Die bekannte „Luxembourg Art Week“ geht in die zehnte Runde. Ein kleiner Rückblick auf die Geschichte der Messe, die sich als feste Größe im Kunstkalender etabliert hat.
Die Korken lässt zwar niemand knallen – zumindest nicht vor großem Publikum –, dafür gibt es jedoch noble Kost für das Kennerauge: Zu ihrem zehnjährigen Bestehen lockt die „Luxembourg Art Week“ (LAW) an diesem Wochenende wieder tausende Besucher*innen in das eigens dafür errichtete riesige Zelt auf dem Glacis-Platz. In der vergangenen Dekade hat sich die LAW von einer privaten Initiative, die sich ihr Renommee erst erkämpfen musste, zu einem fixen Termin im Kalender von in- und ausländischen Galerist*innen, Kunstliebhaber*innen und Branchen- spezialist*innen gemausert. Ein Grund für Alex Reding, Galerist, Direktor und Initiator des Kunstevents, auf die Anfänge der LAW zurückzublicken. „Die Herausforderung bestand darin, die ganze Luxemburger Kunstszene zusammenzubringen“, sagt er im Gespräch mit der woxx. Das Ziel dahinter: Eine größere Sichtbarkeit und Präsenz der Szene innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen, das heißt eine durch ihre Kohäsion erzeugte positive Außenwirkung.
Zu Beginn wurde in Zusammenarbeit mit dem „Cercle Artistique de Luxembourg“ (CAL) nach den passenden Räumlichkeiten für ein gemeinsame Veranstaltung gesucht – die Wahl fiel schließlich auf die Victor-Hugo-Halle in Limpertsberg. Hier fand 2015 die erste Ausgabe der LAW statt. „19 Galeristen, davon zwei Drittel Luxemburger“, rekapituliert Reding. Schon das Debüt der „Art Week“ war ein Erfolg: 6.000 Menschen zog es in das große, gelb gestrichene Gebäude mit Flachdach, das gegenüber vom „Lycée des Garçons“ (LGL) steht. Die Halle sollte die LAW bis zur Coronapandemie beherbergen – als sie dann zu einem Impfzentrum umfunktioniert wurde, mussten die Verantwortlichen der LAW auf den Champ de Glacis ausweichen.
Kritik verhallte folgenlos
Schon früh zog das Event auch die Aufmerksamkeit der ausländischen Presse auf sich: 2016 berichtete die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) größtenteils wohlwollend über die Kunstmesse. Als einziges Manko merkte das konservative Schweizer Medium die zentrale Neuerung der zweiten Ausgabe der LAW an, nämlich der vom Kulturministerium unterstützte „Take-Off-Bereich“, der jungen Galerien, Künstler*innenkollektiven und aufstrebenden Talenten eine Bühne bietet. Kunst wird dort für den kleineren Geldbeutel angeboten. Die NZZ bemängelte die Qualität der dort ausgestellten Kunstwerke und sprach von einer „merkwürdigen Parallelmesse“, auf die man in Zukunft verzichten solle, denn „sie wirft ein Zwielicht auf den seriösen, mit bestimmten Qualitätskriterien agierenden Kunsthandel des Zeitgenössischen“.
Immer größerer Erfolg
Auch teilnehmende Galerist*innen monierten damals, der neuen „Take-Off“-Sparte hafte etwas Amateurhaftes an. Diese Kritik verstummte jedoch nach der Zweitauflage – man gewöhnte sich wohl an den neuen Bereich, der noch heute das unter dem Titel „Main Section“ (früher: „Positions“) zusammengefasste Hauptprogramm ergänzt.
In den Folgejahren bestand die große Schwierigkeit laut Reding darin, das sprunghafte Wachstum der Veranstaltung zu managen. Denn schon im zweiten Jahr verdoppelte sich die Besucher*innenzahl nahezu (die damals in der Presse veröffentlichten Zahlen schwanken zwischen 11.000 und 12.000). Und genauso erfolgreich ging es weiter: 2019 waren es 15.000 Besucher*innen, vergangenes Jahr 22.000.
Der CAL und die LAW gingen unterdessen getrennte Wege, weil ersterer seinen jährlichen „Salon“ im Tramschapp in Limpertsberg weiterhin in den Allerheiligen-Ferien veranstalten wollte, während die Organisator*innen der Kunstmesse ein späteres Datum anvisierten. „Es gibt im Ausland viele Messen zu dem Zeitpunkt“, erklärt Reding. „Wir wollten es unseren Ausstellern etwas einfach machen und haben deswegen ein Datum gesucht, an dem es keine so große Konkurrenz mit anderen Messen gibt.“
Durchmischt und kosmopolitisch
Auch als alleinstehende Großveranstaltung konnte sich die LAW problemlos behaupten – womöglich liegt ihr Erfolg darin begründet, dass sie nie nur einfach eine Kunstmesse war. „Die LAW ist eine Plattform für alle möglichen Veranstaltungen“, sagt Reding. „Deswegen heißt sie auch ,Art Week‘ und nicht ,Art Fair‘“. Sie habe sich im Laufe der Jahre zwar immer mehr in Richtung Kunstmesse entwickelt, aber fester Bestandteil des Konzepts war seit Beginn ein sattes Veranstaltungsprogramm, das die eigentliche Messe umrahmt: Konferenzen, Führungen und Ausstellungen in Museen wie dem Mudam und dem Casino Lëtzebuerg. Die Partnerschaften mit diversen Institutionen wurden Jahr um Jahr konsequent ausgebaut. Unter den neueren Partner*innen sind zum Beispiel die Universität Luxemburg sowie die Escher Konschthal.
„Allein dieses Jahr organisieren wir 140 Führungen“, erzählt Reding. „Wir stecken viel Arbeit hinein, um den Besuchern den richtigen Kontext und das nötige Vokabular mit zu vermitteln, sodass sie Zugang zur Kunstwelt haben.“ Für elitäres Gehabe hat der Direktor des Kunstevents wenig Verständnis. Die LAW war nie eine Messe, bei der nur Connaisseurs willkommen waren. Im Gegenteil bringt sie noch heute ganz unterschiedliche Menschengruppen zusammen: Familien und Interessierte jeden Alters, die bis dato noch kaum in Berührung mit zeitgenössischer Kunst gekommen sind, treffen auf erfahrene Sammler*innen und Brancheninsider*innen. Das vielfältige Angebot zieht alle an.
Auch was die Anzahl der Aussteller*innen angeht, legt die LAW jedes Jahr zu. 2017 nahmen bereits 50 Händler*innen teil, 2019 waren es noch einmal rund ein Dutzend mehr. Dieses Jahr werden 77 Galerien und Kollektive anwesend sein. Von Anfang an waren alle Luxemburger Galerien beteiligt. Machten sie zu Beginn noch den Löwenanteil aus, hat sich das Verhältnis nun umgekehrt: Mit 18 Ländern aus fünf Kontinenten stammen 85 Prozent der diesjährigen Aussteller*innen aus dem Ausland. Überdies wird die LAW das zweite Jahr in Folge um einen „Art Walk“ erweitert. Bei dem Skulpturenparcours durch Luxemburg-Stadt werden Werke von insgesamt acht aufstrebenden Künstler*innen aus verschiedenen europäischen Ländern sowie Südkorea im öffentlichen Raum präsentiert.
Und wer trägt die Kosten für eine derart ambitionierte Veranstaltung? Laut Reding sei die Messe selbst finanziert und trage sich durch Einnahmen, die zu zwei Dritteln von den Galerist*innen stammten. Seit 2021 gibt es auch Eintrittsgebühren für Besucher*innen. „Sonst würde die Rechnung nicht aufgehen“, sagt der Galerist. In der aktuellen, krisenhaften Lage, in der Kunst nicht mehr unbedingt das Wichtigste für die Menschen sei und eine große politische Unsicherheit herrsche, sei es sehr schwer, Kunst zu verkaufen. Das letzte Einnahmendrittel schließlich komme hauptsächlich von privaten Sponsor*innen, wobei auch staatliche Institutionen, darunter das Kulturministerium und die Stadt Luxemburg, finanziell ein wenig beisteuerten, damit die Veranstalter*innen ein kulturelles Programm auf die Beine stellen und Skulpturen in der Hauptstadt errichten könnten.
Kunst kostet
Um das finanzielle Risiko für die Beteiligten zu minimieren, steht seit 2016 hinter der „Luxembourg Art Week“ ein gleichnamiges Unternehmen, das die finanzielle Verantwortung für die Veranstaltung trägt. Sie verzeichnete vergangenes Jahr ein Defizit von fast 76.000 Euro. Schuld daran seien laut Reding unter anderem die durch die Inflation und das Wachstum der LAW stark gestiegenen Logistikkosten, die das Unternehmen nicht auf die Aussteller*innen abgewälzt habe, weil letztere selbst finanziell schon stark belastet gewesen seien. Dieses Jahr werde das Unternehmen aber keine tiefroten Zahlen mehr schreiben – dank erhöhter Beiträge und dem größeren Engagement von privaten Sponsor*inneen.
Trotz zwischenzeitlicher finanzieller Durststrecke bleibt die Geschichte der Luxemburger Kunstmesse eine Erfolgsstory. Für Kunstexpert*innen wie für kulturhungrige Laien wird es an diesem Wochenende genug zu entdecken geben – von dem Skulpturenweg bis hin zu den Kojen des weiträumigen LAW-Zelts.