Grüne Oppositionspolitik – das war einmal.
Als Generalkoordinator des Luxemburger Kulturjahres 2007 kümmert sich. Robert Garcia über Partei- und Ländergrenzen hinweg um die kulturelle Vernetzung von Luxemburg, Lothringen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Wallonien.
woxx: Roga, seit sieben Wochen bist du nun Generalkoordinator für das Luxemburger Kulturjahr 2007. Gestresst?
Robert Garcia: Meine Familie sagt, ich arbeite viel. Innerhalb von nur fünf Wochen habe ich über 70 Unterredungen rund ums Kulturjahr gehabt. Aber ehrlich gesagt: Als ich noch grüner Abgeordneter war, für die woxx geschrieben und daneben ehrenamtlich bei verschiedenen NGOs mitgewirkt habe, da hatte ich noch mehr Termine.
Was braucht ein Kulturkoordinator für Fähigkeiten?
Das Stereotyp eines Intendanten – bisher waren meistens Intendanten für die Organisation der Kulturjahre zuständig -, ist eine künstlerisch versierte Persönlichkeit mit Ideen und Kenntnissen in einer oder mehreren kulturellen Sparten.
Das trifft auf dich nur bedingt zu …
Ich bin ja auch der Koordinator. Das heißt, das Kulturjahr wird von den Leuten in der Großregion gemacht, und ich versuche diese zusammenzubringen. Ich zeige ihnen, welche Kriterien für das Kulturjahr entscheidend sind. Wenn also die Orchestrierung nicht klappt, dann übernehme ich die Verantwortung. Für die künstlerische Weiterbildung bin ich aber nicht zuständig. Ich meine, die Leute wissen es zu schätzen, dass ich ihnen so wenig wie möglich in ihre Projekte reinrede.
In Luxemburg kennt jeder jeden. Hast du keine Sorge, Leute im Verlauf deiner Arbeit zu verprellen?
Die soziale Nähe hat Vor- und Nachteile. In den bisherigen Gesprächen habe ich bemerkt, dass ich viele Akteure direkt oder indirekt kenne. Das ist in der Tat etwas beklemmend. Aber das war in der Politik nicht anders. Zurzeit habe ich einen Vertrauensvorschuss, aber ich muss damit rechnen, dass sich das ändert.
Das Überthema des Kulturjahrs ist die Großregion. Hinzu kommt ein Unterthema pro Region. Wie bringst du das alles zusammen?
Die Themen sind historisch bedeutsam für die jeweiligen Regionen und gleichzeitig flexibel. Das Thema für Luxemburg ist Migration und erlaubt den Akteuren sehr viel künstlerischen Freiraum. Jede Region hat ihr Thema gewählt – das Saarland die industrielle Entwicklung, Lothringen Kultur und Gedächtnis, Rheinland-Pfalz europäische Persönlichkeiten, Wallonien Ausdrucksformen der Moderne -, in dem sie bereits eine gewisse Kompetenz hat. Die Schwierigkeit wird sein, die verschiedenen Projekte, die in den Regionen entstehen, miteinander sinnvoll zu verknüpfen. Da betreten wir Neuland.
Und wenn nun jede Region in ihrer Ecke wurstelt? Du sagtest selbst in einem Interview, das regionale Bewusstsein sei zum Teil sehr wenig ausgeprägt.
Das braucht Zeit. Die Großregion ist zwar wirtschaftlich real, aber ansonsten ein Mythos. Das Kulturjahr soll hier kanalisierend wirken. Es gibt ja bereits eine gewisse Zusammenarbeit, auf der Ebene der Interreg-Projekte beispielsweise. Vieles scheiterte bisher an administrativen, sprachlichen Hürden. Bei meinen Rundfahrten habe ich die Erfahrung gemacht: Es gibt sehr wohl Leute vor Ort, die nur herumzutelefonieren brauchen, dann haben sie ein Projekt. Wir werden versuchen, diese mit Interessierten aus den jeweils anderen Regionen in Verbindung zu bringen.
Im Kulturjahr 1995 hat es viel Kritik an dem Auswahlverfahren gegeben. BewerberInnen bemängelten, sie hätten zu spät erfahren, ob und warum ihre Ideen angenommen oder abgelehnt wurden. Wie hältst du es mit Ausschreibungen?
Für das Kulturjahr 1995 wurden 1.100 Projekte mit einem Gesamtwert von 2,8 Milliarden LUF vorgelegt. Die organisierende Asbl verfügte aber nur über 700 Millionen LUF. Die Auswahl führte zu Gerüchten und Missstimmungen. Ähnliches werden wir auch für 2007 wahrscheinlich nicht verhindern können. Auf einen für die Bewerber frustrierenden „appel aux projets“ haben wir aber bewusst verzichtet – nachdem mir Experten aus Graz und Brüssel davon abrieten. Bis zum Jahresende werden ohnehin zunächst die Projekte der Kulturinstitutionen eintrudeln.
Erhalten damit die klassischen Kulturreinrichtungen nicht einen gewissen Vortritt?
Nein, aus dem einfachen Grund, weil das Thema für Luxemburg bisher im klassischen Sinne kaum von einer Institution bearbeitet wurde. Das historische Stadtmuseum macht vielleicht etwas. Die meisten Leute, die sich bisher zu dem Thema gemeldet haben, kommen aus den in diesem Bereich führenden NGOs. Da gibt es interessante Ideen. Aber es müssen auch nicht alle Kulturangebote im Jahr 2007 krampfhaft entlang von Migration gestaltet werden. Die Veranstaltungen des Kulturjahres sind als zusätzliches Programm zu verstehen, die allerdings hervorgehoben werden.
Wie wird Transparenz in der Auswahl gewährleistet?
Zunächst gibt es eine interne Homepage, auf der wir alle Projektvorschläge präsentieren, die bisher bei uns eingegangen sind. Die Anwärter sehen also, welche Kriterien und Projekte bereits existieren. Sie können vergleichen, sich vernetzen oder sich auch bewusst unterscheiden. Das funktioniert wie eine Börse. Wir wünschen uns natürlich lieber ein paar herausragende Projekte, als eine Unmenge kleiner, so dass wir einigen Akteuren vielleicht eine Partnerschaft ans Herz legen werden. In einer zweiten Phase soll, sofern wir dafür die Mittel genehmigt bekommen, entlang von Audits die inhaltliche Substanz, die finanzielle und die organisatorische Machbarkeit der Vorschläge überprüft werden. Experten beurteilen dann, ob ein Projekt dem Thema gerecht wird, ob es das Niveau eines europäischen Kulturjahrs hat, ob es innovativ ist.
Die Kritik der Brüsseler Jury am Vorentwurf zum Luxemburger Kulturjahr fiel in dieser Hinsicht geradezu vernichtend aus.
Ja, das ist richtig und stellt eine reelle Gefahr dar. Die Themen wurden entlang der historischen Bedeutung für die Region ausgewählt. Wir wollen aber kein Projekt, das sich ausschließlich an der Vergangenheit ausrichtet. Nehmen wir als Beispiel das 300. Todesjahr des französischen Militärarchitekten Sébastien Le Prestre de Vauban. Man kann Vauban als ersten europäischen Stadtplaner interpretieren und daran entlang Ideen entwerfen. Genauso gut könnte man den Festungsgedanken vertiefen und etwas zur Festung Europa machen. Potenzial gibt es überall, das hängt allein von der Kreativität der Akteure ab. Ich persönlich würde mir etwas Peppiges, Provokantes wünschen – ohne sagen zu wollen, man müsste nun überall Lady Rosas aufstellen.
Lady Rosa und auch die Skulptur der Künstlerin Niki de Saint Phalle am Aldringen wurden in Luxemburg nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Schreckt dich so etwas nicht ab?
Nein, denn ich habe Leute erlebt, die nicht zur künstlerischen Avantgarde zählen und trotzdem die Skulpturen unterstützt haben. Zudem muss man nicht alle Kunst, nur weil sie die Menschen provoziert, auch gutheißen. An der Lady Rosa gab es auch Aspekte, die subtiler hätten verarbeitet werden können. Grundsätzlich fand ich den Ansatz aber sehr gut. Man muss bei einer Provokation auch Kritikern eine Chance geben, ihre Meinung auf faire Art und Weise zu äußern. Bei der Lady Rosa haben das allerdings nur wenige getan. Mit ihren polemischen Attacken haben sie sogar bewiesen, wie richtig die Künstlerin mit ihrem Werk lag.
Deine Vorgesetzte, Kulturministerin Erna Hennicot-Schoepges, ist von der CSV. Als Ex-Abgeordneter von Déi Gréng hast du ihre Politik kritisiert. Stört es dich nicht, unter ihrer Regie arbeiten zu müssen?
Ich habe weiterhin ein Privatleben und behalte selbstverständlich meine grünen Überzeugungen. Aber das hier ist ein Beruf, und wie in jedem Beruf arbeite auch ich für meine Arbeitgeberin. Ich habe diesen Job nicht aus Opportunismus gewählt, sondern weil er mich interessiert. Außerdem: Das Kulturjahr ist nur ein Rahmenprogramm und ersetzt nicht die Kulturpolitik. Man kann der derzeitigen Regierung jedoch nicht den Vorwurf machen, im Kulturbereich wäre nichts geschehen. Im Jahr 1995 standen drei Millionen LUF für Konventionen mit Kultureinrichtungen zur Verfügung, heute sind es drei Millionen Euro. Und bei den Infrastrukturen ist ebenfalls eine Menge passiert.
Aber sogar die Ministerin bemängelt, das Geld reiche nicht aus, um genügend Personal in diesen Infrastrukturen vorzusehen. Stehen BesucherInnen des Kulturjahrs 2007 womöglich vor verschlossenen Türen?