Intonierung: Steve Karier/CNA

Renert oder De Fuuß am Frack an a Ma’nsgrëßt

Zum Weiterlesen in der Woxx-Nr 683 vom 5. März: ein Artikel zur Ausstellung rundum die Michel Rodange-Ausstellung in Mersch.

„E Gedicht ass e Lidd“

Spannend und ansprechend, aber auch angenehm zurückhaltend: Steve Kariers Intonierung des „Renert“.

(rw) – Im Katalog zur Ausstellung lesen wir, Michel Rodange sei zwar ein mittelmäßiger Student gewesen, habe sich aber bei der Stellensuche im späteren Berufsleben durch seine „Sprachfertigkeit“ oft gegen Mitbewerber durchsetzen können. Wer sich Steve Kariers Version des „Renert“ auf dem zur Ausstellung editierten Dreier-Album anhört, wird sich dieser Sprachfertigkeit sofort bewusst. Überhaupt entpuppt sich der Renert erst beim Vortragen als „Erzählung“ im Sinne des Wortes: als Text, der erzählt, vorgetragen werden will. Nicht umsonst hatte Rodange selbst schon im Vorwort zum Renert geschrieben: „E Gedicht ass e Lidd: det muß gesongen, an dad gudd geliest gin.“ Diese Herangehensweise war nicht sonderlich erstaunlich in einer Zeit, in der in Luxemburg die allerwenigsten lesen und schreiben konnten. Dass der Renert zwar jahrzehntelang hochgelobt, aber als wirklich gelesenes Buch ein Flop blieb, hat vielleicht auch mit dem Umstand zu tun, dass man stets versuchte, ihn stumm zu lesen statt ihn anzuhören.

Allerdings gebührt Karier auch das Verdienst, aus diesem „Gesang“ alles herausgeholt zu haben. Wer sich in der Ausstellung die Tonversion von Léon Moulin anhört, die 1964 vom „Lëtzebuerger Cabarets-Ensembel“ für RTL aufgenommen wurde, wird seine Leistung noch markanter finden. Karier liest den Text nicht herunter, sondern macht aus jedem Tier eine Persönlichkeit. Michel Rodange hatte jede Figur mit einem spezifischen Luxemburger Dialekt versehen.

Steve Karier nützt nicht nur das Mittel der Dialektsprache voll aus, sondern setzt unterschiedliche Tonlagen und -effekte ein – und kreiert so regelrechte Persönlichkeiten. Isegrim, der Wolf, zum Beispiel kommt mit heiser klagender, schleppender Stimme daher. Der Kater fistelt in elegantem, dynamischem Ton, der Bär dagegen spricht tief und getragen. Dabei widersteht der Sprecher aber der Versuchung, aus dem Renert eine „Micky-Maus“ zu machen. Kariers „Renert“ ist geprägt von Fantasie und Witz, wirkt aber nie überladen oder effekthascherisch: Seine Interpretation unterstreicht lediglich Rodanges Talent zur Charakterdarstellung. Ein Hörgenuss, der auch durch die integrale Länge von über drei Stunden nicht geschmälert wird.


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