EXINFERNIS: Die Laut-Treter

ExInferis heißt übersetzt „aus der Hölle“. Die gleichnamige Luxemburger Band beweist, dass auch in tiefster Finsternis kreative Lichtblicke entstehen können.

ExInferis: Marc Nickts,
Kevin Muhlen, Fabrice Mennuni, David Renard und Angelo Mangini.

„Am richtege Liewe bass de sou léif, firwat rappst de dann op der Bühn dermoossen of?“ Diese Frage bekommt Marc Nickts öfter zu hören. Der 24-Jährige ist Mitglied der Luxemburger Band ExInferis und wirkt im persönlichen Gespräch in der Tat recht harmlos. Wer sich aber „Defunctus in Heresi“, die aktuelle Scheibe der Truppe anhört, bekommt erst einmal kräftig etwas auf die Ohren.

Die fünf Jungs spielen Death Metal in Reinform mit brutalem Schlagzeug-Geknüppel, wuchtigen Gitarrenstakkatos und regelrecht ins Mikro
gerotztem Gesang. Sänger Fabrice Mennuni übernimmt dabei die „punitive vocals“, wie es im Booklet heißt, Schlagzeuger David Renard ist für die „guttural vocals“ zuständig. „Das ist in der Szene zu unserem Markenzeichen geworden“, bemerkt Marc, „dass unser Schlagzeuger gleichzeitig die tiefen Gesangparts übernimmt und trotzdem noch dynamisch reinhaut.“

All jenen, die sich jetzt fragen, was eigentlich „Death Metal“ ist oder „guttural vocals“, denen kann geholfen werden. Nachdem sich ExInferis in den letzten Jahren vor allem im nationalen und internationalen Underground tummelten, präsentieren sie sich am 3. Juli beim Rock um Knuedler zum ersten Mal einem breiten Publikum. Ermöglicht hat ihnen dies das Kollektiv Schalltot, bei dem ExInferis-Bassist Marc auch aktiv mitarbeitet. Robi Schuler hatte Schalltot gebeten, in diesem Jahr das Programm für eine der beiden Bühnen des Open-Air-Festivals zusammenzustellen. Sie hätten sich den Auftritt verdient, sagt Marc, nach fast sechs Jahren, vier Alben und über 150 Konzerten. „Und überhaupt – es heißt ja Rock um Knuedler, dann kann es ruhig etwas heftiger zugehen!“

Gaudium laboris acti

Von diesem Auftritt verspricht sich die Band einen Schritt in Richtung bessere Verständigung zwischen MusikliebhaberInnen jeder Couleur. Ihre Hoffnung: Vielleicht finden auch jene den Weg auf den Knuedler, die derartige Großevents eher meiden. Oder möglicherweise könnte sich ExInferis auch ein ganz neues Publikum erspielen. „Laute Musik kommt live sehr viel besser rüber als auf CD“, erklärt Marc. Deshalb tourt die Truppe so unermüdlich, wie es der Berufsalltag der Fünf zulässt. Am Vorabend sind sie aus dem belgischen Le Mans zurückgekommen – nicht so einfach, dann morgens wieder fit am Arbeitsplatz zu erscheinen. Zur Zeit ist ihr Terminkalender besonders prall gefüllt. Am Mittwoch standen sie beim Bilborock Festival im spanischen Bilbao auf der Bühne. Von 18 Mitbewerbern haben sie es in der Kategorie Metal unter die ersten drei Bands geschafft.

Für Fabrice, Angelo, Kevin, David und Marc bedeutete das vor allem dreizehn Stunden im Mini-Bus, hin und zurück. Keine sehr angenehme Erfahrung. Aber Fluggesellschaften verlangen für das schwere Equipment einfach zu hohe Aufpreise. Deshalb freut sich die Band umso mehr auf die Geldpreise, die in Bilbao auf die Finalisten warten. Wer seine CDs in Eigenregie und ohne staatliche Zuschüsse produziert, der begrüßt jedes Taschengeld. Ein paar Mal hatten sie die Zusammenarbeit mit kleineren Labels in Angriff genommen, die Erfahrungen waren allerdings nicht unbedingt ermutigend. „Skipworth Records“ zeigte im Jahr 2000 Interesse, eine Zusammenarbeit sollte jedoch nie zu Stande kommen. Die kleine kalifornische Plattenfirma „Battlescarred Records“ veröffentlichte mit ExInferis die CD „4-Way Deathmatch“, ging aber kurz darauf pleite.

Seither stehen die Fünf am liebsten konsequent auf eigenen Beinen. Bei der Produktion von „Defunctus in Heresi“ stand ihnen lediglich der Belgier Tony de Block zur Seite, in dessen Studio sie auch aufgenommen haben. Einen Namen machte sich de Block vor allem als Soundtüftler von Hooverphonic – im Herzen aber ist er ein „alter Metaller“, wie Marc sagt: „Er verstand um was es uns ging, und ermutigte uns dazu, unser Potential weiter auszuschöpfen.“ Marc erinnert sich gerne an die zwei Wochen, die sie im belgischen Lockeren verbrachten. De Block brachte die Band in seiner eigenen Wohnung unter und legte auch sonst viel Wert auf persönliche Beziehungen. „Wir waren fast Teil seiner Familie.“

Per aspera ad astra

Die Entscheidung im Ausland aufzunehmen fiel, nachdem sich herausstellte, dass eine professionelle Studiosession in Luxemburg das Budget der Band sprengen würde. Obwohl „Defunctus in Heresi“ mit blitzsauberem Sound und in einer aufwändigen Verpackung daherkommt, ist die CD eine Low-Budget-Produktion. „Wir überlegen es uns schon reiflich, bevor wir entscheiden ins Studio zu gehen“, sagt Marc. Nachdem 2003 und 2004 für die Band eher bittere Jahre waren – sie trennten sich von ihrem langjährigen Frontmann und mussten dann auch noch ihren Proberaum aufgeben – wollten sie nun ein deutliches Zeichen setzen: Ja, es gibt uns noch. Mit Fabrice Mennuni fand die Gruppe vor kurzem einen Sänger, der stimmlich in die Fußstapfen seines Vorgängers treten konnte und mit dem es auch menschlich sofort klappte.

Um dieses wieder gewonnene Gleichgewicht gebührend zu feiern, sollte das Album in jeder Hinsicht perfekt werden. Gitarrist Kevin Muhlen bastelte am anspruchsvollen Layout mit gruselig-schönen Hochglanzfotos von Tanja Balk. Er zeichnet auch für die meisten Texte verantwortlich, die sich alle vom Thema Ketzerei handeln. „Defunctus in Heresi“ ist ein Konzeptalbum. „Wir wollten nicht noch eine dieser Bands sein, die sich über den Zustand der Welt aufregen oder aber allzu persönliche Einblicke gewähren“, sagt Marc. In Songs wie „Selfmadegod“, dem Kernstück der Platte, geht es um den „Malleus maleficarum“ oder „Hexenhammer“ – ein Buch, das den Inquisitoren im Mittelalter als Leitfaden zur Aufspürung und Verurteilung vermeintlicher Hexen diente. Nur weil sie diese Thematik aufgreifen, seien sie aber noch lange keine Mittelalter-Band, sagt Marc. Auch zeitgenössische Aspekte sind ihnen wichtig, so zum Beispiel, dass viele Menschen „tagsüber Masken tragen, um sich abends so richtig austoben zu können“.

Dass sie mit ihrer Musik nie das ganz große Geld machen werden, sind sich ExInferis wohl bewusst. Deshalb stehen sie auch der von der Autorengesellschaft Sacem geforderten Quote von 15 Prozent Abspielen luxemburgischer Musik auf luxemburgischen Sendern eher skeptisch gegenüber. Eine solche Maßnahme sei „lauteren“ – und damit nicht radiotauglichen – Bands wie Defdump oder Desdemonia ohnehin nicht zuträglich, sagt Marc. Ihn würde es schon freuen, wenn sich Luxemburgs Kultur-Institutionen die Mühe macht, die Bands nach ihrer Langlebigkeit und der geleisteten Arbeit zu beurteilen, anstatt nur nach den Dezibels. Freuen tut er sich darüber, dass die, ebenso raubeinigen, Kollegen von Fast Friday in diesem Jahr bei der Emergenza absahnen konnten. ExInferis hatten sich bei der ersten Ausgabe anno 1999 auch an diesem Wettbewerb beteiligt. „Wir sind mit sieben Stimmen in der ersten Runde rausgeflogen“, erinnert sich Marc grinsend. Musik für die Massen bietet die Band sicher nicht – LiebhaberInnen von gutgemachten musikalischen Höllenfahrten kommen aber hier sicher auf ihre Kosten.

www.exinferis.com


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