Er beginnt als Abgesang auf eine Rockära und endet mit dem Neubeginn einer Familie. Olivier Assayas jüngster Film „Clean“ beeindruckt dank seiner Hauptdarstellerin
Maggie Cheung.
Eine Spritze fällt zu Boden, eine Frau sitzt in einer schwarzen Limousine. Ihr Gesicht verschwimmt vor der Kamera. Ganz verlassen steht der Wagen nachts auf einem Parkplatz im kanadischen Hamilton. Im Hintergrund steigt glutroter Rauch aus Industrieschornsteinen auf. Mit dieser impressionistischen Landschaftsaufnahme deutet Olivier Assayas in seinem jüngsten Film „Clean“ eine Endzeit-Stimmung, das Ende einer Ära, der avantgardistischen Rockmusik der 80er Jahre an.
Vor dieser Kulisse beginnt auch das Drama um Emily (Maggie Cheung), eine heroinabhängige Rocksängerin und Mutter. Von ihrem wilden Leben im Schatten eines anerkannten Musikers – gespielt von James Johnston, der bei Nick Cave and The Bad Seeds spielte – ist nicht viel geblieben außer Selbstzweifel, Streit und Drogenexzesse. Es kommt hart auf hart: Ihr Mann Lee stirbt – an einer Überdosis. Letztlich aber hilft dieser Schlag Emily, dem Heroin zu entkommen .
Regisseur Olivier Assayas hat seine ehemalige Lebensgefährtin Maggie Cheung in eine neue Rolle gesteckt: die einer Frau im Kampf gegen die Abhängigkeit. In ihrem ersten gemeinsamen Film „Irma Vep“ 1996 spielte die in England aufgewachsene Chinesin noch einen Vampir. Und in diversen Hongkong-Produktionen zeigte sie sich vor allem als
Action-Heldin.
„Clean“ ist ein französischer Film – aber zu zwei Dritteln in Englisch – mit einem einfachen, linearen Handlungsstrang, dessen Gewinn seine Hauptdarstellerin ist. In schwarzer Lederjacke, mit langem rotem Wollschal, einem silbernen Ring am Daumen und rotlackierten Fingernägeln spielt sie Emily, als sei sie selbst eine Überlebende: von innerer Unruhe getrieben, einsam und stur. Bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes wurde die Schauspielerin für diese Leistung als beste Darstellerin ausgezeichnet.
Emily muss sechs Monate ins Gefängnis und verliert ihren Sohn. Die gezeichnete Witwe verlässt Kanada und geht in die Stadt ihrer Jugend, Paris. Hier beginnt der zweite Teil des Problemfilmes. Emily trifft zwei alte Freundinnen wieder. Bei der einen findet sie vorübergehend eine Bleibe. Die andere zeigt der vergessenen Rocksängerin nur die kalte Schulter – eine Szene, die die Handlung nicht weiterführt.
Immer noch auf Drogen (Methadon) findet die ehemalige Rocksängerin nur langsam ins Leben zurück. Sie muss lernen, dass Lees alte Rocker-Freunde keinen Platz im Musikgeschäft mehr für sie haben.
Die Auftritte von Stars wie Trip Hop-Musiker Tricky setzen schöne Akzente im Film. Ganz nah tritt die Kamera an die Rockgrößen heran, filmt sie durch die tanzende Menge hindurch und folgt den rhythmischen Bewegungen ihrer Gesichter. Auch Emilys suchender Blick ist oft in Großaufnahme zu sehen. Ihren Platz sucht sie letztlich an der Seite ihres Sohnes Jay.
Olivier Assayas kitschige Darstellung lässt an der mütterlichen Sehnsucht keinen Zweifel. In ihrem Zimmer richtet Emily ein Bett mit gestreiften Bezügen und einem Teddybär für ihren Sohn ein.
Im dritten Teil des Films lässt Olivier Assayas Emily weiterreisen. Die ZuschauerInnen sehen sich plötzlich zwischen Paris, London und San Francisco. Nick Nolte als großzügiger Schwiegervater Alfred reicht der verlorenen Tochter doch noch die Hand. Er hat den Enkel zunächst bewusst von seiner Mutter ferngehalten. Aber jetzt liegt die Großmutter im Sterben. Die Zeiten haben sich geändert, Emily hat sich geändert. Nick Nolte spricht es letztlich aus – das Menschheitsideal, das hinter Olivier Assayas jüngstem Werk steht: „People change. If they have to, they change.“