Zwischen Tango und Kindererziehung versucht eine alleinerziehende Mutter ihr Leben in der Balance zu halten.
Kaum ein Magazin, kaum eine Talkrunde kommt zurzeit an diesem Thema vorbei: Kindererziehung, wie macht man’s richtig, wie macht man’s falsch und wie zum Teufel soll man Job, Nachwuchs und Selbstverwirklichung unter einen Hut kriegen? Schauspielerin und Autorin Fabienne Biever kennt diesen Zwiespalt nur zu gut, ist sie doch selbst alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und freischaffende Künstlerin.
Davon handelt auch ihr erstes eigenes Stück „Mama Bumba, mein Hintern, der Tango und ich“, das an diesem Freitag im Bonneweger Kasemattentheater Premiere feiert. So klassisch das Thema auch sein mag, so unkonventionell ist die Herangehensweise der 32jährigen Luxemburgerin. „Ich wollte kein Referat halten, sondern eine sinnliche Erfahrung vermitteln“, erklärt sie. Leidenschaft und Realitätsbewusstsein existieren deshalb nicht nur als abstrakte Konzepte, sondern nehmen ganz reale Formen an. Da ist einmal der enigmatische „Tangoman“, der die Protagonistin auf verführerisches, aber gefährliches Terrain geleitet und die Mama Bumba, der Hintern, den man „bewegen“ muss, der immer wieder unangenehme Fragen stellt.
Verkörpert werden diese ungewöhnlichen Gestalten von dem Choreographen und Darsteller Luc Müller und dem Allround-Künstler Piotre Tollik, der sich auch fürs Bühnenbild verantwortlich zeigt. Beide lernte Biever beim Tangotanzen kennen. Noch eine persönliche Parallele, die ihren Weg in den Text fand. Denn erst als die Autorin den Tango entdeckte, bekam auch das Stück seine eigentliche Form. Zwischen den Szenen spiegelt sich in fünf verschiedenen Tangos (komponiert von Serge Tonnar) immer wieder die derzeitige Situation der Figur wider, aber auch im Geschehen vermischt sich der Tanz mit dem Dialog. Für den Tänzer Müller ist diese Verbindung ganz natürlich: „Der Mensch ist nicht nur Sprache und nicht nur Körper, er benutzt beide Ausdrucksformen.“
„Mama Bumba“ versteht sich als verspielte Komödie, nicht als trockenes Sozialdrama. Viel von dem, was am
6. Juni zum ersten Mal auf der Bühne zu sehen sein wird, ist durch die Zusammenarbeit von Biever, Müller, Tollik und dem Regisseur Eberhard Köhler entstanden. Erst während der Proben nahmen die Szenen ihre eigentliche Form an. Manch einer mag sich darüber wundern, dass gerade bei einem solchen Stück die Männer in der Überzahl sind. „Ich wollte raus aus dieser frauenspezifischen Perspektive“, sagt Biever und wählte mit Köhler bewusst einen Mann als Regisseur. Köhler interessiert sich dabei vor allem für die Hinterfragung der Geschlechterrollen. Müller alias Mama Bumba darf deshalb auch durchaus weibliche Seiten an seiner Figur entdecken. „Ich habe beim Wort Tango sofort dieses Bild im Kopf von Zuhältern, die auf der Straße tanzen, denn eigentlich finde ich es schön, dass hier mal ein Mann mit einem Mann tanzen darf“, erklärt Köhler.
Tollik und Müller fühlen sich sichtlich wohl in ihren Rollen als Über-Ich
respektiv -Es der Hauptfigur. Sie könnten sich mit dem Thema durchaus identifizieren, immerhin müsse sich jeder Mensch der Herausforderung stellen auch seinen „Traumfiguren Platz im Leben zu bieten“, wie es Tollik ausdrückt. Aus einer Frauenproblematik entwickelte sich durch die Zusammenarbeit im Team die allgemeine Frage, wie man in Anbetracht des Alltags und dessen Zwängen trotzdem seine Wünsche verwirklichen kann.
Nur allgemeingültige Lösungen bietet „Mama Bumba, mein Hintern der Tango und ich“ keine an. „Es geht ums Gleichgewicht“, sagt Köhler und balanciert einen Löffel auf einem dünnen Holzstift, der auch prompt zu Boden fällt, „am Ende dieses einen Tages gibt es für die Frau einen kurzen Moment des Gleichgewichts.“ Aber diese Balance muss immer wieder aufs Neue gefunden werden, irgendwo zwischen dem eigenen Hintern und seinem inneren Tangoman.
Premiere an diesem Freitag, dem 6. Juni um 20 Uhr im Kasemattentheater.