Äußerst heftig reagierten Patronat und Dienstleister auf Mars Di Bartolomeos Gesundheitsreform-Vorschlag. Ob sich bis zum Herbst die Gemüter beruhigen und die legislative Arbeit anlaufen kann, bleibt abzuwarten.
„Die Bergetappe ist geschafft, das Zeitfahren liegt noch vor uns.“ Ein (noch) mit sich selbst zufriedener Gesundheitsminister erläuterte letzten Montag vor der Presse die großen Züge der von ihm verantworteten Gesundheitsreform. Nicht ganz freiwillig, wie es scheint, unterbreitete er dabei auch eine Reihe von Detaillösungen, die in der vorgelegten Form allerdings erst mit den Gewerkschaften, dem Patronat und den Gesundheitsdienstleistern durchdiskutiert werden sollen.
Vielleicht hätte sich Mars Di Bartolomeo bei seinem radsportbegeisterten Parteikollegen und Regierungs-Vize Jean Asselborn kundig machen sollen, bevor er von seiner der Tour de France entlehnten Metapher Gebrauch machte: Die Luxemburger Radcracks sind in der Regel besser am Berg als bei flachen Zeitfahretappen … und verpassen so auch schon mal den eigentlich verdienten Toursieg um wenige entscheidende Sekunden.
Auch wenn er auf den nach der Pressekonferenz anberaumtem Unterredungen mit den Quadripartite-Partnern betonte, von deren Anti-Haltung nicht überrascht worden zu sein, erschreckte doch der rüde Ton, den Patronat, Ärzteverband und die Vereinigung der Privatlabors anschlugen, um die Reform insgesamt abzulehnen. Nur die Gewerkschaften zeigen sich verhandlungsbereit – obwohl auch sie Vorbehalte anmahnen. Der Vorwurf, den sie sich bei den Tripartite-Verhandlungen eingehandelt hatten, nämlich sich einseitig aus dem sozialen Dialog zu verabschieden, trifft also nicht mehr sie allein.
Eigentlich hatte Mars Di Bartolomeo noch gar nicht alle Details auf den Tisch legen, sondern lediglich die Stoßrichtung der Reform – Einsparungen und Einnahmensteigerung in einer Größenordnung von jeweils 50 Millionen Euro, aber vor allem auch strukturelle Veränderungen in der Gesundheitsversorgung ? darlegen wollen. Seine emsigen Mitarbeiter hatten dann aber doch der Presse das ganze 90 Seiten starke vorläufige Gesetzesprojekt in die Mappe gelegt. Und damit zumindest die Präferenzen des Ministers preisgegeben.
Denn die Einnahmesteigerung kann grundsätzlich auf zwei Wegen erfolgen: Entweder wird die bislang auf das Fünffache des Mindestlohns begrenzte Beitragsgrenze angehoben beziehungsweise abgeschafft, oder aber die Beitragsätze werden um 0,15 oder 0,2 angehoben – oder die beiden Maßnahmen werden irgendwie kombiniert. Di Bartolomeos Gesetzesvorschlag geht von einer Abschaffung der Beitragsgrenze aus. Davon betroffen wären, wie der OGBL peinlich genau vorrechnet, alle, die mehr als 8.624,05 Euro im Monat verdienen – die weniger Betuchten würden verschont. Kein Wunder, dass die Gewerkschaft für eine solche Lösung eintritt. Nicht aber die Staatsbeamtengewerkschaft und die Bankervereinigung: Die Solidarität der Gut- und der Großverdiener hat Grenzen und führt manchmal zu erstaunlichen Koalitionen.
„Weder noch“ brüllt der Arbeitgeberverband UEL: Es sei in der Tripartite klar gesagt worden, dass ein weiteres Anwachsen der Lohnnebenkosten untragbar sei. Nur Einsparungen seien demnach ein gangbarer Weg. Was heißt: Mehr Zuzahlung der Versicherten im Krankheitsfall und Zurückfahren der Kosten generell. Beides hat auch der Gesundheitsminister im Programm, was ihm natürlich wenig Beifall bei Ärzten und sonstigen Dienstleistern einbringt.
Aber die Zielsetzung des Gesetzes ist ja nicht, einfach nur zu sparen, sondern das ganze Gesundheitssystem langfristig abzusichern. Angesichts der längeren Lebensdauer und des medizinischen Fortschritts wird das aber keinesfalls billiger werden. Deshalb können Einsparungen alleine das wachsende Defizit nicht stoppen – rechnet Mars Di Bartolomeo vor. Doch nicht nur die UEL macht dem Minister in dieser Frage zu schaffen. Der Koalitionspartner, der sich in Sachen Indexdeckelung im strategischen Rückzug befindet, wird sich bei der Aufhebung der Beitragsgrenze sicherlich querstellen. Und Beitragserhöhungen hat der CSV-Regierungschef schon auffallend oft als nicht akzeptabel abgelehnt. Bleibt somit doch nur der Abbau von Leistungen?