ABTREIBUNG: Unmündige Gynäkologen?

Robert Lemmer ist praktizierender Gynäkologe und Präsident der „Société Luxembourgeoise de Gynécologie et de Obstétrique“. Mit ihm sprach die woxx über das neue Reformvorhaben zur Abtreibung.

woxx: Müssen Frauen heutzutage zur Abtreibung noch immer ins Ausland reisen?

Robert Lemmer: Nein, das stimmt nicht, ins Ausland zu gehen braucht heute niemand mehr. Die Abtreibungen können in Luxemburg vollzogen werden. Die Patientinnen, die ins Ausland gehen, sind solche, die die Abtreibungsfrist von zwölf Wochen überschritten haben, die das Gesetz in Luxemburg vorgibt. Oder die aus Diskretionsgründen die Behandlung im Ausland vorziehen, da Luxemburg klein ist und jeder jeden kennt. Natürlich gibt es auch einige Gynäkologen, die keine Abtreibungen machen wollen, aber das liegt in ihrem eigenen Ermessen. Viele Gynäkologen nehmen einen ambulanten Schwangerschaftsabbruch mit der Abtreibungspille Myfegyne vor. Dieses Medikament kommt zum Einsatz bis zum 49. Tag nach der letzten Regelblutung. Die meisten Schwangerschaftsabbrüche werden mit dieser medikamentösen Methode durchgeführt. Der chirurgische Schwangerschaftsabbruch wird dagegen im Krankenhaus per ambulanter Chirurgie vollzogen. Nach wie vor existieren keine Statistiken, jedoch gibt es in Luxemburg – wie auch im Ausland – fast so viele Abtreibungen wie Geburten.

Die rechtliche Situation ist in Luxemburg nicht wirklich geklärt …

Nach dem geltenden Gesetz ist der Schwangerschaftsabbruch noch immer strafbar. Luxemburg ist eines der wenigen EU-Länder in denen die Abtreibung noch immer unter die Strafgesetzgebung fällt. Wenn ein Gynäkologe heute einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt, so handelt er auf der Basis der Ausnahmeregelungen des Gesetzes. Wir registrieren mit Betroffenheit, dass auch in dem neuen Gesetzesprojekt keine Straffreiheit vorgesehen ist – das wäre für uns Gynäkologen eine wirkliche Entlastung gewesen. Stattdessen wird nach wie vor mit Gefängsnisstrafen gedroht. Weiterhin gelten Indikationen als Bedingung für eine Abtreibung. Es werden also die alten Gummiparagraphen beibehalten.

Ist die „Société Luxembourgeoise de Gynécologie et d’Obstétrique für eine Fristenlösung?

Ja – mit der Bedingung allerdings, dass ein Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche erfolgen muss. Eine weitere Forderung der Société Luxembourgeoise de Gynécologie ist, dass das Gesetz endlich aus dem Strafrecht herausgenommen wird.

In dem von der CSV-LSAP-Regierung erarbeiteten Reformvorhaben zum Abtreibungsgesetz ist vorgesehen, dass eine schwangere Frau eine Pflichtberatung wahrnehmen muss und erst danach an einen Gynäkologen überwiesen wird. Wird es dann Listen mit Gynäkologen geben, die den Eingriff vornehmen? Was halten sie davon?

Das wäre eine gänzlich überflüssige Prozedur. Es wird mit den Gynäkologen und den Patienten umgegangen, als wären sie unmündig.

Was halten sie von den Forderungen des Kollektives „Si je veux – pour l`autodétermination de la femme?“

Es ist sehr bedauerlich, dass die Frauen so weit gehen müssen, um ein Recht zu erlangen, das anderswo längst praktiziert wird.

In Kanada wird die Abtreibung als eine normale ärztliche Behandlung betrachtet, bei der keine gesetzliche Einmischung erfolgt.

Bis ein liberales Abtreibungsgesetz von den Menschen wirklich angenommen wird, vergeht sicher eine Generation.


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