MALEREI: Hell is around the corner

Filip Markiewicz zeigt in seiner Einzelaustellung in feinen mal morbiden, mal spöttischen Bleistiftskizzen seine eigene Wahrnehmung der Gegenwart

Eine Welle von Eindrücken überflutet den Besucher beim Betreten der Galerie Beaumontpublic. Was wie detailgetreue Abbildungen altbekannter Filmstars wirkt, entpuppt sich erst auf den zweiten Blick als ein zeichnerisch nuanciertes Spiel mit Klischees. Mit dickem Bleistift zeichnet Markiewicz Porträts von Stars, die jeder kennt und stellt sie mal detailliert, mal bewusst verzerrt in eigene Zusammenhänge. Dabei hat schon das Betreten der Galerie etwas Kultisches. Vor dem Eingang ein verblühter Rosenstrauß. Rote Rosen säumen auch den großen Raum der Galerie, sie hängen an Fäden von der Decke, sind ein ästhetischer Blickfang und verstärken die Atmosphäre der Vergänglichkeit. In der Mitte des Raumes eine rostende Badewanne, auf einem Erdhügel, an einem Ende ein Kruzifix mit einem Gekreuzigten. Auf dem Altar davor wie aufgebahrt eine Elektrogitarre umgeben von dicken Kerzen. Am anderen Ende des Raums: rostende Buchstaben, die das Wort HOLYWOOD bilden – Ein Wortspiel. Jenes verfälschte Hollywood hat Markiewicz gleichermaßen als Videoperformance installiert: Sieben lodernd brennende Buchstaben. Von der Decke hängen bedrohlich totalitär schwarze Banner, deren weiße Lettern zusammen den Satz „Hell is around the corner“ ergeben.

Lenkt man den Blick auf „Alterviolence“, das größte längliche Bild im Raum, so hat man den Eindruck einer satirischen Zeichnung der Stars der Glamourwelt der letzten Jahre gegenüber zu stehen. Papst Benedict hält unter einem schweren Kreuz Michael Jackson, den King of Pop, verschlossen in seinen Armen.

Ein demagogisch wetternder Mahmud Ahmadinedschad ist in die Nähe des Satans gerückt, linker Hand des Papstes befinden sich Totenköpfe und Folterszenen, während auf der anderen Seite des Bildes die Präsidentinnengattinnen Michelle Obama und Carla Bruni charismatisch winken als wären sie noch immer im Wahlkampf. Im Hintergrund ragt das hämisch grinsende Gesicht Christoph Waltzs in seiner Rolle des SS-Oberst Landa aus Tarantinos letzter Hollywoodproduktion Inglourious Basterds hervor. Ein satirisches Dokument der Gegenwart.

Überhaupt scheint der 30jährige Markiewicz in der Filmwelt zu Hause zu sein. Detailgetreu bildet er Gesichter bekannter Hollywood-Größen ab. Sei es nun Tom Cruise, selbstverliebt am Predigen oder den schalkhaften Heath Ledger. Einige Zeichnungen tragen Sinnsprüche. „Life is the farce witch everyone has to performe“ Ein Körper, der nur aus Muskeln zu bestehen scheint, trägt die Aufschrift „Scan soul“, ein Kruzifix, an dem ein gekreuzigter Johnny Cash hängt trägt den Titel: „Your own personal justice“. Aber auch Titel wie die Aufschrift eines Bildes von Kindersoldaten „Hells Angels“ oder „Guantanamo Motors“ sind programmatisch zu verstehen.

Ikonoklasmus und Vanitas-Motive ziehen sich wie rote Fäden durch die Ausstellung. Die Vergänglichkeit schimmert hinter den meisten Werken der Ausstellung durch, wenn sie nicht explizit durch Totenköpfe dargestellt wird. Eine dieser Totenkopfzeichnungen trägt den Untertitel: „While I thought that I was learning how to live I have been learning how to die.“

Davon, dass Markiewicz nicht nur den aktuellen Zeitgeist, sondern stets die Geschichte im Blick hat zeugt etwa das Bild „Jewish Child“ – ein kleiner Junge mit Schiebermütze und aufgenähtem Judenstern hebt darauf die Arme. Darunter ist der mahnende Satz „Look to the past for guidance into the future“ zu lesen. Der kritische Blick auf aktuelle Zeitgeschichte ist in seinem Werk omnipräsent. So prangert er Guantanamo an und stellt die iranische Studentin Neda Agha-Soltan, die während der Juni-Unruhen ermordet wurde, mit mariengleichen Antlitz dar. Auf diese Weise benutzt der junge luxemburgische Künstler in seiner Einzelausstellung die Stars einerseits als Metaphern für seine eigenen politischen Aussagen und gibt andererseits mit seinen Reflexionen Denkanstöße.

Manche Zeichnungen mögen aufgrund der populären Motive etwas kitschig erscheinen, andere etwas zu stark symbolisch aufgeladen, doch insgesamt ist die Werkschau „Alterviolence“ eine beeindruckende Sammlung fein komponierter Fallstricke – Markiewicz hat den Bleistift dick angesetzt und dabei eigene Akzente gesetzt.

Noch bis zum 24. April.


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