, ist ganz, ganz wichtig. Wir werden mit Sicherheit kommen.

Am 29.3., 22 Uhr gibt es bei MONDOPHON auf Radio ARA eine Sondersendung zum neuen Afrisa Album und der Geschichte Tabu Leys.

Das Orchestre Afrisa International, das nach 20 Jahren wieder eine neue Platte veröffentlicht hat, ist eines der wichtigsten afrikanischen Ensembles aller Zeiten. Tabu Ley Rochereau‘s Band war eine der drei Spitzenorchester der klassischen kongolesischen Rumba, die bis heute, nicht nur in Afrika, Kultstatus besitzen. Der Urvater dieses Stils, „Le Grand Kallé“ Joseph Kabasele, der 1953 die ersten Aufnahmen mit seiner Gruppe African Jazz machte, starb 1983. Nur sechs Jahre später tat auch der Chef von TP OK Jazz, Franco Luambo Makiadi, genannt „Franco“, seinen letzten Atemzug. Als im November 2013 in einer Brüsseler Klinik auch Tabu Ley Rochereau starb, war der letzte der drei legendären Bandleader der Demokratischen Republik Kongo für immer verstummt. 1996 hatte er mit seiner Band Afrisa International ein letztes Album veröffentlicht, übernahm dann politische Funktionen in der Demokratischen Republik Kongo und litt seit 2008 an den Folgen eines Schlaganfalls.

Begonnen hatte er 1959 als Sänger bei Grand Kallé, gründete 1963 seine eigene Band African Fiesta, die er 1971 in Afrisa International umbenannte, und dominierte – lange in Konkurrenz zu Francos TP OK Jazz – für Jahrzehnte die Musikszene nicht nur des Kongo, sondern ganz Afrikas, und genoss auch in Europa und den USA hohes Ansehen. In diesem Umfeld enstanden zahlreiche neue, jüngere Gruppen, die die klassische Rumba modernisierten und dafür den Begriff Soukouss verwendeten. Der bedeutendste Musiker dieser Generation war Papa Wemba, der 2016 verstarb. Ein unwiderstehlicher, groovender Rhythmus und weiche, hohe Stimmen sind typisch für diesen panafrikanischen Sound aus dem Kongo, der auch in Kenia und Tansania Fuß fasste und selbst in der Elfenbeinküste und auf Madagaskar nachklingt. In der ehemaligen belgischen Kolonie gab und gibt es eine unglaubliche Anzahl von ausgezeichneten und berühmten Instrumentalisten und SängerInnen, von denen viele in der Band Tabu Leys gespielt haben, wie die kongolesische Diva Mbilia Bel. Bevor Tabu Ley starb, musste ihm sein langjähriger Saxophonist Modero Mekanisi versprechen, die Band wieder zusammenzuführen. Drei Jahre nach Tabu Leys Tod hat dieser das Verprechen eingelöst und mit L‘Orchestre Afrisa International das Album Melanie veröffentlicht, auf dem mit Ausnahme einer Komposition Mekanisis nur klassische Stücke des großen Bandleaders und Sängers in exzellenter Qualität neu eingespielt wurden.

Der Kern des Orchesters besteht aus altgedienten Mitgliedern der Originaltruppe: Modero Mekanisi (Sax.), Kabert Kabasele (Trp.), Wawali Bonane (Voc.), Dino Vangu (Git.), Huit Kilos Nseka (Git.), und einem anderen Urgestein, Ngouma Lokito (Bass). Der kongolesische Gitarrenstil mit seinem glasklaren, glockenhellen Ton und den hypnotischen Melodieläufen, der auch den schnelleren Tanzteil der Stücke, Sebene genannt, antreibt, ist ein unüberhörbares Markenzeichen der Rumba Congolaise. Der Kongo hat unzählige Virtuosen dieses Stils hervorgebracht. Zur absoluten Spitzenklasse dieser Saitenzauberer gehören Afrisas Dino Vangu und Huit Kilos Nseka. Huit Kilos hat bei einer erstaunlich langen Liste bedeutender kongolesischer Bands den Gitarrensound geprägt und sich auf über 100 Platten verewigt. Von 1986 bis 1996 war er der Lead-Gitarrist in der Band von Tabu Ley.


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