Christopher Nolans neuestes Meisterwerk „Inception“ bietet Actionkino auf höchstem Niveau: Eine zweieinhalbstündige Achter-bahnfahrt, die man nicht ohne erhöhten Blutdruck und verdrehte Hirnwindungen übersteht.
In einer nicht allzu weit entfernten Zukunft hat der gemeine Industriespion eine ganz neue Methode seine hoch bezahlten Informationen zu ergattern. Es sind ganz andere Mauern und Zäune, die er überwinden, und viel kompliziertere Schließfächer, die er knacken muss. Mittels eines High-Tech-Geräts klinkt er sich in das Unterbewusstsein seines Opfers, projiziert in ihn eine Traumkonstruktion und verschafft sich virtuellen Zugang zu seinen Geheimnissen. Informationsbeschaffung über den Königsweg. Dom Cobb (Leonardo DiCaprio) ist so ein Dieb der Neuzeit; er gilt als der Beste seiner Zunft. Ihm wird von einem japanischen Geschäftsmann (Ken
Watanabe) ein besonderer Job angeboten: Schafft er es, dessen Konkurrenten eine bestimmte Idee einzupflanzen – ,inception` statt ,extraction` – dann wird der polizeilich gesuchte Cobb wieder in seine Heimat reisen dürfen. Doch seit dem Tod seiner Frau Mal (Marion Cotillard) ist es für ihn gefährlich, sich und andere in seinem Unterbewusstsein wandern zu lassen. Denn sie taucht immer öfter in seinen Träumen auf, als mahnendes Schuldbewusstsein. Cobb engagiert für seinen letzten Job die junge Studentin Ariadne (Ellen Page) als Traumarchitektin; sie soll ein Mäander mit mehreren Ebenen konstruieren in das das Team um Cobb ihr Opfer (Cillian Murphy) locken wird, um in sein tiefstes Unterbewusstsein die Idee zu platzieren, das Firmenimperium seines verstorbenen Vaters zu zerschlagen.
Christopher Nolan, der bei diesem Film auch Regie, Produktion und Drehbuch übernommen hat, ist einer der kreativsten Persönlichkeiten des zeitgenössischen Kinos. Mit „Memento“ setzte er 2000 einen filmischen Meilenstein der postmodernen Erzählweise; der verstaubten Batman-Reihe hat er durch höchst sehenswerte Filme wieder zu neuem Leben verholfen. Mit „Inception“ geht er den Weg des anspruchsvollen Unterhaltungsfilms noch weiter. Verzwickte Erzählstrukturen, Reisen ins Unterbewusstsein, Zeit und Raum als relative Größen; die Realität wird dekonstruiert und zu einem atemberaubenden Spektakel zusammen gefügt. Nolan präsentiert Traumstädte mit faszinierenden Details; er konstruiert Welten in Welten und verblüfft vor allem damit, dass man in keiner Minute des Films gelangweilt ist. Natürlich kann dem Zuschauer zwischenzeitig die Orientierung entgleiten, er vorübergehend aus den Augen verlieren, wer nun in welcher Traumebene die Regie führt. Auch ist die Rückkehr in die Realität nicht nur für die Protagonisten ein kompliziertes Unterfangen.
Sei es die Synchronität des Films oder auch die bemerkenswerte Musik von Hans Zimmer, „Inception“ ist ein Film, der für intensive Diskussionen und verwegene Interpretationstheorien prädisponiert ist. Am Ende handelt es sich nämlich nicht nur um eine Reise in den Mittelpunkt des menschlichen Unterbewusstseins. Der Film beschreibt die Essenz aller narrativen Kunst: Welten erschaffen, Realität entstehen lassen und sie dem Publikum präsentieren. Filme, wie auch Bücher, Lieder oder sonstige Kunstwerke sind immer „inceptions“, Ideen, die in uns reifen und zu etwas ganz Neuem heran reifen. Da nicht mehr verraten werden soll, bleibt nur noch der Verweis hin zu einem literarischen Werk, nämlich zu Fridolins Schlussworten in Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“, dass letztlich kein Traum völlig Traum ist.