SONJA LUX: Der Wunsch nach dem anderen Leben

Sonja Lux veröffentlicht in diesem Sommer ihr erstes Buch „Bis zur Freiheit“: ein Roman über die Suche nach Freiheit, Größe und Identität.

Sonja Lux: „Jede Seite die ich schrieb, brachte mich einen Schritt vorwärts in eine neue Richtung, aber auch immer weiter weg von meinem bisherigen Leben.“
(Foto: Christian Mosar)

„Bis zur Freiheit“ erzählt die Geschichte von drei Menschen, Roby, Emma und Toni, die aus unterschiedlichen Gründen aus ihrem Alltag ausbrechen, um ein neues Leben zu leben, „ihr eigenes Leben“. Auf einem kleinen Segelboot überqueren sie zu dritt den Atlantik. Gute Voraussicht und Hoffnung begleiten sie auf ihrer Fahrt. Doch auf dem Meer tauchen Konflikte auf: Auseinandersetzungen mit der Vergangenheit, hervorgerufen durch die Stille des Ozeans, und Zweifel an der „richtigen“ Entscheidung, bestimmen ihre Suche nach der Freiheit.

woxx: Sie haben studiert und waren dann im medizinischen Bereich beruflich tätig. Warum und ab wann haben Sie sich ausschließlich dem Schreiben gewidmet?

Sonja Lux: Seit meiner Kindheit schreibe ich Tagebücher. Im Alter von 16 oder 17 Jahren hatte ich dann erstmals den Wunsch, ein Buch – oder anders gesagt, „mein“ Buch – zu schreiben. Bis dahin wurde ich immer enttäuscht von den Büchern, die ich gelesen hatte, weil ich darin nie das fand, wonach ich eigentlich suchte. Damals dachte ich mir, dass ein solches Buch noch zu erfinden sei!

Später brachte ich dann immer öfters meine Gedanken zu Papier. Gründe dafür hat es mehrere gegeben. Mein Mann ist als Arzt nachts im Bereitschaftsdienst tätig, und ich habe ihn dabei oft im Auto begleitet. Durch das viele Unterwegssein hat sich mein Blickfeld ständig verändert. Diese vielen Veränderungen bestimmten meine Gedanken. Auch das lange Warten im Auto stimulierte mich zum Nachdenken. Hinzu kam eine relative Unzufriedenheit mit meinem Beruf, und dies alles wurde dann zum Nährboden für das Schreiben.

Jede Seite, die ich von dem Moment an schrieb, brachte mich einen Schritt vorwärts in eine neue Richtung, aber auch immer weiter weg von meinem bisherigen Leben.

Emma, eine der drei Figuren in Ihrem Buch, kann eines nicht ertragen: Routine, ein Leben lang das Gleiche leben. War dies auch für Sie einer der Beweggründe, der Sie zu dem Entschluss geführt hat, Ihr „altes“ Leben aufzugeben und mit etwas Neuem zu beginnen? Kann man sagen dass Ihr Buch in dieser Weise autobiografisch ist?

Sicherlich haben die Routine und der Mangel an Abwechslung zu meiner Entscheidung beigetragen. Die Leute, die mich gut kennen, meinen oft, dass ich mein Leben, meine Entscheidung, Schriftstellerin zu werden, in meinem Buch beschrieben habe. Doch es passierte genau umgedreht: ich habe das Buch geschrieben, und habe dann erst gemerkt dass ich auch so handeln müsste wie die Figuren aus meinem Buch! Der Ausgangspunkt meiner Geschichte hat also nichts mit meiner eigenen Biografie zu tun. Das Autobiografische in meinem Buch sind meine Gedanken der Freiheit, der Suche nach Erkenntnis. In jeder Figur steckt ein bisschen von mir und von meinen Gedanken.

Die Freiheit ist eines der zentralen Themen in Ihrem Buch. Emma sagt: „Die Freiheit hat ihre Grenzen, und jede Freiheit bringt notwendigerweise immer eine Unfreiheit in einem anderen Bereich mit sich.“ Könnten Sie das näher erklären?

Jede Freiheit stellt ihre Bedingungen. Eine neue Freiheit leben zu wollen, bedeutet auch eine Unfreiheit in einer anderen Hinsicht zu haben. Freiheit ist immer gepaart mit Unfreiheit, so lautet das Paradox der Freiheit.

Nehmen wir zum Beispiel Roby: in seinem Leben sucht er nach menschlichen Beziehungen die er als positiv empfindet, er sucht nach konstruktiven Beziehungen. Doch er wird allgemein von den Menschen enttäuscht. So zieht er alleine hinaus aufs Meer. Um seine Freiheit zu leben, befreit er sich aus dem „Netz“ der Gesellschaft. Seine Unfreiheit besteht dann darin, dass er auf dem Meer ganz alleine auf sich gestellt ist. Anders gesagt, er hat kein Auffangnetz mehr. Die Symbolik des Netzes erscheint mir hier als sehr wichtig. Ein Netz kann einen gefangen halten. Auf der anderen Seite kann es aber auch ein Auffangnetz sein, bestehend in diesem Fall aus den zwischenmenschlichen Beziehungen. Wenn man ein Leben führt wie das von Roby, der ganz alleine auf sich gestellt ist, besteht die Gefahr, dass die Leute einen fallen lassen und man alleine dasteht.

… weiterhin stehen auch der Delphin und der Wanderfalke für die begrenzte Freiheit …

Ja, man bewundert Vögel und Delphine, weil man glaubt dass diese frei herumfliegen, beziehungsweise frei schwimmen können. Der Falke ist schön, kraftvoll, ein Künstler der Lüfte. Doch vergisst man, dass er weiterfliegen „muss“, um zu überleben. So ist auch das Bild vom lächelnden Delphin trügerisch. Er gehört zu einer Gruppe und muss sich deren Rhythmus fügen.

Der Delphin und der Falke stehen für die Illusion der perfekten Freiheit. Das Drama für die Personen im Buch besteht darin, dass sie geblendet sind von dieser Illusion. Absolute Freiheit existiert nicht.

Möchten Sie den Leser dazu ermutigen auch diesen Schritt zu einem „neuen Leben“, zu „seiner Freiheit“, zu wagen?

Ich möchte den Leser nicht zum blinden Nachahmen auffordern, da das Leben sehr komplex und kompliziert ist. Ich glaube, jeder sollte sich seinen eigenen Rahmen schaffen, in dem die Bedingungen relativ ideal sind, um seine Freiheit auszuleben. Das Buch sollte als Ansporn dafür dienen, um eben diesen Rahmen zu schaffen. Das sollte dann wiederum auch kein absoluter Rahmen sein, der ewig bestehen bleibt. Das Leben hat viele Aspekte, und man sollte sich immer wieder neue Rahmen schaffen.

Den Titel des Buches könnte man vervollständigen indem man sagt: „Bis zur Freiheit ist ein weiter Weg.“ Welchen Weg geht man im Leben, welchen Weg lässt man zurück, … , das muss jeder für sich entscheiden können. Man könnte auch sagen: „Ich kämpfe bis zur Freiheit!“ Man führt dann diesen bedingungslosen Kampf, um auf seinem eigenen Weg zu bleiben, obwohl dieser oft steiniger ist als der „normale“ Weg, der einen dazu verleitet, einfach nur mitzuziehen.

Mir scheint es sehr wichtig, dass Freiheit absolutes Glück mit sich bringt. Sie muss authentisch sein und sie muss deiner Wesensart gerecht sein.

Nadine Clemens

Zur Autorin: Sonja Lux wurde 1972 geboren. Sie lebte mehrere Jahre in Brüssel und ist zur Zeit in Luxemburg wohnhaft. Das Meer und das Tauchen, spielen eine wichtige Rolle in ihrem Leben. Ein zweites Buch ist bereits geschrieben und das dritte ist fest geplant.

Sonja Lux signiert ihr Buch „Bis zur Freiheit“ am Samstag, den 2. August von 14 bis 17 Uhr in der „Messagerie du Livre“ in Gasperich.


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