ALTERNATIVE: Garantiert ohne Zucker

„Melvins Lite“, die abgespeckte Version der Melvins, die Sänger und Gitarrist Buzz Osborne gerne mit „Captain Beefheart spielt Metal“ beschreibt, ist auf Tour – mit Kontrabass und nur einem Schlagzeug.

Scheren sich schon seit 30 Jahren nicht um ihr Image: die Melvins.

Seit ihrer Gründung anno 1983 im Bundeststaat Washington haben die Melvins viele Veränderungen durchlebt. Bassisten kamen und gingen, ebenso der Hype, der das Major Label Atlantic Records im Grunge-Fieber dazu verleitete, die Band für drei Alben unter Vertrag zu nehmen. So kam es, dass „Houdini“, das Kurt Cobain, der Nirvana-Sänger und enger Freund der Band, teilweise mitproduzierte, 1993 zum bekanntesten und bestverkauften Melvins-Album wurde.

Für Sänger Buzz Osborne war der Ausflug ins Major-Gefilde kein Gesichtsverlust, im Gegenteil: Atlantic Records war eine Chance, die die Band beim Schopf fasste und die ihre Kreativität in keinster Weise einschränkte. Tatsächlich sichern alle Plattenverträge, die die Melvins abschließen, der Band komplette kreative Freiheit zu. Die einzige Möglichkeit der Plattenfirmen, Druck auszuüben, wäre das entsprechende Album nicht zu veröffentlichen. Das Ende des Vertrages mit Atlantic Records traf dann auch praktischerweise mit der Entscheidung der Melvins zusammen, in experimentellere Gefilde vorzudringen, und die Band tauchte aus dem Rampenlicht ab und wieder in die Alternativszene ein.

Mittlerweile bestehen die Melvins aus vier Mitgliedern: Sänger und Gitarrist Buzz Osborne, Schlagzeuger Dale Crover sowie ein Bassist (Jared Warren) und ein weiterer Schlagzeuger (Coady Willis), die von den Kollegen Big Business für Langzeitgebrauch ausgeliehen wurden. Die Schlagzeuger ergänzen sich auf der Bühne nicht nur in musikalischem sondern auch optischem Sinne, da einer Rechtshänder, der andere Linkshänder ist. Dieses Line-Up kommt im Sommer ebenfalls für eine „Residency“-Tour nach Europa, bei der in jeweils zwei aufeinanderfolgenden Tagen fünf der beliebtesten Melvins-Alben durchgespielt werden.

Aber auch Melvins Lite, die abgespeckte Version der Band, arbeitet hart. Fast scheint es, als handle es sich um zwei komplett verschiedene Bands, so viel Energie wird in jedes der beiden Projekte gesteckt. Melvins Lite setzt sich aus Osborne, Crover und Trevor Dunn am Kontrabass zusammen. Dieser hat schon in anderen außergewöhnlichen Formationen, wie etwa Fantômas, sein Talent und seine Liebe zum Experiment unter Beweis gestellt. Letztes Jahr entstand in dieser Dreierkonstellation das Album „Freak Puke“, das mit einer rekordverdächtigen US-Tour gefeiert wurde: 51 Staaten wurden innerhalb von 51 aufeinanderfolgenden Tagen bespielt. Trotz voranschreitendem Alter anscheinend kein Problem für Osborne und Crover, während Dunn den Kontrabass energiesparend im Liegen spielt. Easy.

Easy ist auch, dass Anfang Mai schon das nächste Melvins-Album in die Läden kommt, das wieder zu einem großen Teil von Melvins Lite eingespielt wurde. „Everybody Loves Sausages“ ist ein Cover-Album, das Queen, die Kinks und Roxy Music genauso auf ein Podest stellt wie Hardcore-Punkband Tales of Terror oder die Avant-Garde-Gruppe Throbbing Gristle. Das zeugt einerseits von typischem Melvins-Humor, andererseits ist es eine ernst gemeinte Hommage, die einen Einblick in die eklektische Palette ihrer musikalischen Einflüsse bietet.

Es kann aber auch als ein lautes „Na und?“ Buzz Osbornes an diejenigen gewertet werden, die sich in seine Entscheidungen einmischen. Die denken, durch ein Major Label würde die Band verweichlicht, oder eine Talkshow bei einem kapitalistischen Fernsehsender – MTV – würde ihren Ruf ruinieren. Aber ein echter Melvin ist Anti-Establishment, weil er sich nicht darum schert.

Am 27. April in der Kulturfabrik, Esch-sur-Alzette


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