LUXEMBURG-SCHWEIZ: Gemeinsam gegen das Bankgeheimnis

Als das Schweizer Bankgeheimnis Anfang des Jahres unter Druck geriet, war die Regierung überrascht. Die öffentliche Meinung dagegen zeigte ein gewisses Verständnis für die ausländischen Forderungen – und die inländischen KritikerInnen wie Peter Niggli.

woxx: In Luxemburg sorgte während des Sommers eine Studie für große Entrüstung: Sie monierte, der Finanzplatz füge den Entwicklungsländern mehr finanziellen Schaden zu, als das ansehnliche Entwicklungshilfe-Budget ihnen einbringe. Würde eine solche Veröffentlichung in der Schweiz auch so heftige Gegenreaktionen hervorrufen?

Peter Niggli: Weniger heftige. Der Schweizer Finanzplatz wird viel angegriffen, auch von innen. Das sorgt für Aufregung, aber nicht in diesem Ausmaße. Die Schweiz ist eben nicht nur ein Finanzplatz; Industrie und andere Dienstleistungen machen über 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Seit wann gibt es denn in der Schweiz kritische Stimmen zum Finanzplatz?

Die erste große Diskussion fand Ende der siebziger Jahre statt, als ein Bank-skandal um Schiebereien mit italienischem Schwarzgeld aufflog. Damals haben Dritt-Welt-Solidaritäts-Gruppen und die Sozialdemokratische Partei eine Volksinitiative zur Abschaffung des Bankgeheimnisses eingeleitet. Wir haben hoch verloren, seinerzeit. Aber das Thema ist seitdem kontrovers in der öffentlichen Diskussion präsent. Es ist nicht einfach, das Bankgeheimnis, also den staatlichen Schutz der Steuerhinterziehung, zu kritisieren. Dann heißt es gleich: Ihr liefert unsere wirtschaftlichen Vorteile ausländischen Konkurrenten aus.

Das ist genau das Totschlagargument, das auch in Luxemburg den Kritikern entgegengehalten wird.

Bei der Gründung von Alliance Sud war uns klar, dass wir das Thema Steuerflucht nicht rein innenpolitisch anpacken können. Deshalb haben wir das Tax Justice Network ins Leben gerufen, wo wir mit NGOs aus anderen Ländern mit Offshore-Finanzplatz zusammenarbeiten. Über das Netzwerk können wir auf verschiedene Finanzzentren Druck ausüben, nicht nur auf die Schweiz.

Alliance Sud ist eigentlich eine Art Joint Venture von Entwicklungs-NGOs.

Es sind sechs große Hilfswerke, mit Projekten weltweit, die gemeinsam versuchen, die schweizerische Außenpolitik im Interesse der Entwicklungsländer zu beeinflussen. Dazu gehören die Themen Finanzplatz und Bankgeheimnis, aber auch Fragen der Handelspolitik und des internationalen Finanzsystems. Einen Erfolg haben wir jüngst in Sachen Entwicklungsbudget erzielt. Dieses Budget liegt in der Schweiz viel niedriger als in Luxemburg, doch nun hat das Parlament beschlossen, es auf 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts heraufzusetzen.

Dem Geld, das Länder wie die Schweiz und Luxemburg für Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen, steht das Fluchtkapital gegenüber, das der Dritten Welt über diese Finanzzentren verloren geht.

Auf der einen Seite verführt mangelnde wirtschaftliche und politische Stabilität in Entwicklungsländern die Reichen dazu, ihr Geld ins Ausland zu bringen. Dazu kommt das Geld der korrupten Eliten und Regierungen. Auf der anderen Seite sind Häfen vonnöten, die das Geld aufnehmen, und Spezialisten, die dabei behilflich sind, die Spuren zu verwischen und das Kapital profitabel anzulegen. Das ist die Rolle der westlichen Finanzindustrie.

Dagegen wird doch Einiges unternommen?

Manche Möglichkeiten sind eingeschränkt worden. Bei so genannten Potentaten-Geldern, wie denen des nigerianischen Ex-Diktators Abacha, ist die Schweiz mittlerweile bereit, das Vermögen zu beschlagnahmen und ins Ursprungsland zurück zu transferieren. Auch das Waschen von Gel-dern kriminellen Ursprungs ist in den letzten 20 Jahren schwieriger geworden. Zumindest in Ländern wie der Schweiz und Luxemburg ist es heute strafbar. Das heißt nicht, dass es nicht mehr vorkommt, aber vermutlich hat doch ein Rückgang stattgefunden. Bleibt die Steuerflucht: Finanzplätze wie die Schweiz und Luxemburg gewähren im Prinzip ausländischen Steuerhinterziehern einen staatlichen Schutz. Zwar betrifft das Gros der Steuerflucht westliche Länder, aber auch den Entwicklungsländern entgehen massive Steuereinnahmen. Die Einbußen durch die Preismanipulationen der multinationalen Konzerne eingerechnet, schätzt man den Einnahmeverlust für diese Länder auf über 200 Milliarden Dollar jährlich.

Tut uns leid, sagen dazu die Ban-kiers in Luxemburg, wenn wirs nicht machen, dann besorgt es Singapur oder ein anderer Offshore-Platz.

Das haben sie in der Schweiz auch immer gesagt. Doch seit einem Jahr, unter dem Eindruck dieser Finanzkrise, haben die cleveren Investoren und das ganze Finanzcasino einen gewaltigen Prestigeverlust erlitten. Plötzlich gab es eine konzertierte Regierungsaktion der G-20, um weltweit die Schraube anzuziehen gegen die Steuerfluchthäfen. Wie viele andere Finanzplätze hat auch Singapur den OECD-Mindeststandard für Doppelbesteuerung anerkannt, inklusive der Amtshilfe bei Steuerhinterziehung.

Was ist mit den britischen Inseln und dem US-Staat Delaware?

Der Wermutstropfen bei dieser G-20 Aktion ist in der Tat, dass zum Teil die Steueroasen der beteiligten Staaten ausgenommen wurden. Nun können die Schweiz und Luxemburg über diese Ungerechtigkeit jammern und versuchen, ihr Bankgeheimnis doch noch zu bewahren. Oder sie können die Situation nutzen, um die Abschaffung der britischen und amerikanischen Sonderregelungen auf die Tagesordnung zu setzen. Es ist ja nicht so, dass es keinen innenpolitischen Streit über diese Sonderregelungen gäbe. Die Regierung Obama ist angetreten, um auch gegen die Steuerhinterziehung durch Amerikaner vorzugehen. Das, was wir jetzt wirklich durchsetzen müssen, und was in der Schweiz zumindest teilweise gelingen wird, ist die Aufhebung der staatlichen Protektion für ausländische Steuerhinterzieher.

Es heißt manchmal, man solle besser gegen die Ursachen der Steuerflucht in den Entwicklungsländern vorgehen.

Gewiss muss man auch das tun. Es ist schwierig, aber nicht unmöglich. Wir Europäer können das jedoch nicht machen – die Probleme in jenen Ländern müssen die Menschen vor Ort lösen. In unserem Einflussbereich liegt die Industrie der Beihilfe zur Steuerflucht. Da können wir etwas tun.

Kommen die Forderungen und die Kritik von Alliance Sud in der öffentlichen Diskussion in der Schweiz überhaupt zur Sprache?

Aber ja! Seit den achtziger Jahren war die Schweiz einem konstanten Druck von außen ausgesetzt, ihren Finanzplatz zu regulieren. Geldwäsche zum Beispiel war in der Schweiz lange Zeit nicht strafbar. In Genf sah man jeden Tag Afrikaner mit Koffern voller CFA-Franken ankommen, im Tessin wurde „schmutziges“ Geld aus Italien eingezahlt, in Zürich aus Deutschland. Anfang dieses Jahrzehnts, mit dem Erlass der Geldwäschegesetze, hatten manche den Eindruck, man habe nun alle Bedingungen erfüllt. Und täuschten sich darüber hinweg, dass der schweizerische staatliche Schutz für Steuerhinterzieher von den betroffenen Ländern nicht geduldet werden kann. Die Regierung war überrascht, als sie Anfang des Jahres wieder unter Druck geriet. Doch die Reaktion der öffentlichen Meinung war eher „Das weiß man doch schon lange“, reflektierte also ein gewisses Verständnis für die ausländischen Forderungen. Als der deutsche Finanzminister die Peitsche knallen ließ, wurde die Diskussion für uns wieder schwieriger, weil die Verteidiger des Bankgeheimnisses an antideutsche Gefühle aus dem zweiten Weltkrieg appellieren konnten. Alles in allem ist die öffentliche Debatte aber offen, und viele sehen ein, dass diese Unterstützung der Steuerhinterziehung nicht weitergehen kann.

Was sagt der Finanzsektor dazu?

Die Bankiervereinigung tritt nach außen hin geschlossen auf, doch in der Frage der Zukunft des Finanzplatzes gibt es verschiedene Ansichten. Seit dem Skandal in den Siebzigern mehren sich die Zweifel am Sinn des Bankgeheimnisses. Viel Aufregung gab es vor einigen Jahren, als der Privatbankier Hans Bär in seinen Memoiren schrieb, sich auf den Steuerhinterziehungsgeldern auszuruhen mache dick, fett und träge, und man verpasse dadurch die Zukunft des Banking. Innerhalb der Finanzindustrie denken viele so – die Aktivität des Schweizer Finanzplatzes besteht ja auch nicht nur in dem Empfang und der Verwaltung von merkwürdigen Geldern.

Trotzdem scheinen die Versuche zur Rettung des Bankgeheimnisses weiterzugehen. Der luxemburgische und der schweizerische Finanzminister treffen sich weitaus häufiger als ihre Kritiker aus den NGOs.

Wir wollen verstärkt zusammenarbeiten. Über das weltweite Tax Justice Network hinaus haben wir, also die Luxemburger, die Österreicher und die Schweizer, eine gemeinsame Broschüre herausgegeben,. Da gibt es durchaus eine Zusammenarbeit der NGOs gegen das europäische „Trio infernale“ des Bankgeheimnisses.

Peter Niggli
Dass Enwicklungs-NGOs Kritik am Finanzplatz üben, ist in der Schweiz eine Selbstverständlichkeit. Als Geschäftsleiter von „Alliance Sud“ beschäftigt sich Peter Niggli (59) über die Kooperationspolitik hinaus mit allen Politikbereichen, die Auswirkungen auf die Länder des Südens haben. Die Forderung der Abschaffung des Bankgeheimnisses – durch das unversteuertem oder gar kriminellen Kapital Zuflucht gewährt wird – spielt dabei seit 30 Jahren eine besondere Rolle. Nach Nigglis Erfahrungen kann man nur durch eine Zusammenarbeit der NGOs aus den diversen Finanzzentren einen öffentlichen Druck aufbauen. Allerdings steht die Diskussion um Bankgeheimnis und Steuerflucht in Luxemburg erst ganz am Anfang, wie die heftigen Reaktionen auf die Veröffentlichung einer kritischen Studie im vergangenen Juli (woxx 1016) gezeigt haben.

Peter Niggli referiert am 13. Oktober in Luxemburg über die Süd-Nord-Finanzflüsse und die Finanzierung der Entwicklungshilfe. Die Konferenz, an der auch der Direktor des Tax Justice Network, John Christensen, teilnimmt, findet im Carré-Rotondes im Rahmen der „Colors of Money“-Ausstellung statt.

Am 27. Oktober findet dort ebenfalls ein Rundtischgespräch über „l’argent qui fâche“ statt. Beteiligt sind der bankennahe Abgeordnete Lucien Thiel, der ABBL-Direktor Jean-Jacques Rommes, der ASTM-Präsident Richard Graf, Axel de Ville von „ADA Microfinance“ und als Moderator Marc Elvinger von Etika.

Aufgrund des Drucks von Finanzwirtschaft und Politik hat der Cercle de coopération die Studie zu Luxemburgs Finanzplatz vorläufig vom Netz genommen und ist dabei, die internen Meinungsverschiedenheiten zu klären. Die „Studie des Anstoßes“ kann aber unter www.woxx.lu heruntergeladen werden

Weitere Veranstaltungen: www.rotondes.lu

Alliance Sud: www.alliancesud.ch


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