Am 2. Juni öffnet Trier die Museumstüren für die bisher größte Ausstellung zu Ehren des Kaisers Konstantin. Einen Tag später beginnt das Pendant dazu in der Tufa.
Würde der große Konstantin heute noch leben, so wäre er kommende Woche beim G8-Gipfel im deutschen Ostseebad Heiligendamm mit Sicherheit dabei. Protestierende Globalisierungsgegner würde er den Löwen zum Fraß vorwerfen, und des Weiteren würde er dafür sorgen, dass die Zusammenarbeit enger wird. Und zwar so eng, dass nach ein paar Tagen Heiligendamm aus dem G8 ein G1-Gipfel würde. Ja, Konstantin hat in gewissen Situationen nicht lange gefackelt, und vielleicht ist das der Grund, warum er so viele Nachahmer gefunden hat – doch zu Bush später mehr. Kommen wir zunächst einmal zurück zu Konstantin, verlassen Heiligendamm und blicken nach Trier. Dort nämlich beginnt am 2. Juni im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt 2007 Luxemburg und Großregion, die bislang größte Ausstellung über Konstantin den Großen mit Exponaten aus 160 Museen in 19 verschiedenen Ländern.
Über 1400 Ausstellungsstücke werden gezeigt in Deutschlands ältester Stadt, die den Anspruch erhebt, so wie keine andere Stadt der Bundesrepublik als Austragungsort der Ausstellung geeignet zu sein. Immerhin hatte Konstantin in der Moselstadt seine erste Kaiserresidenz, ließ Baudenkmäler errichten, die heute zum Unesco-Weltkulturerbe zählen. Das Rheinische Landesmuseum ist zwar keines dieser Baudenkmäler, nichtsdestotrotz eines von insgesamt drei Museen der Stadt, die als Ausstellungsstandort dienen. Marmorporträts und Skulpturen, kostbare Schmuckstücke, antike Helme und viele Schätze geben auf fast 2000 Quadratmetern Ausstellungsfläche einen Einblick in die Epoche der Spätantike. Hier richtet sich der Blick nicht nur auf den Herrscher, Politiker und Menschen Konstantin, sondern auch auf die gesellschaftliche und philosophische Entwicklung im Umfeld des einstigen Kaisers.
Blutige Visionen
Vor allem aber richtet sich der Blick auf eines: Auf den 2,60 Meter hohen Kopf Konstantins, der im Landesmuseum ebenfalls zu sehen ist. Dieses Haupt aus Stein ist eine Eins-zu-eins-Abbildung des Originals im kapitolinischen Museum in Rom. Dort wollte man die Trierer bei ihrer Ausstellung zu Ehren Konstantins gerne unterstützen, allerdings unter einer Bedingung: „Finger weg vom Original!“ Dass die Römer ihren riesigen Vorderkopf, den sie mit einigen anderen wenigen Körperteilen 1486 beim Graben an der Konstantinbasilika in Rom gefunden haben, nicht ausleihen würden, war klar. Und auch der fragile Zustand des Kopfes ließ einen Silikonabdruck desselbigen nicht zu, weshalb den Trierern nichts anderes übrig blieb, als mit Laser und Streifenlicht-Scanner das Original abzutasten. Mit den damit gesammelten Daten wurde dann zunächst mit einer computergestützen Konturenseilsäge und einer Fräsmaschine an dem neuen Marmorblock Vorarbeit geleistet, bevor dann der Bildhauer Kai Dräger, künstlerischer Leiter des Projekts, selbst Hand anlegte.
Der Kopf, der also jetzt im Trierer Landesmuseum zu sehen ist, sieht aus wie das Original, fraglich ist allerdings, ob beide aussehen wie Konstantin. Denn um Zeit und Kosten zu sparen, aber auch um den zuvor besiegten Gegner zu demütigen, wurden bereits vorhanden Reliefs und Skulpturen „umgewidmet“, ihnen also mit Hammer und Meißel zu einer neuen Identität verholfen. Und da Menschen aus Fleisch und Blut unterschiedliche Kopfformen haben, waren auch die Häupter der Statuen unterschiedlich, sodass sich bei einer Umwidmung ökonomisches Denken mit den kaiserlichen Gesichtsproportionen nicht immer vereinen ließ. Deshalb ist der oft porträtierte Kopf des Herrschers mal etwas länger oder breiter.
Und auch unter – oder vielmehr auf – dem vor 1700 Jahren in Stein gemeißelten Gesicht Konstantins war vorher ein anderes. Möglicherweise das des Gottes Jupiter oder aber das des Kaisers Hadrian oder Trajan. Vielleicht aber auch das Gesicht des Erzfeindes Maxentius. Dagegen sprechen zwar die Ohren, dafür allerdings der historische Hintergrund. Denn Kaiser Konstantin ließ die einst zwölf Meter hohe Staue nach dem Sieg über seinen Gegner Maxentius in der berühmten Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahr 312 anfertigen. Und als Demonstration der neu errungenen Macht stellte Konstantin diese umgewidmete Statue dann in der Basilika des Rivalen auf.
Was es genau mit dieser Brücken-Schlacht auf sich hat, ist genauso mysteriös wie das Gesicht hinter dem Gesicht. So soll Konstantin an diesem besagten 28. Oktober 312, der in der Christenheit als historischer Wendepunkt gefeiert wird, vor den Toren Roms eine Vision gehabt haben. Ein Kreuz aus Licht, das über Sonne steht, und damit verbunden der Schriftzug „Hierdurch siege!“ will Konstantin am Himmel gesehen haben, wonach dieser dann beim anschließenden Gefecht die zahlenmäßig überlegenen Gegner geschlagen haben soll. Zwar gehen Historiker davon aus, dass der Sieg nicht nur auf göttlichen Beistand, sondern auch auf einen strategischen Fehler Maxentius‘ zurückzuführen ist, doch hat Konstantin nach seinem Einzug in Rom, wo er ab 324 als Alleinherrscher regierte, den Weg für das bis wenige Jahre zuvor noch verfolgte Christentum bereitet, das einige Jahre nach seinem Tod sogar zur Staatsreligion wurde.
Das Verhältnis von Kaiser und Christen ist auch Schwerpunkt der Ausstellung in Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum – neben dem Stadtmuseum Simeonstift der dritte Veranstaltungsort der sechs Millionen Euro teuren Gesamtveranstaltung. Zum ersten Mal werden hier alle unter Konstantin entstandenen Kirchenbauten wie die Lateranbasilika in Rom sowie der Vorgängerbau des heutigen Trierer Doms in maßstabsgetreuen Modellen gezeigt.
Mit ganz anderen Maßstäben und vor allem weniger Etat geht es beim Konstantin-Projekt (ab 3. Juni) in der Trierer Tuchfabrik (Tufa) zu. Auch hier setzt man sich mit Konstantin auseinander, allerdings läuft das hier weitaus kritischer. Schließlich ließ Konstantin nicht nur bauen und Wege für das Christentum ebnen, sondern auch töten – beruflich wie auch privat: Der Schwiegervater Kaiser Maximian wurde 310 erhängt, die Schwäger Licinius und Bassianus, Gatten seiner Schwestern Konstantia und Anastasia, lies Konstantin erwürgen, Licinianus, Sohn des Licinius, wurde erst versklavt und dann getötet, der eigene mit der Konkubine Minervina kurz vor seiner Hochzeit mit Fausta gezeugte Sohn Krispus wurde wahrscheinlich vergiftet, weil er Konstantins Ehefrau nachstellte, und Fausta selbst wurde später schließlich auch noch getötet.
Das Gesicht unter dem Gesicht
„Konstantin – Kunst und Provokation“ heißt das Projekt der Tufa, an dem sich neben Künstlern aus ganz Deutschland auch Schüler, Studenten, Handwerker, Bühnenbildner, Techniker und Musiker beteiligen. „Die Ausstellung kommt ohne die gewohnte künstlerische Langeweile und sakrale Stimmung aus“, verspricht der Projektleiter Helmut Schwickerath, dem es einerseits um die „Dekonstruktion dieses von christlichen Geschichtsschreibern herbei gelogenen Mythos, andererseits um die Beschäftigung mit der Wirkungsgeschichte Konstantins bis zu heutigen Ereignissen“ geht. Zu sehen ist deshalb auch das 25 Quadratmeter große Wandbild des Wuppertaler Sprayers Martin Heuwold. „Mission accomplished“ (Mission erfüllt) heißt das Werk, benannt nach einem Zitat von George W. Bush, als dieser auf einem Flugzeugträger vorzeitig den Sieg im Irak-Krieg feierte. Das Bild zeigt in der Mitte ein leuchtendes Kreuz und jeweils links und rechts davon Kaiser Konstantin und US-Präsident Bush mit Kreuzrittern beziehungsweise Panzern. Die Botschaft ist eindeutig: Beide folgen auf blutige Weise einer Vision.
Mehr Infos unter: www.konstantin-ausstellung.de