LIFESTYLE: „Starke Party. Starker Körper“

Bei der ewigen Bemühung um Gewichtsabnahme sind strapaziöse, die Ausdauer stark beanspruchende Sportaktivitäten und Methoden, die auf Verzicht und Restriktionen aufbauen, aus der Mode gekommen. Stattdessen treffen wir auf Zumba-Instruktoren, die von „Tanzen“ und „Parties“ erzählen, und Weight-Watchers-Anhänger, die einem versichern, dass sie keinen Diät- Masochismus betreiben.

Abnehmen als Lebensmotto! Weight Watchers wirbt mit schwachsinnigen Slogans.

Synthetisierter spanischer Gesang, unterlegt mit monotonen Rhythmen, dröhnt aus den Boxen. Dazu schwenken etwa zwanzig Leute energisch ihre Arme, drehen sich im Kreis, schwingen auch mit den Hüften und stampfen zuweilen hin und her. Alle Bewegungen sind mehr oder weniger aufeinander abgestimmt. Frauen, Männer, Jugendliche, dunkel- und hellhaarige, wohlgenährte, magere und sportliche – alle in schwarzer Jogginghose, haben sich zum Zumba-Tanzen zusammengefunden. Eine neue Trendsportart, von der man sich mittels zahlreicher Online-Videos, zum Beispiel „Zumba Fitness Tanz Mix“, einen Eindruck verschaffen kann.    

Neben den Step-Kursen, den Fitness Studios, den Bauch-Beine-Po-Trainings findet er seit kurzem auch zwischen Martelange und Echternacherbrück und zwischen Weiswampach und Rumelange begeisterte Anhänger. „Zumba ist eine Art Fitness, bei der man sich keine komplizierten Bewegungen merken muss. Nach einem langen Arbeitstag möchten die Teilnehmer meiner Kurse sich entspannen und Spaß haben. Das klassische Aoerobic und Work-Out-Programm ist viel langweiliger“, beschreibt Zumba-Instruktorin Marcela von der Association de Danse et de Sport Luxembourgeoise den Trend für Luxemburg.

Dieser trendige Tanzsport wurde bereits vor zwanzig Jahren von dem Kolumbianer Beto Perez entwickelt. Allerdings konnte Perez ? der schon mit acht Jahren, unter dem Eindruck des Films „Grease“, entschied, dass er Tänzer werden wollte ? seinen Sportstil erst in den letzten zehn Jahren popularisieren. Nachdem er sich ein paar Englischkenntnisse angeeignet hatte, brachte er seine Vorstellung von Tanzsport nordamerikanischen Fitnessfans nahe. Rasch entwickelte sich um Zumba ein Konzern mit eigener Merchandising-Reihe, die von Schuhen, Hosen, Hanteln, dem Zumba-Magazin bis zu Games für die X-Box alles enthält, was das Sportlerherz begehrt.

Zumba, die Welt tanzt

Neuerdings werden nicht nur Zumba-Kurse für den after-work-Terminkalender angeboten, sondern auch, und weltweit, Zumba-Dance-Parties an Wochenenden, die „unvergessliche Erlebnisse“ verheißen. „Starke Party. „Starker Körper.“ So lautet auch das Motto der Zumba-Homepage.

Als Ikone für diese sich global ausbreitende Lust-und-Laune-Sportlichkeit könnte die stets muntere Präsidentengattin Michelle Obama fungieren. Mit ihrer „Let’s move. Active schools“-Kampagne setzt sie sich dafür ein, dass an Schulen mehr physische Aktivitäten angeboten werden, und rühmt allgemein die Vorzüge sportlicher Aktivitäten. Das in Michelle Obama verkörperte Ideal, stark, fit und unternehmungsfreudig auszusehen, hat den Imperativ, so schlank wie möglich zu sein, in den letzten Jahren zurückgedrängt. Der bloße Schlankheitswahn verzeichnete seinen Höhepunkt in den 1980er und 1990er Jahren mit dem Aufkommen der Supermodels. Spindeldürre, hochgewachsene Models, wie Claudia Schiffer und Naomi Campbell, verbreiten in den 1980ern neue Körperideale, die die zuvor angestrebte Sanduhrentaille à la Marylin Monroe endgültig ablösten. Als wäre Untergewicht als Körperideal nicht schon abwegig genug, trumpften in den 1990ern einige Vertreterinnen der Zunft wie Kate Moss mit dem Label „Heroin-Schick“ auf. Mit ihrer exzessiven Magerkeit, ihren knochigen, eingefallenen Gesichtern und ihrem „Ich-bin-zugedröhnt“-Gesichtsausdruck sehen sie alles andere als fit aus. Natürlich ist der drahtige Damentypus weiterhin einer der Lieblinge der realitätsfernen Modemagazine, doch wird diesen zunehmend von käufernäheren, mit praktischen Alltagstipps angefüllten Magazinen, wie der 2011 gegründeten „Woman’s Health“, die Show gestohlen. 

Der Aufstieg des Magazins „Women’s Health“ ist hierfür symptomatisch. Kaum verwunderlich, dass Michelle Obamas Work-out-Programm und Stressbewältigungsmaßnahmen schon mehrmals in dem Magazin beworben wurden. Die in diesem Monat in Luxemburg zum Kauf angebotene Ausgabe verspricht ebenfalls auf dem Cover: „In nur 15 Minuten fit und sexy: Schöne Muskeln, mehr Energie, toller Bauch“. Neben dem Aufmacher streift eine junge, lächelnde Blondine ihr weißes Shirt hoch und zeigt ihren trainierten, flachen Bauch und ihr rot-weiß-gestreiftes Bikini-Höschen. Beim Durchblättern des Magazins wird die Leserin unablässig mit dem Diktat des gesunden, fitten und sexy Lebensstil konfrontiert.

Lust-und-Laune-Sportlichkeit im Zeitalter des Gesundheitswahns

Der Appell wird am Ende auf eine Warnung vor den lebensbedrohlichen Gefahren der Inaktivität zugespitzt: „Mit jeder Stunde, in der Sie sich auf Stuhl oder Sofa niederlassen, setzen sie ihre Gesundheit auf’s Spiel.“ Und ein paar Zeilen weiter findet die aufmerksame LeserIn einen Hinweis, der sie bei der Berechnung seines Todeszeitpunkts nützlich sein könnte: „Nach dem 25. Lebensjahr kostet einen jede Stunde vor dem Flimmerkasten 22 Lebensminuten.“ Die Botschaft ist klar: stay healthy und sei produktiv. Zudem hat der Frühling gerade begonnen, und also möchte wieder jedes Magazin mit der tollsten Diät auftrumpfen. „Woman’s Health“ wirbt in der April-Ausgabe, ganz im Einklang mit dem Zeitgeist, nicht für fade, langweilige Rohkost, sondern für selbstgemachte würzige und schmackhafte Pizzas, die aber schlank machen und deshalb zum „Zugreifen statt Zunehmen“ einladen.

Weight Watcher: Wider dem Diät-Masochismus?

Besucht man am Montagabend in Arlon ein Weight-Watchers-Treffen, so beteuern die Teilnehmer auch dort, dass sie keinen Diätmarathon betreiben. „Weight Watchers ist nicht wirklich eine Diät, denn es gibt keine absoluten Restriktionen; von Gemüse und Obst darf man so viel essen, wie man Lust hat“ versichert eine Belgierin um die Vierzig auf meine Frage, warum sie an dem Treffen teilnimmt. Eine aufgeweckte Luxemburgerin, die sich an diesem Abend besonders freut, da ihr 5-prozentiger Gewichtsverlust mit der Überreichung eines Schlüsselanhängers gefeiert wurde, stimmt zu: „Und außerdem führt diese Diät nicht zu einer sozialen Isolierung. Am Mittagstisch mit den Arbeitskollegen muss ich nicht wegen irgendwelcher Proteine auf bestimmte Esswaren verzichten. So würde das keinen Spaß machen.“ Beide sind sich zudem darin einig, dass das zu dem wöchentlichen Treffen gehörende Besteigen der Waage der wirksamste Selbstkontroll-Mechanismus ist und somit einen unabdingbaren Ansporn darstellt. Jede Zusammenkunft schließt mit einer „Motivationsrunde“ ab, die von einer von Weight Watchers ausgebildeten Moderatorin geleitet wird. „Habt ihr diese Woche etwas Neues ausprobiert ?“ fragt die junge Moderatorin in die Runde. „Ja, ich habe wieder mit Sport angefangen“, antwortet der einzige anwesende Mann. „Ausgezeichnet“, lobt die Moderatorin. Es folgt eine längere Diskussion über die optimale Kombination einer Weight-Watchers-Diät mit sportlicher Betätigung. Die Erziehung zum Fit-Sein stellt auch für Weight Watches ein zentrales Anliegen dar.  

Die Idee, eine Mischkost-Diät, die durch einen Punkte-Richtwert reguliert wird, mit einer Gruppentherapie zu verbinden, geht auf die New Yorker Hausfrau Jean Nidetch zurück. Sie scheiterte in den 60er Jahren mit dem Bemühen, allein auf sich gestellt abzunehmen, und begann daher, sich bei regelmäßigen Treffen mit ihren Freundinnen über Abnehm-Strategien auszutauschen. Das Konzept war erfolgreich: Nidetch gründete den Konzern Weight Watchers. Wie Perez Zumbas Unternehmen wuchs Weight Watchers vor allem in den letzten 10 Jahren und bildet heute das größte kommerzielle Abnehmnetzwerk weltweit mit einem jährlichen Umsatz von über 1 Milliarde Euro. Auch Weight Watchers bietet neuerdings eigene Produkte ? Esswaren jeglicher Art ? in bekannten luxemburgischen Supermärkten an.

Obwohl die Zumba-Tanzchoreographie und die Weigt-Watchers-Abspeckmethode bereits vor etlichen Jahren ins Leben gerufen wurden, bedurfte es eines bestimmten Zeitgeistes, um sie derart populär werden zu lassen, wie sie jetzt sind. Der Psychologin Valéria Bornobus zufolge verliert der Körper als reine Kraftmaschine für die Dienstleistungsgesellschaften zunehmend an Bedeutung. Im Gegenzug gewinnt er an Interesse für die Konsum-, Freizeit- und Popkultur.

Fit for Fun: Nur im richtigen Körper!

Die Freizeitindustrie verkündet die Botschaft, dass nur der fitte Körper Spaß haben kann. Je fitter er ist, desto mehr davon kann er vertragen und produzieren, und wer keinen Spaß hat, sollte sich daher vor allem fragen, was mit seinem Körper nicht in Ordnung ist. Das Fit-Sein und die sportliche Ausdauer stehen eben für Zufriedenheit, Attraktivität, Kompetenz, Leistungsstärke, Teamgeist, Gesundheit und Entspanntheit. Wer keinen Fun verspürt und versprüht, kann leicht in Verdacht geraten, nichts als ein kostspieliger Angestellter zu sein.

Sicherlich haben Zumba-Kurse und Weight-Watchers-Programme gewünschte Veränderungen im Leben von zahlreichen Menschen herbeigeführt. Doch fördern sie nicht auch, ganz im Sinne der Konzerne, das Eindringen einer pseudo-permissiven Grundhaltung in die Gesellschaft? Heißt Party machen nicht eigentlich, mit Freunden gelegentlich ein Bier zu viel zu trinken und ausgelassen zu tanzen, und nicht: lizenzierte Choreografien einzuüben, um seinen Body nach aufgezwungenen Normvorstellungen zu shapen? Und warum verspüren Menschen, die eigentlich nicht adipös sind, wie die Teilnehmer der Weight-Watchers-Treffen in Arlon, den Drang, eine Diät durchzuführen? Es scheint, dass rekreative soziale Aktivitäten, wie Essen oder Ausgehen zunehmend keinen Selbstzweck mehr darstellen, sondern für ein Ziel instrumentalisiert werden, das nicht zu erreichen ist: den rundum gesunden und fitten Körper.


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