SEKTORPLÄNE: Für oder gegen die Landwirtschaft?

Die Veröffentlichung Ende Juni der Sektorpläne „geschützte Landschaften“, „Wohnungsbau“, „Transport“ und „Aktivitätszonen“ war nicht nur bei den Umweltorganisationen auf wenig Begeisterung gestoßen. Am heftigsten reagierten wohl die traditionellen Bauernverbände.

Luxemburgs Bevölkerung wächst. Einzig zu Lasten der Landwirtschaft?

Unabhängig von inhaltlichen Bedenken war es der Zeitpunkt, der in Aufregung versetzte: Die „société civile“, aber auch andere Akteure sahen sich gezwungen, bis August – also mitten in den Sommerferien – ihre Stellungnahmen zu verfassen (siehe woxx 1271 und 1275). Ein Ding der Unmöglichkeit, wie der Meco auf einer Pressekonferenz Ende Juli kritisierte und gleich ankündigte, seine Bedenken auch noch nach dem Stichdatum vorzubringen.

Die Konsultationsfrist bei den Kommunen läuft noch bis Mitte Oktober. Zwar bietet sich auch hier Einzelpersonen die Möglichkeit, Beschwerden und Anfragen zu unterbreiten, doch gelangen deren Anliegen auf diesem Wege nur bedingt und über den Umweg von Gemeindekommissionen und Schöffenräten zum zuständigen Ministerium.

Andererseits sahen sich aber auch die Vertreter der Baubranche durch den Veröffentlichungstermin unter Druck gesetzt: Auch wenn die Sektorpläne erst in einer Konsultationsphase sind, verändern sie doch die Rechtssituation, da sie die Vorgaben für die zukünftigen, noch zu erstellenden Bebauungspläne der Kommunen, aber auch die bestehenden Pläne überlagern.

Im konkreten Fall heißt das: Wenn eine früher als bebaubar geltende Zone im Sektorplan „geschützte Landschaften“ als inzwischen schützenswert ausgewiesen wird, darf dort nicht mehr gebaut werden. Zumindest nicht, solange die Sektorpläne nicht definitiv verabschiedet sind. Sollte sich im Laufe dieses Verfahrens ergeben, dass bestimmte Bereiche einer anderen als der jetzt ins Auge gefassten Bestimmung zugeführt werden, kann eventuell dort wieder gebaut werden. Etwa zwei Jahre dürfte dieses provisorische Veto gelten, bis es bestätigt oder aufgehoben wird.

Baustopp wie 2004?

Die Baubranche, oder zumindest Teile davon, befürchten jetzt einen Stillstand, da einige bereits in Angriff genommene Vorhaben gestoppt werden könnten. Bereits 2004, als das derzeit geltende Amenagierungsgesetz verabschiedet wurde, kam es zu länger andauernden Baustopps. Und ebenso vor zwei Jahren, als gewisse in diesem Gesetz ausgewiesene Fristen ohne entsprechende gesetzliche Folgeregelungen ausgelaufen waren, sodass Unklarheit bestand, welche Regelungen in der entstandenen Situation anzuwenden seien.

Mit Datum vom 17. September hat jetzt das Verwaltungsgericht tatsächlich einige Vorhaben gestoppt. So etwa den Bau eines Kuhstalls in Manternach, der von der grünen Umweltministerin Carole Dieschbourg bereits im April – also vor der Veröffentlichung der Leitpläne – genehmigt worden war. Eigentlich sollten Übergangsbestimmungen eindeutig festlegen, dass Anträge, die vor dem 27. Juni bereits genehmigt waren, von möglichen restriktiven Bestimmungen der Sektorpläne nicht berührt werden. Doch das zur Zeit geltende Gesetz über die Landesplanung sieht keine solche Übergangsregeln vor. Eine Anpassung des Gesetzes ist auf dem Instanzenweg und dürfte erst nach der Rentrée, falls dann das noch ausstehende Gutachten des Staatsrates vorliegt, verabschiedet werden – so Camille Gira, grüner Staatssekretär im Umweltministerium gegenüber der Presse.

Auch die „Chambre immobilière“ schlug medienwirksam Alarm. Ihr Sprecher, der Rechtsanwalt Georges Krieger, verwies auf ein in Leudelingen geplantes „Lotissement“ mit 50 Wohnhäusern. Das war schon im Frühjahr genehmigt worden und wurde jetzt ebenfalls gestoppt. Der Anwalt, der im Umgang mit den politisch Verantwortlichen nicht gerade zimperlich ist und gerne polemisiert, rief jetzt auch Wohnungsbauministerin Maggy Nagel und den Nachhaltigkeitsminister auf den Plan. Maggy Nagel (DP), von Krieger auch schon mal als Wohnungsvernichterin betitelt, wies ihrerseits auf die Eigeninteressen des Anwalts hin, der versuche zu verunsichern und damit wohl vor allem neue Klientel anziehen wolle.

Die CSV-Abgeordnete Martine Hansen, die 2013 für ein paar Monate als Hochschul- und Forschungsministerin tätig war und nun als Norddeputierte und Landwirtschaftsexpertin vor allem die Belange der Bauernbetriebe im Auge hat, forderte ihrerseits in mehreren parlamentarischen Anfragen Auskunft zum sektoriellen Plan „geschützte Landschaften“ und zur Verbindlichkeit des im Mai veröffentlichten Biotiop-Katasters. In der Antwort der Umweltministerin erfuhr sie, dass es tatsächlich einige gesetzliche Unklarheiten gebe, die allerdings auf das geringe Interesse der Vorgängerregierungen zurückzuführen seien, diese ein für allemal aus der Welt zu schaffen.

Die Anfragen der Norddeputierten überlagerten sich mit ähnlich lautenden Forderungen der „Bauerenzentral“, des größten Bauernverbands , der in seinem wöchentlichen Organ „De Lëtzebuerger Bauer“ keine Gelegenheit auslässt, sowohl gegen die Verbindlichkeit des Biotop-Katasters als auch gegen die Ausrichtung der Sektorpläne Sturm zu laufen. So im Falle eines Bio-Bauern aus Junglinster, der die Veröffentlichung des Katasters zum Anlass nahm, seinen Ausstieg aus der Biobranche medienwirksam zu inszenieren (siehe woxx 1271).

Die Bauernzentrale sieht ihre Klientel rundherum als Opfer: Zum einen schränke das Biotop-Kataster die Entfaltung der Betriebe ein, zum anderen rückten sowohl die als Bauland oder als Aktivitätszonen ausgewiesenen Gebiete unerträglich nah an die aktuellen Agrarflächen heran. Auch würden die für künftige Kompensationsmaßnahmen vorgesehenen Gebiete vor allem auf bislang als landwirtschaftliche Zonen definierten Flächen ausgewiesen. Dies ist freilich die Konsequenz aus dem erhöhten Bedarf an Bauland und Aktivitätszonen, die nicht zu Lasten bestehender geschützter Zonen gehen soll.

Allerdings betonen die Verantwortlichen im Umweltministerium, die mit der Ausarbeitung des Sektorplans Landschaften betraut sind, dass ihre Absicht eigentlich ist, die landwirtschaftlichen Aktivitäten durch eindeutige Ausweisungen zu schützen. Einige Dispositionen in den Sonderzonen schränkten zwar deren Bebauung ein, machten aber eine landwirtschaftliche Nutzung keineswegs unmöglich.

Vermischung von Biotop-Kataster und Sektorplänen

Obwohl das Umweltministerium, das auch für den Schutz der Biotope verantwortlich zeichnet, in zahlreichen Versammlungen und Gesprächen versucht hat, die Veröffentlichung des Katasters, die eigentlich seit Jahren überfällig ist, so konsensfähig wie möglich zu gestalten, wird die neue Ministerin von den Bauernvertretern seit April hart in die Mangel genommen.

Es stellte sich heraus, dass die Unkenntnis über die Existenz mancher Biotope wohl ausgeprägter war als erwartet. Im Rahmen der Vorstellung eines vom Umweltministeriums zusammen mit dem Landwirtschaftsministerium erstellten Leitfadens zum korrekten Umgang mit Biotopen scheinen sich die Gemüter bei den betroffenen Landwirten nun etwas beruhigt zu haben. Zumindest haben die zuständigen Beamten in den regionalen Informationsveranstaltungen, die in dieser Woche ihren Abschluss fanden, nach anfänglich eher tumulthaften Auseinandersetzungen auch teilweise Zustimmung und Applaus für ihre Interventionen und Erklärungen erhalten.

Dass der Streit trotzdem noch nicht ausgestanden ist, zeigt die am frühen Donnerstag verbreitete Stellungnahme des „Fräie Lëtzebuerger Baureverband“ (FLB): „Plans sectoriels – ein wahres Horrorszenario … Oder von einer schleichenden Enteignung unter dem Deckmantel der Landesplanung!“, heißt es da drastisch. Der freie Verband haut damit in dieselbe Kerbe wie seit Monaten die „Centrale paysanne“ und vermischt ebenfalls die aus der Offenlegung der Biotop-Kartierung entstandenen Verpflichtungen mit den neuen Vorgaben der „plans sectoriels“.

Für die freie Bauernvereinigung, die sich 1979 von der CSV-nahen Bauernzentrale losgelöst hatte, stellen aus landwirtschaftlicher Sicht die Pläne der Regierung zur künftigen Landesplanung eine tiefgreifende Zäsur dar. Und dies sowohl in inhaltlicher als auch in prozeduraler Hinsicht.

Es sei insbesondere der „plan sectoriel paysages“ mit seinen vorgesehenen „zones écologiques prioritaires du réseau écologique“ und den „zones particulières du réseau écologique“, der den landwirtschaftlichen Betrieben am meisten schade. Einzelne Höfe seien unmittelbar in ihrer Existenz bedroht, da der Sektorplan für den Wohnungsbau sowie jener für Aktivitätszonen die an den Hof angrenzenden Betriebsflächen einiger betroffener Bauern kurzerhand zu Bauland oder Industriegelände umdefiniere.

Die politische Begründung, dass die „zones prioritaires du réseau écologique“ im Interesse der Landwirtschaft als Bollwerk gegen eine Zersiedlung zu betrachten seien, weist der FLB als unglaubhaft zurück: „Man hätte die betroffenen Areale auch ebenso als „zones agricoles“ definieren können, um ihnen den gleichen Schutzcharakter zugestehen zu können“. Dagegen würden die „zones écologiques“ für den Agrarsektor teilweise zur Existenzbedrohung. Hier fällt auf, dass der Widerstand gegen das Konzept der ökologischen Zonen doch weitaus stärker ausfällt als der gegen die Ausweisung als Bauland – wohl nicht zuletzt deshalb, weil bei letzterem die Vergütung in der Regel eine ganz andere sein dürfte.

Der FLB sieht eine funktionierende Landwirtschaft als einzige Garantin „für den Fortbestand der derzeitigen Kulturlandschaften“ und verlangt, die Landwirtschaft in der Landesplanung zu unterstützen, anstatt sie „vor den Kopf zu stoßen“. Der Verband verweist auf seine seit langem erhobene Forderung, großräumige „zones agricoles“ zu schaffen, und unterstellt der Regierung, diesen Vorstellungen „eine kompromisslose Abfuhr erteilt“ zu haben. Allerdings liest sich das auch wie eine Bestätigung, dass zumindest hinsichtlich einer ökologischer ausgerichteten Landesplanung ein gewisser politischer Wechsel stattgefunden hat.

FLB sieht Horrorszenario

Die Veröffentlichung der „plans sectoriels“ Ende Juni versteht der Verband als einen Versuch, der Regierung ihre Vorstellungen durch die Hintertür durchzubringen, da die öffentliche Konsultation hierzu zu der Zeit ja noch ausgestanden habe. Allerdings sieht das Landesplanungsgesetz eben genau das vor: Sind die Pläne einmal öffentlich, soll während der Konsultationsphase eigentlich nichts passieren dürfen, was ihnen zuwiderläuft, damit die Konsultationen im vorgegebenen Zeitrahmen und ohne „vollendete Tatsachen“ durchgeführt werden können.

Des weiteren stößt sich der FLB am Vorkaufsrecht des Staates in den „zones écologiques“, das rund 40.000 ha Agrarland und damit rund ein Drittel der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche umfassen soll. „Dies würde nicht nur eine unüberwindbare Wettbewerbsverzerrung  gegenüber der Landwirtschaft schaffen, was die landwirtschaftlichen Betriebe von jeglicher Möglichkeit abschneiden würde, sich in vitalen Arealen zu entwickeln, sondern käme überdies einer schleichenden Enteignung unter dem Deckmantel der Landesplanung gleich“, behauptet kühn der Verband, der sich seit jeher freien Marktmechanismen in der Landwirtschaft verschrieben hat. Stattdessen verlangt der FLB eine Umbennung der „zones prioritaires du réseau écologique“ und „zones particulières du réseau écologique“ in „zones agricoles“. Dort soll dem Agrarsektor Vorrang gewährt und der aktiven Landwirtschaft ein Vorkaufsrecht eingeräumt werden. 

Der FLB wehrt sich des Weiteren auch gegen den Umstand, dass die im Naturschutzgesetz vorgesehenen Kompensierungsmaßnahmen in den erwähnten neuen reservierten Zonen umgesetzt werden und nicht in den als Bauland oder Gewerbegebiet ausgewiesenen Bereichen, da die Landwirtschaft dadurch zusätzlich eingeengt werde.

Neben dem Verzicht darauf, im Rahmen des Naturschutzgesetzes Kompensierungsmaßnahmen auf landwirtschaftlichen Flächen durchzuführen, verlangt der FLB, dass künftige Kompensierungsmaßnahmen „gemäß der Verfahrensweise bei den CO2-Zertifikaten behandelt, sprich in solchen Gegenden des Globus getätigt werden sollen, wo die Fläche keinen begrenzenden Faktor darstellt“. Gerade die Einrichtung des Rückgriffs auf Vorhaben in Drittländern ? anstelle von Lösungsversuchen im jeweiligen Land ? hat den Ruf des CO2-Zertifikatsmodells definitiv beschädigt. Es mehren sich deshalb die Stimmen, dass dem Zertifikate-Handel ein Ende zu setzen sei. Ein Auslaufmodell demnach, das also kaum als Vorbild für den Umgang mit Kompensationsmaßnahmen herhalten kann.

Unter anderem, um die angebliche existenzielle Bedrohung der Betrieb zu unterbinden, will der FLB um jeden landwirtschaftlichen Betrieb eine Schutzzone von 300 m einrichten lassen, „wo künftig gegen den Willen der Landwirte weder gebaut, noch kompensiert werden kann“. Um seine Forderungen zu untermauern, verweist der FLB auf den Artikel 11(6) der Verfassung, der unter anderem „die Freiheit der landwirtschaftlichen Berufe garantiert“. Außerdem sieht die Bauernvertretung den verfassungsmäßigen Grundsatz der Gleichheit aller Bürger in Frage gestellt, da die Landwirte im Rahmen der „plans sectoriels? „überdimensional im Vergleich zu anderen Berufsgruppen benachteiligt“ würden.

Dem Umweltministerium ist diese Kritik nicht unbekannt. Allerdings stellen sich die mit der Ausarbeitung des Landschaftssektorplans beschäftigten BeamtInnen die Frage, ob diese Forderungen tatsächlich alle im Sinne der Landwirtschaft sind. Der Sektorplan sieht nirgendwo Einschränkungen bei den landwirtschaftlichen Zonen vor. Die Probleme, die sich mit dem Biotop-Kataster ergeben, haben nichts mit dem Sektorplan zu tun, sondern sind auf das Naturschutzgesetz zurückzuführen, das 2003 verabschiedet wurde und seither von allen Akteuren anerkannt wird.

Der FLB hat sich mit seinen jetzt zu Papier gebrachten Kritiken und Forderungen Zeit gelassen. Ob es die demnächst auslaufenden Einspruchsfristen auf kommunaler Ebene sind, die zu dieser massiven und wenig versöhnlichen Stellungnahme geführt haben? Oder sollte es die Einsicht sein, dass es ohnehin kein Einlenken der Politik mehr geben wird? Ob hier also nur noch die letzten Kartuschen verschossen wurden, dürfte in den nächsten Wochen klar werden, wenn die landesplanerische Prozedur mit neuen und klareren Übergangsbestimmungen in die nächste Phase eintritt. Entsprechende Arbeitsgruppen unter Beteiligung von Umwelt- und Landwirtschaftsministerium, aber auch mit Mitgliedern der Landwirtschaftskammer, setzen jedenfalls zur Zeit die dafür notwendigen Vorarbeiten fort, wie aus Regierungskreisen verlautet.


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