Wir erinnern uns: Vor zwei Monaten verstarb Trish Keenan, Frontfrau der britischen Band Broadcast. In den zahlreichen Nachrufen in der Presse wurde oftmals von Dorothy Moskowitz gesprochen, deren kindlich naiven Gesang sich Keenan angeeignet hatte. Moskowitz war die Sängerin der Band United States of America. Joseph Byrd hatte diese Truppe 1967 mit Filmstudenten (u.a. Moskowitz) gegründet. Byrd studierte Akustik und Psychologie, fühlte sich aber zur psychedelischen und avant-gardistischen Musik hingezogen. Das Leben in einer Kommune und halluzinogene Drogen gehörten auch dazu.
The American Metaphysical Circus, der Titel des ersten Stückes, ist programmatisch für das Album: Infantiler Wahnsinn trifft auf Burleske und das auf allen Ebenen. Textlich punkten Byrd und Moskowitz mit bissigem Humor, der unter anderem mit einer prüden amerikanischen Gesellschaft und deren heuchlerischer Moral abrechnet, die materielle Sicherheit als höchstes Gebot sieht. Obwohl dem Typen das Auspeitschen und Festbinden seiner Freundin außerordentlich gut gefällt und ihn wieder 25 Jahre jung fühlen lässt, „I can´t leave my wooden wife for you, sugar / I got a split level house with a wonderful view, sugar“. Syd Barrett lässt herzlichst grüßen. Nicht nur die Texte lassen auf zirkusähnliche Zustände bei der Produktion des Albums schließen. Es treten auf: Eine Calliope Dampforgel, Streicher, die im „Cloud Song“ atmosphärisch an Scott Walker´s Boy Child erinnern und der Ringmodulator, einer der ersten Synthesizer, der zu einem großen Teil zum einzigartigen Sound der Band beitrug. Psychedelischer Rock halt. Das Verblüffendste ist jedoch die Tatsache, dass diese Band im Gegensatz zu Captain Beefheart, Jimi Hendrix, den Doors oder sogar den Beatles, grundsätzlich, mit Ausnahme eines Basses, Gitarren komplett außen vor ließ.
Wie jede Obskurität endet auch hier die Geschichte damit, dass sich die United States of America nach kommerziellem Misserfolg und einem Debakel (mit Drogen selbstverständlich) während der ersten Tour 1969 wieder auflöst und die Musiker sich fast komplett aus der Musikszene zurückzogen. Und trotzdem oder gerade deswegen bleibt die Band eine Referenz unter Musikliebhabern aller Länder, die USA eingeschlossen.
Tom Dockal moderiert jeden Freitag von 14 bis 16 Uhr die Sendung „Lost in Music“ auf Radio Ara. An dieser Stelle berichtet er regelmäßig über kuriose und hörenswerte Musik aus seiner Sendung.