WOHNEN: Haus der Zukunft?

Ein Haus aus Stroh, das klingt nicht nach Dauer. Mittlerweile jedoch ist diese Bautechnik, die nicht nur nachhaltig, sondern auch energieeffizient ist, auf dem Vormarsch – zumindest in trockenen Regionen.

Ein Pavillon für die Ewigkeit? Zumindest einer aus nachwachsenden Rohstoffen.

Drei Schweinchen bauen sich drei Häuser, eins aus Stroh, eins aus Holz und eins aus Ziegeln. Da kommt der böse Wolf und sagt: „Ich werde strampeln und trampeln, ich werde husten und prusten und dir dein Haus zusammenpusten.“ Der Wolf bläst das Stroh- und das Holzhäuschen um. Die zwei Schweinchen können sich im letzten Moment ins Ziegelhaus retten.

Wer kennt sie nicht, diese Geschichte der Gebrüder Grimm, bei der die ökologisch orientierten Schweinchen, die mit den nachwachsenden Rohstoffen ihr Haus gebaut haben, den Kürzeren ziehen? Ob das in der realen Menschenwelt auch so ist? Zumindest in Junglinster wagt man nun das Experiment: Dort soll das erste Strohhaus in Luxemburg entstehen.

Junglinster, als Klimabündnisgemeinde der asbl Equiclic, für die Umsetzung klimapolitischer Ziele zuständig, suchte ein neues Konzept für nachhaltiges Bauen. „Am Anfang sollte ein Bushäuschen gebaut werden. Energetisch interessanter erwies sich dann doch die Idee eines neuen Forsthauses“, erinnert sich Jean-Claude Pitzen, Gemeindeförster und erster Nutznießer der neuen Stätte. „Da die Landwirte in Junglinster nach wie vor Strohballen pressen und das fünf Kilometer entfernte Eschweiler über Lehm verfügt, konkretisierte sich das Projekt Richtung Strohbau; eine Technik, die schon vor hundert Jahren in den USA angewandt wurde“, erläutert Pitzen.

In der Tat hat der Strohbau eine lange Geschichte. Seit vielen Jahrhunderten werden in Asien und Europa Wände aus gebundenen Strohbündeln aufgebaut und sodann mit Lehm und Erde verputzt. Um 1800 begann mit der Entwicklung der Strohballen-Pressen in den USA eine neue Ära des Bauens mit Stroh. In Nebraska mit seinen riesigen Getreidefeldern bedurfte es nur geringer Phantasie, um sich Strohballen als überdimensionale Ziegel vorzustellen: Der Strohbau galt als gangbarer Weg, schnell ein Dach über dem Kopf zu bekommen. So entstanden die ersten Strohhäuser, zuerst als temporäre Bleiben, aber sehr bald, nämlich als sich zeigte, dass sie den extremen Winter- und Sommerverhältnissen standhielten, auch als dauerhafte Behausungen. Während bei diesen Strohhäusern die Wände das Dach direkt trugen (loadbearing straw-bale-house, Nebraska-Stil), entstand um 1936 der Typ eines zweistöckigen Strohhauses mit Holzständerwandsystem und Strohballen als Wand- und Dämm-Material. Dieses System setzte sich in den folgenden Jahren zunehmend durch. In den Zeiten der wirtschaftlichen Blüte geriet die Strohbauweise zwar ein wenig in Vergessenheit, kam aber im Zuge der Energiekrise der 70er Jahre zu neuen Ehren. 1991 wurde das erste versicherte und bankfinanzierte Strohballen-Haus in Holzständerbauweise in Neu Mexiko gebaut. In den 1990er Jahren erfolgte die Gründung des „European Strawbale Network“ (ESBN), dem nationale Netzwerke angehören und dessen Ziel es ist, Erfahrungen und Forschungsergebnisse im Zusammenhang mit dem Strohhausbau zu sammeln und auszutauschen. In diese Entwicklung reiht sich auch die Gründung der Vereinigung „Les Compaillons“ 2005 ein, einer französischen Anlaufstelle für alle Interessenten des Strohbaus. Ihr Inaugurator Philippe Liboureau ist denn auch der Fachmann, den sich die Gemeinde Junglinster für die Umsetzung ihres Projekts zu Hilfe holte.

Am Bau von mittlerweile rund 35 Strohhäusern in Frankreich war Liboureau bisher beteiligt. Als Ein-Mann-Unternehmen unterstützt er die Baumaßnahmen, indem er lokale Handwerker oder Freiwillige für partizipative Mithilfe organisiert. Auch in Junglinster hat man sich für einen „Chantier participatif“ entschieden. Denn die Strohballen sind zwar massiv, jedoch nicht so schwer wie Stein oder Ziegel, und sie lassen sich einfach und schnell verarbeiten. Der Strohbau setzt keine spezialisierten Arbeitskräfte oder komplizierten Handwerksgeräte voraus – die Bauweise kann in einem 2-Tage-Workshop erlernt werden. Deshalb eignet sich das Konzept ausgezeichnet für die Teamarbeit. Menschen, die normalerweise mit einem Bauvorgang nichts zu tun haben, werden hier direkt involviert. Viele Interessenten arbeiten ehrenamtlich mit und wollen mit dem Haus entweder ein persönliches oder ein berufliches Projekt verwirklichen.

Strohbau als partizipatives Projekt

„Es haben sich einige Interessenten aus anderen Gemeinden und sogar aus dem Ösling eingetragen“, freut sich Förster Pitzen. Im Vorfeld wurden die einzelnen Gemeindehaushalte über das Projekt und die Teilnahmemöglichkeiten informiert. Das Ziel: Binnen zwei Wochen soll das Strohhaus, das am Ausgang der kleinen Ortschaft Godbrange an einer Waldlichtung liegt, errichtet sein. Rund 50.000 Euro hat die Gemeinde Junglinster für den rund 40 m2 großen Försterpavillon investiert, der aus einem Betonfundament, den mit Strohballen auszufüllendem Holzständerwänden und einem begrünten Flachdach besteht. „Und wir liegen gut im Zeitrahmen“, stellt Pitzen fest.

Nicht nur Privatpersonen interessieren sich für diese ungewöhnliche Technik. Auch Mathieu Tassin, Verantwortlicher der Abteilung „Aménagement – environnement“ beim „Réseau Objectif Plein Emploi“, einem Netzwerk, das sich für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Umsetzung von nachhaltigen lokalen Projekten einsetzt, sieht Zukunftspotential. „Uns interessiert der Strohbau nicht nur wegen seiner ökologischen Komponente, sondern auch als Nischenbereich im Bausektor, um neue Arbeitsplätze zu schaffen“, so Tassin.

Tagtäglich ab 8.30 Uhr werden bis zu einem Dutzend InteressentInnen vom Strohbaumeister Liboureau für die einzelnen Arbeiten eingeteilt. Während die einen die Strohballen passgenau übereinander stapeln, komprimieren andere die ersten Strohschichten: Ein Brett wird wagerecht eingefügt, mit Hilfe eines Wagenhebers nach unten gedrückt und festgeschraubt. Auf diese Weise wird eine höhere Stabilität erzielt. Andere Helfer entfernen das überstehende Stroh der Außenwand mit einem Heckenschneider, sodass eine plane Fläche entsteht. Ist das Ständerwerk mit den Strohballen ausgefüllt, müssen drei verschiedene Putzschichten aufgetragen werden. Bei der ersten wird Stroh klein gehäckselt. Die Strohschnipsel werden mit Sand, Lehm und Wasser vermischt und auf die Strohballenwände aufgetragen. Die letzte Putzschicht besteht aus einem feinen Kalkgemisch, das nur außen gegen die Feuchtigkeit aufgetragen wird.

Gute Dämmeigenschaft des Strohs

„Teuer war am Strohhaus allein das Ständerwerk“ meint der Förster. Ansonsten sind die Kosten im Vergleich mit dem konventionellen Hausbau geringer, wie auch der französische Spezialist bestätigt: „Der finanzielle Vorteil eines Strohhauses entsteht insbesondere über die Betriebsjahre. Denn ein Strohhaus benötigt aufgrund der hervorragenden Isolation im Prinzip keine Heizung“, so Liboureau. Aufgrund ihrer Massivität, aber auch dank der hervorragenden Dämmeigenschaften des Materials erreichen die Außenwände bei einer Stärke von 40 bis 50 cm einen Wärmedurchgangskoeffizienten von 0,09 – 0,14. Das ist weit mehr als der Niedrigenergiehausstandard. Auch ist das Forsthaus mit seinem großen Fenster gegen Süden ausgerichtet, so dass es die Sonneneinstahlung auffangen kann. Zur Sicherheit ist dennoch ein Holzofen vorgesehen, um ein Abkühlen des Hauses in der dunklen Jahreszeit zu vermeiden. Vor allem was die Baustoffe anbelangt, sind Strohhäuser unschlagbar. „Das Material ist ökologisch, denn es kommt aus der nahen Umgebung; Transportkosten und der CO2-Ausstoß werden so reduziert“, meint Liboureau. „Zudem ist Stroh ein Abfall-Produkt eines nachwachsenden Rohstoffes, der biodegradabel ist.“ Und das Material braucht nicht industriell bearbeitet zu werden. Hier übertrifft die Strohballenbauweise bei weitem die meisten industriellen Baustoffe, die oft ein spezialisiertes, teures und umweltverschmutzendes Herstellungsverfahren erfordern und oftmals obendrein noch toxisch sind. Diese Eigenschaften wurden mittlerweile auch in gewissem Grade vom französischen Staat anerkannt; zumindest werden Strohhäuser mittlerweile auch finanziell durch den Staat und Verbänden bezuschusst.

Doch hat das Strohhaus auch Feinde. Zu diesen gehört vor allem die Feuchtigkeit. Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass die relative Feuchtigkeit der Strohballen unter 15 Prozent bleibt. Mehr darf es auf keinen Fall sein, denn sonst droht Schimmel. Auch bei der Konzeption eines Baus muss der Faktor Feuchtigkeit bedacht werden: Schädlich ist es, wenn Wasser vom Boden aufsteigen kann. Daher wurde das Fundament des Forstbüros in Godbrange ein Stück höher gebaut. Um zu verhindern, dass Wasser von oben eindringt, haben die Strohhäuser oft ein breit überstehendes Dach. Speziell abgedichtet müssen auch die Rahmen von Fenster und Türen sein. Und es muss garantiert werden, dass der Wasserdampf im Innern des Hauses ungehindert nach außen dringen kann. „Deshalb benutzt man bei Strohbau auch niemals Zement als Putz, da dieser im Gegensatz zu Kalk die Luft nicht zirkulieren lässt“, so der Fachmann. Solange die Strohballen nicht ständiger Feuchte ausgesetzt sind, schimmeln sie nicht. Dennoch ließ man auch in Junglinster die Vorsicht walten, so hat das kleine Forstpavillon keine Sanitäranlagen und es wurde auch auf eine kleine Küchenecke verzichtet.

Nichts für Mäuse

Zumindest das Feuer, stelle weniger ein Problem dar. „So wie es nicht gelingt, ein Lexikon zu verbrennen, so kann man auch nicht ohne weiteres einen Strohballen anzünden“, erklärt Liboureau. Bei richtiger baukonstruktiver Ausführung sind auch die Ängste vor Mäusen oder anderem Ungeziefer unbegründet: Für den Nestbau von Nagetieren sind die Strohballen zu stark verdichtet. Außerdem sind die Wände beidseitig durch eine 5 cm dicke Lehmputzschicht geschützt. Gerade die gewonnenen Erfahrungen und die Weiterentwicklung der Technik in der Strohbauweise würden solche Desaster, wie sie die drei Schweinchen im Märchen erleben, verhindern, meint der Fachmann – der selbst allerdings in einem Steinhaus wohnt!

Ob sich diese Bauweise tatsächlich für jedes Klima eignet und ob die Strohhäuser nicht besser – wie in Junglinster – eher als Zweck- denn als Wohnhäuser fungieren, werden die gewonnenen Einsichten zeigen. Strohhäuser sind sicher nicht für die Ewigkeit gebaut, aber die ältesten bekannten Häuser stehen immerhin seit 1903 schadensfrei. In Montargy in Frankreich ist die „Maison Feuillette“, ein 1914-18 errichtetes Strohhaus, noch immer in gutem Zustand.

Was die Sicherheit anbelangt, ist übrigens ein Steinhaus – anders, als es die Schweinchengeschichte nahelegt – nicht unter allen Umständen die beste Lösung: In den USA werden die Strohballenhäuser besonders wegen ihrer Beständigkeit bei Erdbeben geschätzt.


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