SELTENE-ERDEN-VERSORGUNG SICHERN: Claims und Chemie

Weil die Seltenen Erden für Hightech so wichtig sind, werden Erkundungsprojekte unternommen und Recycling-Verfahren entwickelt. Europa soll künftig nicht mehr so stark von Importen abhängen.

Ran ans Praseodym! Zerlegter Nickel-Metallhydrid-Akku, enthält Seltene Erden.

Dysprosium, Lanthan, Neodym, Samarium, Yttrium – Metalle wie diese werden als Seltene Erden bezeichnet. Sie stecken in Computern, LCD-Bildschirmen und Digitalkameras, aber auch in „grünen“ Technologien wie Windkraftanlagen, Elektroautos oder Energiesparlampen. Im Jahr 2010 senkte China seine Seltene-Erden-Ausfuhren, woraufhin die Preise auf den Rohstoffmärkten explodierten. Kein Wunder, werden doch 97 Prozent der begehrten Metalle im Reich der Mitte gefördert.

Dieses Monopol ist ein Problem ? dass es allerdings ein hausgemachtes ist, unterstreicht nachdrücklich Jens Gutzmer vom Helmholtz-Institut für Ressourcentechnologie im sächsischen Freiberg: „Wir haben es zugelassen, von einem Land abhängig zu sein. Die Verantwortung wurde einfach an China abgegeben, und bei den Umweltschäden hat man weggeschaut. Hauptsache, die Metalle waren billig zu haben.“

Obwohl sie so heißen, sind Seltene Erden nicht selten. Die globalen Reserven werden auf 99 Millionen Tonnen geschätzt. Mehr als genug, selbst wenn die Fördermengen – derzeit rund 140.000 Tonnen jährlich – deutlich zunehmen. Auch die Verteilung der Metalle ist ausgewogener als vielfach angenommen. China sitzt nur auf 38 Prozent der Vorkommen, der Rest befindet sich in einer ganzen Reihe weiterer Länder, zum Beispiel den USA, Australien, Indien, Vietnam oder Malawi. Dort sind aber die Lagerstätten in der Vergangenheit gar nicht angerührt worden.

Unverzichtbar, aber nicht selten

Auch Europa besitzt genug Seltene Erden, betont Gutzmer. So viele, dass wir durchaus zum Selbstversorger werden könnten. Langsam tut sich auch etwas: Erkundungsprojekte werden gestartet, zum Beispiel in Grönland oder bei Murmansk in Russland, das nach China die zweitgrößten Vorkommen besitzt. Es ist auch höchste Zeit: „Europa muss sich um seine Rohstoffe selber kümmern. Das ist von strategischer Bedeutung für seine Volkswirtschaft. Denn auf Seltene Erden können wir so schnell nicht verzichten.“

Die Wissenschaftler am Helmholtz-Institut prüfen verschiedene Lagerstätten. Lohnt sich der Abbau oder nicht? Dabei ist entscheidend, wie leicht oder schwer sich die begehrten Metalle gewinnen lassen. Seltene Erden finden sich zumeist als Bestandteil der Minerale Monazit und Bastnäsit, welche wiederum in geringen Mengen in magmatischen Gesteinen eingeschlossen sind. Diese Gesteine müssen erst abgebaut, dann gebrochen und gemahlen werden. Danach folgt die Isolierung des Monazits bzw. Bastnäsits, in deren Kristallgitter sich die Seltenen Erden verstecken. Um an sie heranzukommen, müssen die Minerale zum Beispiel einem Lösungsmittel ausgesetzt werden. Durch Prozeduren wie diese erhält man am Schluss Seltene Erden in Reinform.

Die größte aller Monazit- und Bastnäsit-Lagerstätten ist Bayan Obo in der Inneren Mongolei. Zusammen mit den vielleicht wichtigsten Vorkommen außerhalb Chinas, Mountain Pass in Kalifornien und Mount Weld in Australien, gehört sie zu den „einfacheren“ Lagerstätten. Schwieriger wird es bei der Mineralklasse der Silikate und Oxide. Für diese Mineralgruppen gibt es momentan keine Gewinnungsmethode im industriellen Maßstab.

Auf die Förderung allein sollte sich Europa aber nicht verlassen, erklärt Gutzmer. Die Rohstoffwirtschaft wird auf einem zweiten Standbein stehen müssen, dem Recycling. Der Mineraloge forscht auch auf diesem Gebiet nach Vorkommen Seltener Erden. Zum Beispiel enthalten die Legierungen von manchen der zahlreichen Stahlsorten, die es gibt, einen hohen Anteil an Seltenen Erden. Dennoch werden sämtliche Legierungstypen zusammen im Hochofen geschmolzen – Downcycling statt Recycling. Gutzmer: „Wir müssten stattdessen sortenreine Legierungen schmelzen. Dann ließen sich die Seltenen Erden herauslösen. Was sich allerdings einfacher anhört als es ist. Dafür müssten ganz neue Stofffluss-Systeme her.“

Schatzsuche auf Müllhalden

Es gibt noch mehr solcher schlummernden Depots in Europa. Zum Beispiel Abraumhalden, die Überbleibsel des früheren Bergbaus. Allerdings ist vielfach unbekannt, welche Mengen an Seltenen Erden sich dort verbergen. Eine Ausnahme sind Kupferschieferhalden, deren Zusammensetzung zu DDR-Zeiten recht genau erfasst wurde.

Auch in der Aluminiumverhüttung wäre viel zu holen. Eine Tonne Bauxit, also der Rohstoff, aus dem Aluminium produziert wird, enthält zwischen 50 und 100 Gramm Gallium – ein seltenes Metall, das in Solarzellen oder Leuchtdioden eingebaut ist und streng genommen nicht zur Gruppe der Seltenen Erden zählt. Bei der Verhüttung des Bauxits wird Gallium genau so freigesetzt wie Aluminium, welches im Bauxit einen weitaus größeren Anteil von 500 Kilogramm pro Tonne besitzt. „Die meisten Hütten kümmern sich allerdings gar nicht um das Gallium“, erklärt Gutzmer. 30 bis 50 Prozent gehe an den Rotschlamm verloren, einen Abfallstoff der Aluminiumverhüttung. Der Rest lande – sozusagen als Unreinheit – im Aluminium. Und die Hütten, in denen Gallium produziert wird, müssten ihre Effizienz steigern. Nur fünf Prozent des im Bauxit enthaltenen Galliums würden letztlich als Gallium-Metall gewonnen. Hier fehle es noch an Technologie.

Europa verschifft massenhaft als Second-Hand-Ware deklarierten Elektroschrott nach Afrika – und damit Tonnen von Seltenen Erden. Klüger wäre es, die Rohstoffschätze hierzubehalten und zu recyceln. Zum Beispiel die Seltenen Erden in Nickel-Metallhydrid-Akkumulatoren, kurz NiMeH-Akkus. Diese wiederaufladbaren Batterien kommen vielerorts zum Einsatz: in Spielzeugen, Fernsteuerungen, Elektrowerkzeugen, Foto- und Videogeräten, elektrischen Zahnbürsten und Hybridautos. NiMeH-Akkus enthalten Eisen, Nickel und Cobalt, aber auch Seltene Erden wie Cer, Lanthan und Praseodym, welche für die Wasserstoffspeicherlegierung in den Batterien erforderlich sind. Immerhin sechs bis 10 Prozent beträgt ihr Gesamtmassenanteil.

An der österreichischen Montanuniversität in Leoben wird ein Recycling-Verfahren für Batterien entwickelt, das vor allem auf die Rückgewinnung der Seltenen Erden abzielt, die wegen der niedrigen Rohstoffpreise lange Zeit wirtschaftlich uninteressant war. Bei diesem Verfahren müssen die Batterien nicht erst im Hochofen bei 1.400 Grad Celsius eingeschmolzen werden. Stefan Luidold von der Montanuniversität verarbeitet die NiMeH-Akkus auf direkten Wege. Sie werden zerkleinert und in eine Salzsäurelösung getaucht, so dass sich alle metallischen Anteile lösen. Danach kommen Reagenzien hinzu, also Substanzen, welche eine chemische Reaktion bewirken. Die Seltenen Erden lassen sich auf diesem Wege aus dem Gemisch herauslösen – und zurück bleibt ein Konzentrat aus Cer, Lanthan und Praseodym. Luidold versucht nun noch, die Seltenen Erden voneinander zu trennen. Mit den reinen Verbindungen La2O3, Ce2O3, Pr2O3 und Nd2O3 können dann wieder Wasserstoffspeicherlegierungen für Batterien hergestellt werden. Luidold: „Damit ist der Stoffkreislauf von NiMeH-Akkus weitgehend geschlossen. Die Abhängigkeit von den Seltenen-Erde-Importen aus China verringert sich wesentlich.“

Allerdings gilt das nur für Lanthan, Cer und Praseodym, die in den NiMeH-Akkus verwendet werden, schränkt der Metallurge ein. Die Situation bei anderen Seltenen Erden  – Dysprosium, Terbium, Europium oder Yttrium – bleibt nach einem Bericht des U.S. Department of Energy kritisch. Auch Neodym könnte sich in absehbarer Zeit rar machen. Das Metall wird als Permanentmagnet in den Generatoren von Windrädern eingesetzt. Für ein Recycling ist es aber zu früh. Die vielen großen Windräder, die in den letzten Jahren aufgestellt wurden, drehen sich noch nicht lange genug, um schon wieder demontiert zu werden.

Europäische Magnet-Union

Sind Seltene Erden überhaupt ersetzbar? Bei den Akkus wäre das möglich, indem anstelle der NiMeH-Akkus die teureren Lithium-Ionen-Batterien zum Einsatz kommen. Andere Rohstoffe ließen sich aber – wenn überhaupt – nur ersetzen, wenn wesentliche Nachteile in Kauf genommen würden, erläutert Luidold. Müsste zum Beispiel der Permanentmagnet in den Generatoren von Windrädern ohne Neodym auskommen, so hätte er ein wesentlich schwächeres Magnetfeld. Der Generator benötigte dann größere Magneten und nähme an Gewicht zu, so dass der Turm des Windrades viel stabiler gebaut werden müsste.

Europa wird in dieser vitalen Angelegenheit mit vereinten Kräften handeln müssen. Doris Schüler vom Öko-Institut in Freiburg fordert daher eine EU-Strategie. Alle Glieder entlang der Wertschöpfungskette – Recycling-Unternehmen, Hersteller von Magneten oder Energiesparlampen, Politiker und Wissenschaftler – sollten sich zu einem Seltene-Erden-Netzwerk zusammenschließen. Zurzeit verfügten nur wenige Firmen in Europa über das Know-How für die Raffination und die Verarbeitung von Seltenen Erden. Da müsse etwas getan werden. Darüber hinaus sei das europäische Rechtssystem auf Lücken abzuklopfen. Zum Beispiel könnte das Recycling von Permanentmagneten in Windkraftanlagen verpflichtend werden. Baustellen gibt es also viele. Aber Schüler ist zuversichtlich, dass in fünf bis zehn Jahren ein europäisches Recyclingsystem für Seltene Erden aufgebaut werden kann. Wenn wir jetzt damit beginnen.

In einem bestimmten High-Tech-Bereich könnte sich die Lage von selbst entspannen. Silizium als wichtigstes Halbleitermaterial wird vermutlich von einem Werkstoff namens Molybdänit abgelöst werden, der nicht zu den Seltenen Erden zählt. Die Reserven – geschätzte 19 Millionen Tonnen – sind ausreichend und verteilen sich hübsch regelmäßig über den Globus. Wenn Europa in diesem Bereich vorsorgt, sollte es bei dieser Basiskomponente des Computerbaus nicht zu Engpässen kommen.


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