GASTRONOMIE: Qualität statt Convenience

Guide Orange – was hier französisch daherkommt, ist ein deutschsprachiges Vademecum mit kulinarischen Highlights aus der Großregion. Die woxx berichtet exklusiv über die Vorstellung der neuesten Ausgabe, an der auch Slowfood Luxemburg beteiligt ist.

Das gemütliche Hinterstübchen im Restaurant Kjub, das als kleine Bar fungiert, ist an diesem späten Wintermorgen noch fast menschenleer. Außer dem Restaurantbetreiber Jacot Diederich, der sich hinter dem Tresen zu schaffen macht, sind noch die Gastgeber der kleinen Pressevorstellung anwesend: Versammelt um den Präsentationstisch mit der neuen Ausgabe des „Guide Orange“ stehen Holger Gettmann, der Herausgeber des Gastronomieführers, Ruth Mattes-Schmit von der Ottweiler Druckerei und Thierry Origer, Präsident von Slowfood Luxemburg.

Luxemburger Klientel im Visier

Auch wenn der Guide Orange bereits in seiner vierten Ausgabe erscheint ? dass er in Luxemburg vorgestellt wird, ist ein Novum. Während wir auf die restlichen PressevertreterInnen warten, erzählt Holger Gettmann, dass man mit dem Buch zunächst saarländische Gourmets im Blick hatte. Die Absicht war, Restaurants, aber auch Kneipen, Läden oder produzierende Höfe, zu beschreiben, die in den klassischen Führern nicht zu finden sind. Und zwar nicht nur im Saarland oder in Rheinland-Pfalz: Denn bei der Nähe zu Frankreich war es nur natürlich, dass man auch in Elsass und Lothringen auf die Suche nach interessanten Adressen ging. Schnell wurde in den Bereich der anvisierten Leserschaft auch Rheinland-Pfalz einbezogen. Für die neueste Ausgabe soll nun ebenfalls eine Luxemburger Klientel angesprochen werden. Auch wenn der Guide Orange auf Deutsch erscheint, ist Thierry Origer von Slowfood zuversichtlich: „Viele Luxemburger gehen gern essen. Es gibt ein großes Potenzial von Kunden für die Restaurants, die hier beschrieben werden.“

Tatsächlich existiert an der Mosel auch kulinarisch ein Luxemburger Grenzgängerphänomen; die Gastronomiebetriebe auf der anderen Seite der Remicher oder der Schengener Brücke werden stark von Luxemburger Gästen frequentiert. Dem eher bescheidenen Angebot am Luxemburger Ufer stehen die zahlreichen entdeckenswerten Adressen auf der deutschen und französischen Seite gegenüber: kleine Gasthöfe, Biergärten, selbst eine Käserei und sogar ein Whisky-Produzent. Und zumindest für Luxemburger Verhältnisse ist bei den Nachbarn das Preis-Leistungs-Verhältnis noch in Ordnung.

Was hat nun Slowfood Luxemburg mit dem Guide Orange zu tun? Das erklärt der Präsident, während der Wirt uns mit einem Glas Sekt die Wartezeit verkürzt: „Unsere Rolle ist die des Vermittlers zwischen gutem Produkt, Produzenten und Kunden.“ Der um Geschmacksvielfalt bemühte Verein sei immer schon auf der Suche nach einer Zusammenstellung von unterstützenswerten regionalen Gastronomie-Adressen gewesen, die man interessierten Leuten an die Hand geben kann. Einen kulinarischen Führer nur für Luxemburg hält er dagegen allein schon von der Landesgröße nicht für realistisch. „Außerdem werden die Luxemburger Betriebe zu 99 Prozent vom Großhändler La Provençale beliefert.“ Viel Originelles gebe es daher nicht zu berichten, auch wenn die Qualität durchaus zufriedenstellend sei. Zudem gefällt Origer die Herangehensweise des Guide Orange: „Die den Luxemburger Markt abdeckenden Führer geben oft keine Bewertungen. Das ist hier anders. Und der Guide orange ist nicht dermaßen auf die Sterne-Restaurants fixiert, wie es bei uns häufig der Fall ist.“

Ein weiteres Argument kommt hinzu: Gettmann testet auch Betriebe, die ihm Slowfood vorschlägt: „Wir arbeiteten von Beginn an mit Slowfood Saarland zusammen, jetzt ist der Luxemburger Ableger hinzugestoßen,“ erklärt er. Die beiden Vereine dürfen anschließend unter den zurückbehaltenen Adressen Empfehlungen vergeben ? sie bewerten besonders die Frische und Rückverfolgbarkeit der verwendeten Produkte. Das Slowfood-Logo, eine kleine Schnecke, prangt auf zweien der zwölf Luxemburger Adressen, der des „Manoir Kasselslay“ in Roder und des „Äppel a Biren“ in Ingeldorf. Beide geben die Produzenten aus der Region an, von denen sie beliefert werden. Dass es nur diese beiden sind, liegt aber, betont Origer, auch am Zeitmangel. Das Slow-Food-Team arbeite ehrenamtlich und sei zudem erst in einer späten Produktionsphase in die Zusammenarbeit eingestiegen: „Nächstes Mal können es durchaus mehr sein. Für uns ist dies ein langfristiges Projekt; der Luxemburg betreffende Teil soll zum Referenzwerk für hiesige Slowfood-Adressen werden.“ Doch auch im saarländischen Teil wurden nur sechs Restaurants ausgezeichnet. Slowfood-Kriterien sind, gibt Origer zu, „High End“.

Von Pommes bis zum Tournedos

„Jetzt kommt wohl niemand mehr,“ bemerkt er anschließend, und gibt dem Mann hinter dem Tresen ein Zeichen. Während der die erste Platte Schnittchen zwischen die Sektgläser platziert, erklärt Holger Gettmann seine Arbeitsweise: „Wir schreiben für den Leser, nicht für den Gastronomen. Es geht nicht darum, alle Restaurants abzudecken, sondern wir bieten ein ?Best of`.“ Geschulte Testerinnen und Tester (paritätisch aufgeteilt) prüfen nach einem präzisen Schema eine Liste von vorgeschlagenen Adressen. Anschließend verfassen sie einen persönlichen Bericht. Sie besuchen aber nicht nur Restaurants: Unter den 250 Tipps gibt es auch selbstvermarktende Bauernläden, einen Schäfer, einen grillenden Metzger oder ein Ausflugslokal, in dem Schnitzel mit Pommes serviert werden.

Stichwort Pommes: Reine Convenience-Küche, so Holger Gettmann, sei nicht nach dem Geschmack des Guide Orange. „Ich bin selbst ein Fan von guten Pommes frites, aber sie müssen selbstgemacht und aus guten Kartoffeln sein.“

Recht fleischlastig sind die Tipps im Guide Orange allerdings. Vegetarisch kochen, da sind sich die beiden einig, ist eine große Herausforderung, ist vielleicht sogar schwieriger als die klassische Küche. Auch internationale Küche hat im Guide Orange Seltenheitswert. „Es gibt exzellente japanische und thailändische Restaurants,“ meint Thierry Origer, „aber Slowfood ist das nicht. Uns geht es um Produkte und Produzenten aus Luxemburg und der Großregion. Wir wollen gute Produkte retten und erhalten, deshalb unterstützen wir ihre Hersteller.“ Und manche Dinge fehlen einfach in der Slowfood-Küche: „Es gibt hier nun mal keine regionalen Meeresfische.“

Neben der Küche spielt auch das Ambiente eine wichtige Rolle. Sich wohlfühlen geht aber nicht nur in urigen Bauernwirtschaften, sondern auch in einer alten Studentenkneipe. Daneben werden die Kinderfreundlichkeit und das Vorhandensein einer Terrasse vermerkt. Nicht bewertet wird hingegen die Zugänglichkeit per Rad oder öffentlichem Transport – ein Problem bei den meist ländlich gelegenen Häusern. Erwähnt wird dagegen, wenn Restaurants Übernachtungsmöglichkeiten anbieten. Aus den recht zahlreichen Rückmeldungen auf der interaktiven Internet-Seite ergebe sich, so Gettmann, dass das Buch gerade auch bei Wandertouren viel benützt wird.

Zwischen den Tipps gibt es zahlreiche nett zu lesende Beiträge, wie „Was denkt der Koch über seine Gäste“, einen Kommentar zu den Wasserpreisen in Restaurants oder eine Hitparade der besten Espressobars im Saarland. „Das Buch soll unterhalten, aber wir stehen auch hinter seinem Inhalt,“ betont Gettmann zum Schluss.

Beim Aufbruch von der Pressekonferenz, die zur Privatvorstellung geraten ist, scherzen die beiden: „Nun hat die woxx einen Scoop.“

Guide Orange: Einkaufen und Essen mit Genuss. Saarland, Elsass und Lothringen, Luxemburg.
Erhältlich über www.guide-orange.de oder im Buchhandel.


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