(td) – Wir erinnern uns: Vor nicht allzu langer Zeit wurde in Ägypten ein Diktator gestürzt. Dieser Umstand wurde jedem bewusst als Al Jazeera begann aus der Vogelperspektive vom Tahrir-Platz zu berichten und man plötzlich die Möglichkeit hatte in Echtzeit Zeuge einer vermeintlichen Revolution zu werden.
Für diese kurze Zeit des Aufruhrs wagte man es doch tatsächlich, an den Worten eines großen Künstlers zu zweifeln: „The revolution will not be televised“. Hatte dieser Mann schlussendlich vielleicht Unrecht?
Dieser Künstler, mit bürgerlichem Namen Gilbert Scott-Heron, verstarb am letzten Freitag im Alter von nur 62 Jahren. Dieser Satz mag wohl arg abgedroschen klingen, aber das Vermächtnis, das Scott-Heron hinterlässt, ist wahrlich groß. Ohne ihn wäre die Rapkultur nicht dieselbe und vielleicht gäbe es einige Künstler überhaupt nicht, die mit Hilfe des „conscious rap“ zu Größe fanden. Gil Scott-Heron steht an der Wurzel von alledem, darüber sind sich alle einig.
1970 machte er zum ersten Mal mit dem Album „Small Talk at 125th and Lennox“ auf sich aufmerksam. Dieses Vinyl enthielt auch den einzigen richtigen Hit, der Scott-Heron auf den Radiowellen bekannt machen würde: „The revolution will not be televised/ The revolution will not go better with coke/ The revolution will not fight the germs that may cause bad breath/ The revolution will put you into the driver’s seat“, so dichtete er damals über den Frust den die Unbeweglichkeit der Konsumgesellschaft in den Herzen derer entfacht die noch etwas ändern wollen. Bei den Aufnahmen zu dieser Platte lernt er Brian Jackson kennen, mit dem er über die nächsten zehn Jahre zusammenarbeiten wird. Zusammen entwickeln sie den einzigartigen Jazz-Funk Sound mit Soul Elementen, der mit Scott-Herons spoken word Texten untermalt wird.
Als „Godfather“ des Rap, oder unter Weißen auch als schwarzer Bob Dylan angesehen, positionierte sich Scott-Heron immer konsequent zu aktuellen Problematiken. So war er schon in den 70ern ein Gegner der Nuklearenergie und ihrer Lobby: „It ticks each night as the city sleeps/ seconds from annihilation“, heisst es in „We Almost Lost Detroit“.
Wer hätte 1994 gedacht, dass es sechzehn Jahre dauern sollte, bis diese Ikone der amerikanischen Protest- und Gegenkultur, vom Leben gezehrt (Drogen, Gefängnis, HIV-Infektion), wieder an die Bildoberfläche steigt. „I‘m New Here“ sollte sein finales Statement bleiben. Wo es noch in den 70ern „Home is where the hatred is/ Home is filled with pain and it/ Might not be such a bad idea if I never/ Never went home again“ war, heisst es nun nicht ohne Sinn für Resignation, dafür aber mit Ehrfurcht und Dank an seine Mutter und Großmutter: „I came from what they ‚called‘ a broken home /
But if they ever really called at our house/ They would have known how wrong they were … My life has been guided by women/ But because of them I am a man.“
Nun ist Hosni Mubarak am 11. Februar gestürzt worden und die Kameras haben sich vom Tahrir-Platz abgewendet. Die Revolution ist aber noch lange nicht zu Ende. So behält er doch irgendwie recht, denn: „The revolution will be live“.
Tom Dockal moderiert jeden Freitag von 14 bis 16 Uhr die Sendung „Lost in Music“ auf Radio Ara. An dieser Stelle berichtet er regelmäßig über kuriose und hörenswerte Musik aus seiner Sendung.
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