MUSIK: Du und deine Freunde

Mack Murphy alias Jérôme Reuter und seine Inmates huldigen musikalisch den Fürsten der Finsternis von
Nick Cave bis Sisters of Mercy.

Mack Murphy und die Inmates: Tom, Rupert, Jérôme, Yann, Patrick und Patrick.

Einen verbalen Meuchelmörder stellt mensch sich eigentlich anders vor. Jérôme Reuter schlachtet in seinen Texten die Maries und die Mollys, erzählt von durchzechten Nächten in versifften Motels und lässt sich im feuchten Grab von Würmern anknabbern. „Mack Murphy and the Inmates“ heißt seine sechsköpfige Kombo, die sich ganz weit verbeugt vor den großen Gossenpoeten Tom Waits und Nick Cave. Vor dem Release-Konzert ihrer zweiten CD in der Escher Kulturfabrik ist jedoch von Blutvergießen keine Spur.

In der Kufa-Brasserie K116 ist kein Platz fürs Interview, dort feiern elegant gekleidete Menschen eine Privatparty. Also bleiben die seltsamen Käfige, die den Künstlern im Escher Alternativ-Tempel als Logen dienen. Eigentlich ganz passend. Im Backstage werden währenddessen die gefüllten Tomaten kalt. „Kein Problem“, sagt Sänger und Songwriter Reuter, „ich kann sowieso jetzt nichts essen.“ Er ist freundlich, auskunftsfreudig – statt Posertum, nüchterne Fakten.

Mack Murphy wurde 2003 gegründet, und anstatt sich zuerst einmal über die kleinen und großen Bühnen zu schleppen, durch die Cafés und die Festivals, gingen die Inmates gleich ins Studio. Die erste Platte, ironischerweise „The Early Years“ betitelt, wurde innerhalb nur einer Woche eingespielt. Die Richtung war von Anfang an klar: Mörderballaden, mit Titeln wie „Swan Song“ oder „In Love and War“, teilweise so nah am Original, dass es von Nick Cave – sollte ihm die Luxemburger Band jemals zu Ohren kommen – wahrscheinlich Prügel setzt. Das zweite Album, „Summer’s Cemetery Dawns“, das am vergangenen Samstag vorgestellt wurde, bietet als Nachschlag noch einmal 14 Songs mit ganz klaren Referenzen.

Rollenspiele

Wenn er nicht gerade in die Saiten greift, steht der 23-Jährige mit der Theatertruppe Namasté auf der Bühne. Er kennt sich folglich aus mit Rollenspielen. Sogar sein Pseudonym ist geliehen. Und zwar bei R.P. McMurphy aus „Einer flog übers Kuckucksnest“. Nachdem sich Reuter bereits in sehr jungen Jahren – mit zwölf spielte er Schlagzeug in einer Metalband – eher im Bereich Punk austobte, machte er mit seinem Soloalbum „Another Gunstreet Serenade“ zum ersten Mal auf sich aufmerksam. Damals nannte er sich Reggie Fain und wandelte mit seiner akustischen Gitarre auf den Spuren von Tom Waits. Die Täuschung war damals wie heute perfekt. Während er bei den Inmates auch schon mal wütend ins Mikro bellt, nuschelte er als Reggie Fain etwas von Huren und besoffenen Matrosen in den Milchbart.

Reuter genießt diese musikalischen Häutungen. „Do“ von dem neuen Album sei „ihr Pixies-Song“, erklärt er und tatsächlich, kaum dröhnen die ersten sägenden Gitarren aus den Lautsprechern, lässt auch Pixies-Stimme Frank Black grüßen. Er schreibe mittlerweile persönlichere Texte – mit weniger Leichen, dafür mehr Liebeslieder. Trotzdem – die Themen bleiben die gleichen: gebrochene Herzen, letzte Küsse, Trauerflor. Umso erstaunlicher, wie rundum ausgeglichen Reuter erscheint. Er versucht gar nicht erst den Anschein zu erwecken, als meine er das alles ernst.

Vor zehn Jahren fand er die Luxemburger Musiklandschaft schrecklich. „Die meisten Gruppen wollten alle möglichen Genres mischen“, sagt er. Er dagegen mag es, wenn eine Band ihren Stil von Anfang an klar definiert. „Wenn die Musiker untereinander anfangen, darüber zu diskutieren, ob sie nicht auch vielleicht mal eine andere Richtung ausprobieren sollten, dann ist das meist der Anfang vom Ende.“ Auf solche Kurswechsel lässt er sich gar nicht erst ein. „Dann gründe ich lieber eine neue Band.“ Wer sich mit Reuters Konzept anfreunden kann, hat bestimmt viel Freude an den beiden Alben von Mack Murphy. Fans von Joy Division und den Sisters of Mercy kriegen mehr als ordentliches Songwriting geboten, einwandfrei aufgenommen und arrangiert. Der Musiker steht zu seiner Vorgehensweise: „Man kommt einfach schneller zum Ziel, wenn man weiß ‚hier geht’s lang‘, diese zwanzig Bands sind unsere Referenzen und so ähnlich wollen wir klingen.“

Blaue Pausen

In der Kufa geht es dann auch eher bedächtig zu. Die ZuschauerInnen schwelgen in Moll, mal etwas härter, aber immer opulent mit Männerchören und melancholischen Klaviermelodien über Stakkatogitarren. „Lo maache mer e besse Koméidi“, grummelt Reuter einmal vorsichtig zwischen zwei Stücken. „Wir spielen eine Musik, die der ganzen Familie gefällt“, sagt er und fügt hinzu, „ohne dafür gleich platten Pop zu machen.“ Die meisten Bandmitglieder sind noch in anderen musikalischen Bereichen aktiv, Gitarrist Patrick spielt bei den „Toxkäpp“, der andere Gitarrist, auch ein Patrick ist eigentlich gleichzeitig der Toningenieur Mack Murphys. „Das heißt aber nicht, dass wir die Platte gratis aufnehmen konnten“, erklärt Reuter. Und weil beim zweiten Album alles besser klingen sollte und die Band teilweise zwanzig verschiedene Gitarrensounds ausprobierte, mussten sie ganz schön blechen.

Aber eigentlich haben sich die Anstrengungen bis jetzt gelohnt. 2004 durften sie bereits beim Rock um Knuedler auftreten und auch die Tatsache, dass sie ihre Release-Party in der Kufa feiern, sehen sie durchaus als Privileg. „Wir mussten eigentlich nie monatelang nach Räumlichkeiten suchen, um Konzerte zu organisieren, nie Flyer drucken und verteilen in der Hoffnung, dass wenigstens ein paar Leute kommen“. sagt Reuter. Andererseits haben sich die Inmates mittlerweile die Kirschen aus dem Luxemburger Musikkuchen bereits herausgepickt. Natürlich habe man ziemlich schnell genug von der nationalen Szene, räumt er ein, „wenn man einmal im Fernsehen war und bei allen Radiostationen, in der Kufa gespielt hat, auf dem Knuedler und vielleicht auch bald in der Rockhal. Dann bleibt nicht mehr viel
übrig.“ Eigentlich seien sie schon froh, wenn auch ein paar Neugierige sich auf ihre Gigs verirrten und sie nicht nur vor ihren Freunden spielten. Was vor allem deshalb ungünstig ist, weil „alle unsere Freunde eigentlich mit uns auf der Bühne stehen.“

So weit es der Terminkalender der einzelnen Musiker zulässt, möchten sie versuchen, gezielt ein paar Schritte über die Grenzen Luxemburgs hinaus zu machen. „Dann müssen wir wieder von vorne anfangen, vielleicht tatsächlich mit Flyerdrucken und Klinkenputzen.“ Reuter ist realistisch: „In ein bis zwei Jahren gehören wir hier zum alten Eisen, dann müssen wir uns ohnehin etwas Neues einfallen lassen.“ Und wenn alle Stricke reißen sollten, dann hat er den ach so typisch luxemburgischen Plan B schon zur Hand. In Heidelberg studiert er Deutsch und Englisch auf Lehramt. „Et ass relax kennen ze soen: Ech kommen heem a maache mäi Prof.“

Das Abgründige hört bei Mack Murphy am Bühnenrand auf. Aber wahrscheinlich gibt Nick Cave den predigenden Derwisch auch nicht zu Hause und Tom Waits hat sich seine Persona – die wandelnde Vogelscheuche mit der Krächzstimme, geklaut von seinem Onkel Vernon – über Jahre zusammengezimmert. Wenn mensch eine Show abzieht, dann ist eigentlich nur eines entscheidend: Dass es die eigene ist.

Mack Murphy and the Inmates, „Summer’s Cemetery Dawns“, 2005. Nächste Auftritte an diesem Samstag, dem 22. Januar bei der „Winter Music Night“ im Café Shiny’z in Kehlen und am Samstag, dem 29. Januar beim „Rock am Deich“ in Ettelbrück. Mehr dazu auch am Montag, dem 24. Januar, ab 18 Uhr in der Sendung „Bloe Baaschtert“ auf Radio Ara.


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