INDIE/POP: Girls in Hawaii – Reise ohne Ende

Das Reisen wurde der belgischen Indie-Pop-Band Girls in Hawaii mit dem Namen in die Wiege gelegt. Dabei geht es aber weniger um Fahrten in reale Länder, als darum, sich auf der menschlichen Ebene fortzubewegen und dort unbekannte Territorien zu erforschen.

Zur allgemeinen Überraschung keine Frauen-Band : Girls in Hawaii.

Schon als Teenager fingen die Freunde Lionel Vancauwenberge und Antoine Wielemans in ihrem Heimatort Braine-L’Alleud südlich von Brüssel an, zusammen Musik zu schreiben und zu spielen. Sie schufen sich eine Welt, die schöner war als die reale, in der sie lebten, die spannender und vor allem grenzenlos war. Zur Verstärkung heuerten sie ihre Brüder und zwei Freunde von der Uni in Brüssel an. Als man sich für ein Konzert spontan einen Bandnamen geben musste, wurde der Titel eines ihrer ersten Songs gewählt, der die ursprüngliche eskapistische Natur des Projekts perfekt zum Ausdruck brachte.

Anschließend entstand das Debütalbum From Here to There, eine Art persönliches Tagebuch, das ohne professionelle Ausrüstung oder finanzielle Mittel im Schlafzimmer mit einem Mehrspurrekorder aufgenommen wurde. Die Songs waren einfach und naiv, zeigten jedoch Talent und Liebe zur Musik, was der Band einen Vertrag mit einem lokalen Indie-Label verschaffte. Musikfans in und um Belgien waren von Girls in Hawaii begeistert, und eine Tour durch Europa und die U.S.A. machte sie über die Grenzen hinaus bekannt.

Das zweite Album, inhaltlich noch sehr nahe am Vorgänger, wurde 2008 unter dem Namen Plan Your Escape veröffentlicht. Diesmal nahm die Band das Schreiben der Songs ernster und versuchte aktiv, sich musikalisch weiterzuentwickeln und selbst zu fordern. Die Musik wurde Dank dessen strukturell vielschichtiger, und es entstanden längere Songs voller Details. Es folgten eine 150-tägige Tour sowie ein fünfmonatiger Aufenthalt in Island, der einzig und allein dem Musikschreiben gewidmet war.

Zwei Jahre später starb der Schlagzeuger der Band, Denis Wielemans, bei einem Autounfall in Brüssel. Der Tod des Bruders und engen Freundes führte dazu, dass sich die verbliebenen Bandmitglieder größtenteils für einige Zeit von der Musik zurückzogen und sich eine persönliche Auszeit gewährten. Lionel versuchte sich als Bühnenschriftsteller und Zeichner, und Antoine arbeitete auf einem Bauernhof auf dem Land.

Anstatt die Band aufzulösen oder zu einer Coverband ihrer selbst zu werden, entschied sich Girls in Hawaii schließlich, einen neuen Anfang zu wagen. Der tragische Verlust sollte durch die Musik verarbeitet werden; zwei neue Mitglieder unterstützten die Band bei diesem Bemühen.

Das neue, 2013 veröffentlichte Album sollte aber kein Gedenkalbum werden, sondern, wie Bassist Daniel Offermann in einem Interview erläuterte, sich mit dem Thema befassen, ohne die Hörer herunterzuziehen, ihnen vielmehr eine andere Perspektive eröffnen. Das Ergebnis war dementsprechend zwar melancholisch, jedoch auch melodisch wie eh und je. Vor allem aber war es musikalisch und produktionstechnisch auf noch höherem Niveau.

Für die Band war das Ganze eine Chance, sich wieder zusammenzufinden und etwas Neues zu schaffen. Nicht stehenbleiben, sondern weiterreisen. Sänger Lionel sagte in einem Interview: „Wir haben gelernt, loszulassen, und sind jetzt bereit, uns der Band langfristig zu verschreiben. Die Art, wie wir mit Musik umgehen, hat sich komplett verändert.“ Der Albumtitel Everest ist ein Symbol für etwas, das unüberwindbar erscheint und herausfordert. Und diese Herausforderung hat Girls in Hawaii angenommen und mit Bravour gemeistert.

An diesem Freitag, dem 30. Mai, in der Rockhal.


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