(td) – Montag, der 14. Februar 2011. Aus heiterem Himmel setzt Radiohead das Erscheinen des neuen Albums The King of Limbs auf den darauffolgenden Samstag an. Am Freitag Vormittag entscheidet die Band, die Veröffentlichung um einen Tag vorzuverlegen. Der Hype ist perfekt. Gegen Abend desselben Tages kann man sogar schon verfrühte Rezensionen lesen. Was gibt es zwei Wochen später zur Musik zu sagen? „Open your mouth wide“ schlägt uns Thom Yorke im Opener „Bloom“ vor. Einziges Problem: Beim ersten Hören des 38-minütigen Materials stellt man fest, dass man besser täte, nicht alles sofort einzunehmen, dies könnte Verdauungsprobleme zur Folge haben. Man ist einfach restlos überfordert mit den Unmengen an Ideen. The King of Limbs ist definitiv eine komplizierte Sache. Die Musiker, die mehrfach angekündigt hatten, nie mehr ein Album im klassischen Sinne auszuarbeiten, präsentieren hier eine Aneinanderreihung von acht Tracks, die auch locker einzeln im Internet hätten auftauchen können. Kohärenz gibt es trotzdem. In der ersten Hälfte wird der Zuhörer mit perkussiven Monstern bombardiert, die gekonnt mit Dissonanzen und Effekten spielen. Anspruchsvoll, aber nie prätentiös. Dem Track „Ferral“ hört man an, dass Dubstep nicht spurlos an Radiohead vorbeiging. Diese Hälfte vergnügt sich auch nicht, wie im Postrock etwa, die Songs auf- und abzubauen. Trance, anstatt Klimax, ist die Devise. Paranoid Android war früher, sagt sich wohl auch Jonny Greenwood, musikalischer Kopf der Band, der Gitarrensoli satt zu haben scheint. Dies konnte man schon bei seinen exzellenten Filmmusiken hören, wie zum Beispiel beim Kinoerfolg „There Will Be Blood“. The King of Limbs ist daher eine logische Fortsetzung. Ab „Lotus Flower“ kehrt das Album dann eher wieder zu klassischen Songstrukturen zurück. Es wird leiser, introvertierter, intimer. Auf „Give Up The Ghost“ loopt Yorke seine Stimme, singt darüber und wird begleitet von Akustikgitarre und subtiler Bassdrum. „Codex“ ist ähnlich minimalistisch. Nach der anfänglichen Nervosität wirken diese Songs auf erstaunliche Weise, weil detailverliebtheit wie eh und je. Obgleich es manchmal an Konsequenz mangelt, erfindet sich Radiohead immer wieder neu und klingt weiterhin wie Radiohead.
Tom Dockal moderiert jeden Freitag von 14 bis 16 Uhr die Sendung „Lost in Music“ auf Radio Ara. An dieser Stelle berichtet er regelmäßig über kuriose und hörenswerte Musik aus seiner Sendung.