Neues Familienglück, abenteuerliche Zeitreise, Kampf gegen Dinos – worum geht es in der US-Serie Terra Nova wirklich? Vielleicht einfach um den amerikanischen Traum?
Wir schreiben das Jahr 2149. Der Planet Erde ist am Ende, ruiniert durch die rücksichtslose Ausbeutung der Umwelt und korrupte politische Strukturen. Kleine Gruppen von Menschen brechen auf in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Ein bekanntes Szenario, auf das Science-Fiction-Autor*innen und Weltraumminister*innen gerne zurückgreifen, um ihre Geschichten zu erzählen. Meist führt die Reise zu fremden Planeten, manchmal in die Zukunft. In der 2011 auf Fox ausgestrahlten Serie „Terra Nova“ führt die Reise in die Vergangenheit.
Ein besseres Leben suchen, indem man sich 85 Millionen Jahre in die Vergangenheit beamen lässt, die Idee hat etwas. „Sind das Wolken?“, staunt die kleine Zoe Shannon, als sie mit ihrer Familie in Terra Nova ankommt. Im Jahr 2149 ist die Erdatmosphäre nämlich so verschmutzt, dass man den Himmel gar nicht mehr sehen kann – eine Perspektive, die vielen Großstadtbewohner*innen Anfang des 21. Jahrhunderts plausibel erscheinen dürfte. Doch in Terra Nova geht es weniger um Umweltschutz (ein bisschen schon) als um ein großes Abenteuer. Auf der anderen Seite des Wurmlochs, durch das die Shannon-Familie gereist ist, liegt eine wilde Urwelt. In diesem „Gelobten Land“ haben ein paar Hundert Pionier*innen eine Siedlung errichtet. Das Terra Nova genannte Projekt greift auf den Reichtum der unberührten Natur zurück, vermischt mit aus der Zukunft mitgebrachter Hightech.
Das Außergewöhnliche an dieser TV-Serie ist die üppige Ausstattung: wunderschöne Landschaften, eine gelungene Dorfkulisse und… Dinos, wie man sie sonst nur in Kinofilmen sieht. Kein Wunder, fungiert doch Steven Spielberg unter den Executive Producers. Ein bisschen erinnert das kreisförmige, von einer Palisade umschlossene Siedlungsareal an Computer-Aufbauspiele, in denen man neue Städtchen anlegt, Ackerbau betreibt und sich gegen wilde Tiere und böse Nachbar*innen wehren muss. Die Serie ist die Antithese zu abstrakten Fantasy-Thrillern, ist Science-Fiction zum Anfassen. Terra Nova hat markante Charaktere, unter anderem die fünfköpfige Shannon-Familie, die Szenen sind meistens gut gespielt, die Dialoge recht natürlich (zumindest im englischen Original). Hinzu kommen mehr oder weniger gelungene Intrigen für die einzelnen Folgen, und vor allem eine Hintergrundgeschichte für die erste Staffel, die es in sich hat. Die Siedlung ist bedroht von Rebell*innen, die draußen im Wald leben und einen finsteren Plan verfolgen. Nach und nach bekommen die Zuschauer*innen Einblicke in die dunklen Seiten des urzeitlichen Paradieses.
Unter den Darsteller*innen ragt Stephen Lang hervor, bekannt unter anderem für seine Rolle als Bösewicht in Avatar. Hier spielt er Commander Taylor, für die einen der Held, für die anderen der Diktator von Terra Nova. Seine Widersacher*innen sind Mira, Anführerin der Rebellen, und Lucas, Taylors in die Wildnis geflüchteter Sohn, gespielt von Christine Adams und Ashley Zukerman. Die heimlichen Stars mehrerer Episoden sind allerdings die Dinos, vom riesigen, pflanzenfressenden Empirosaurier über den fliegenden – und aggressiven – Pterosaurier bis hin zum hochgefährlichen Acceraptor. Die Terra-Nova-Macher*innen haben nicht auf 3D-Animationen zurückgegriffen, sondern auf Dinosaurier-Marionetten in Lebensgröße – und der Aufwand hat sich gelohnt.
Die TV-Serie auf großem Schirm zu schauen macht Spaß, doch man sollte die Erwartungen nicht zu hoch ansetzen. Ein Teil des Plots dreht sich um die Shannon-Familienidylle und die menschlichen Interaktionen sind eher seicht melodramatisch als auf psychologische Tiefe hin ausgelegt. Die Atmosphäre ist, abgesehen von den Actionszenen, eher harmlos und „familientauglich“. Der Versuch, die Genres Familienserie, Actionunterhaltung und Science-Fiction-Thriller zu verbinden, ist offenbar gescheitert, denn Terra Nova konnte nur einen mäßigen Publikumserfolg verzeichnen und hat es nicht über die erste Staffel hinweggeschafft. Bei der Entscheidung, die Serie einzustellen, dürften allerdings auch die ungewöhnlich hohen Kosten für die Dreharbeiten in Australien und die aufwendigen Special Effects eine Rolle gespielt haben.
Als progressiv ausgerichtet kann man diese Serie kaum bezeichnen: Das Familienleben und die Beziehungen nehmen sich eher altbacken aus, für queere Charaktere ist kein Platz. Auf den ersten Blick könnte man sogar den Kampf um Terra Nova als Triumph des „guten“ alten weißen Mannes Taylor über die „böse“ junge schwarze Frau Mira auslegen. Doch so einseitig ist die Serie dann doch nicht. Zum einen zeigt sie eine Reihe von starken weiblichen Charakteren in Funktionen, die von der hochintelligenten Akademikerin Elisabeth Shannon über die Abenteurerin Skye bis zur Elitesoldatin „Wash“ reichen. Zum anderen sind die Charaktere Mira und Taylor nicht schwarz und weiß gezeichnet, ja, in der Folge 10 entwickeln sie sogar eine Art Solidarität zwischen Kämpfer*innen.
Hier zeigt sich womöglich der problematischste Aspekt der Serie: eine Tendenz, die „raue“ Art der Pionier*innen zu idealisieren. Terra Nova lässt sich eben auch als Variante des amerikanischen Epos deuten, in dem sich die aus der „Alten Welt“ Geflüchteten eine neue Heimat „erkämpfen“ mussten. So erinnert Taylors Rhetorik an die Doktrin der Manifest Destiny, mit der die US-Amerikaner*innen als „auserwähltes Volk“ ihre Eroberungszüge gerechtfertigt haben. Andererseits wird zum Beispiel in der Folge 6 auch die von Taylor praktizierte Wildwest-Justiz hinterfragt … Alles in allem kann man die Serie durchaus als Anregung zum Nachdenken über die Ambivalenz des amerikanischen Traums nehmen.