DEUTSCHER KRIMI: „Ich habe einen moralischen Antrieb“

Ihr Krimidebüt wurde von der Kritik geradezu begeistert aufgenommen: Die Münchner Autorin Barbara Veit respektive Felicitas Mayall über alleinerziehende Kommissarinnen, sinnvolle Selbsterfahrung sowie Lust und Frust beim Schreiben.

Bekannt wurde Barbara Veit als Jugendbuchautorin. Jetzt hat die gebürtige Münchnerin unter dem Namen Felicitas Mayall einen Krimi für Erwachsene geschrieben.
Am 8. Dezember liest sie daraus in Luxemburg-Stadt vor.

woxx: Frau Mayall, Sie haben jahrelang vor allem Jugendbücher geschrieben. Mit Ihrem Krimidebüt „Nacht der Stachelschweine“ wenden Sie sich an ein erwachsenes Publikum. Warum der Wechsel?

Felicitas Mayall: Das stimmt, lange Zeit war mein Schwerpunkt Bücher für Jugendliche. Aber ich habe immer schon gerne für Erwachsene geschrieben. Und weil ich das Genre komplett gewechselt habe, wollte ich auch einen neuen Namen.

KritikerInnen haben Ihr Debüt überwiegend freundlich aufgenommen. Besonders Ihre Sprache wird als gradlinig und klar gelobt.

Ich bin von Haus aus eigentlich Redakteurin. Fast acht Jahre lang war ich bei der Süddeutschen Zeitung in der Nachrichtenredaktion. Da muss man sich natürlich klar ausdrücken. Inzwischen meine ich aber, eine sehr poetische Sprache zu haben.

Ihre Hauptfigur, Kommissarin Laura Gottberg, löst ihren ersten Fall in Italien. Warum nicht in Ihrer Geburtsstadt München?

Im Rahmen der Europäischen Union arbeitet die Polizei zunehmend grenzüberschreitend zusammen. Ich dachte, es ist reizvoll, wenn eine deutsche Kommissarin im Ausland ermittelt. Und dann gibt es da ja auch noch eine Liebesgeschichte als Schmankerl.

Die Handlung spielt in der Toskana, in einer Selbsterfahrungsgruppe. Haben Sie persönliche Erfahrungen damit?

Ja. Man muss persönliche Erfahrungen haben, um darüber schreiben zu können. Ich habe selbst bei mehreren Gruppen mitgemacht.

Sie schreiben ziemlich ironisch über dieses Milieu …

Viele haben sich nach meinem Buch gesagt: Um Gottes Willen, mach‘ bloß nie bei so einer Gruppe mit. Das ist ein Missverständnis. Ich finde, in diesen Selbsterfahrungsgruppen werden sehr wohl wichtige Dinge besprochen. Ich wollte das nicht negativ darstellen.

Im Roman taucht auch ein behinderter Mann auf, der zunächst für den Mörder gehalten wird. Wollten Sie gängige Vorurteile hinterfragen?

Ich schreibe keinen Krimi, nur um zu unterhalten. Ein Kriminalroman ist eine wunderbare Literaturform, über die man gut gesellschaftliche Probleme aufgreifen kann. Die Leser bekommen Frauendiskriminierung, Vorurteile gegen Behinderte und so weiter vermittelt. Meinen zweiten Krimi schreibe ich über den Menschenhandel.

Schon als Jugendbuchautorin haben Sie so brisante Themen wie Alkoholismus oder Missbrauch aufgegriffen. Sind Sie missionarisch veranlagt?

Ich weiß es nicht. Vielleicht habe ich in der Tat einen starken moralischen Antrieb. Ich war eigentlich immer ein sehr politischer Mensch. Deshalb habe ich auch genauer hingeschaut, in Sachen Tierschutz zum Beispiel. Der taucht in meinen Bücher öfters auf. Oder Rassismus. Das war mir ein ganz besonderes Anliegen. Es hat mich damals fast umgehauen, als nach der Wende in Deutschland die Zahl ausländerfeindlicher Gewalttaten drastisch zunahmen. Mein Buch „Hass macht die Erde kalt“ ist aus dieser inneren Betroffenheit entstanden. Ich wollte etwas dagegen tun. Solche Themen aufzugreifen, machen übrigens immer mehr Autoren – auch in Krimis.

Sie meinen Ihren Kollegen Henning Mankell …

Ja, Mankell ist ein tolles Beispiel dafür. Und selbst Donna Leon wird immer gesellschaftskritischer.

Dennoch schreiben Sie eher zahm über Tod und Verbrechen.

Ich lese nicht sehr gerne brutale Krimis. Deshalb ist Mankell an manchen Stellen für mich geradezu unerträglich. Man sieht schon im Fernsehen genug Gewalt, eine regelrechte Welle von Brutalität. Bei diesem Trend werde ich auch in Zukunft nicht mitmachen.

Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen, Bücher zu schreiben?

Ich habe schon als kleines Mädchen den Wunsch gehabt, Bücher zu schreiben.

Warum?

Weil ich mir darunter ein freies und unabhängiges Leben vorgestellt habe. Mein großes Vorbild war damals Simone de Beauvoir.

Die schreibt doch ganz andere Literatur.

Natürlich. Aber ihre Art zu leben, ihre Unabhängigkeit – das hat mich sehr beeindruckt. Erst später habe ich erkannt: Sie ist gar nicht so unabhängig. Sie wurde von dem guten Sartre mitfinanziert. Ich allerdings habe geschafft, unabhängig zu sein. Das ist mir wichtig.

Wann haben Sie Ihr erstes Buch geschrieben?

Das war in den späten 70er Jahren und geschah aus pragmatischen Gründen. Erstens die Notwendigkeit unabhängig zu sein, denn ich hatte zwei Kinder. Ich hatte gemerkt, dass mich der Beruf als Nachrichtenredakteurin einer großen Tageszeitung an die Grenze meiner Möglichkeiten bringt – obwohl ich damals ein Kindermädchen hatte. Dazu kam das Gefühl, meine Kinder immer vernachlässigen zu müssen. Deshalb wollte ich dann freiberuflich zu Hause arbeiten.

Ihre Kommissarin ist alleinerziehende Mutter. Wer war Ihr Vorbild?

Ich habe meine zwei Kinder lange Zeit allein aufgezogen, und fast alle meine Freundinnen tun es auch. Kritiker sagen zwar, das sei ein Klischee, aber für viele ist das bittere Realität. Ebenso das Pflegen von Eltern oder Schwiegereltern. Im zweiten Band bekommt Laura deshalb von ihrem alten Vater gesagt: Du bist ein Klischee.

Ihnen wird außerdem vorgeworfen, alles, was sich zur Zeit gut auf dem Büchermarkt verkauft, hätten Sie zusammengemixt: Italien, eine weibliche Ermittlerin, ein bisschen Psycho – und Sex.

Eigentlich trifft mich dieser Vorwurf nicht besonders. Ich habe mir die Geschichte so ausgedacht, wie ich sie für richtig halte, und mir nicht einen Mix von irgendetwas überlegt. Es gibt meines Wissens derzeit keinen Krimi, der im Psychomilieu spielt und sich zugleich mit Selbsterfahrungsgruppen auseinandersetzt. Und diese Gruppen finden nun mal oft in der Toskana statt. Außerdem war mir eine schöne Umgebung wichtig. Ich wollte die Geschichte nicht in einem Hinterhofsaal in München stattfinden lassen. Das ist ja nicht so spannend.

Warum haben Sie eine Frau, eine Kommissarin, gewählt? Waren Sie mit Wallander, Brunetti und Co. nicht zufrieden?

Frauen sind mir einfach näher. Außerdem habe ich durchaus auch einen männlichen Kommissar geschaffen: den lieben Angelo Guerrini (Laura hilft dem Commissario beim Ermitteln und die beiden verlieben sich, I.K.). Von ihm sagen die Leser sagen, dass er unbedingt im zweiten Roman wieder dabei muss.

Und wird er das?

Selbstverständlich. Diese Liebesgeschichte kann ich nicht einfach unter den Teppich kehren. Die muss weitergehen.

Wie viele Bände werden folgen?

Der Verlag möchte, dass ich diesen Krimi fortsetze. Aber im Moment habe ich noch keine genaue Vorstellungen. Ich schreibe von einem Band zum nächsten. Ich denke schon mit etwas Grauen daran, weil das immer eine mühselige Arbeit ist.

Inwiefern?

Weil es schwierig ist, alle Handlungsstränge wirklich zusammenzuführen und keinen dabei zu verlieren.
Es ist wie beim Stricken:
Man muss ständig aufpassen, dass man keine Masche fallen lässt. Das erfordert viel Konzentration.

Und geht wohl nicht ohne Notizen.

Ich habe Tausende Zettel an meinen Wänden hängen. Ich lese immer wieder nach, was ich bereits geschrieben habe und mache mir unentwegt Notizen. Damit mir kein Satz entgeht, den irgendjemand mal in dem ersten Band gesagt hat und den ich später wieder aufgreifen muss. Die Leser merken so etwas sofort.

Gilt das auch für den Nachfolgekrimi?

Das verschärft sich sogar. Laura Gottberg hat jetzt das Problem: Wie integriert sie diesen Angelo in ihr Leben? Natürlich möchte er gleich mit ihr und mit den Kinder Weihnachten feiern. Für Laura hingegen ist dies das Letzte, was sie möchte. Das wird ein großer Konflikt zwischen den beiden werden.


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