Auf Netflix: The Forty-Year-Old Version

Mit „The Forty-Year-Old Version“ dringt Künstlerin Radha Blank in den von Männern dominierten Bereich des Autorenfilms vor, um eine Geschichte über kreative Entfaltung, Mehrfachdiskriminierung und den Zwang zum Kompromiss zu erzählen.

Radha ist es leid, ihre Texte dem Geschmack weißer Produzenten anpassen zu müssen. (Fotos: © Netflix)

Lange Einstellungen, Bilder in Schwarz-Weiß und immer wieder Szenen, die fast völlig ohne Dialog auskommen – diese Kombination an Stilmitteln werden wohl die wenigsten mit Komödien assoziieren. Dabei erhielten Serien wie „Louie“ (2010-2015) oder Filme wie „Frances Ha“ (2012) gerade durch sie ihren Wiedererkennungswert. Es sind oftmals semiautobiografische Werke über weiße, heterosexuelle, mittelmäßig erfolgreiche Künstler*innen, wobei Hauptrolle, Drehbuch und Regie von ein und derselben Person übernommen wurden. Wer sich anschaut, wer die Gelegenheit bekommt, solche persönlichen Projekte zu verwirklichen, wird nicht überrascht: hauptsächlich Männer, ab und zu auch mal eine Frau.

An dieser Stelle kommt Radha Blank ins Spiel. Mit „The Forty-Year-Old Version“ hat die ehemalige Rapperin und Theaterautorin ihren ersten Film geschaffen und die Ähnlichkeit zu oben genannten Werken ist frappierend. Mit einem substanziellen Unterschied: Blank sowie die von ihr selbst gespielte Protagonistin gleichen Namens sind schwarz – die Hürden, denen sie begegnen, um sich in der Kunstwelt zu etablieren, aufgrund von Mehrfachdiskriminierung umso größer.

Zu Beginn des Films wird uns ein frustrierter Mensch präsentiert. Nachdem sie einst beim „30 under 30“-Wettbewerb abgesahnt hatte, ist Radhas Karriere als Theaterautorin ins Stocken geraten. Um sich finanziell über Wasser zu halten, bietet sie an einer Schule Teenagern Schreibkurse an. Mit ihren eigenen Texten kommt sie bei den meist weißen und männlichen Produzenten indes nicht besonders gut an, ihnen fehlt das Identifikationspotenzial für das mehrheitlich weiße Zielpublikum. Und so geht es in „The Forty-Year-Old Version“ um die konstante Gradwanderung zwischen Publikumsanreiz und künstlerischer Integrität, zwischen Unterhaltung und politischem Statement. Unter der Last dieses Dilemmas nimmt Radhas Inspiration zunehmend ab, da eröffnet ihr das Schreiben von Rapsongs eine vielversprechende neue Welt. Auch wenn nicht alles glattläuft, so bringt diese neue Perspektive jedoch Dynamik in ihren Alltag. Neben ihrem beruflichen Leben, spielt im Film auch ihr privates eine zentrale Rolle. Hier steht vor allem eine sich entwickelnde Romanze mit DJ D (Oswin Benjamin) im Fokus.

Mit ihrem Film ist Blank nicht daran interessiert, eine Utopie zu schaffen. Stattdessen zeigt sie das Künstler*innendasein als ein konstantes Auf und Ab von Erfolg und Scheitern, Selbstverwirklichung und Anpassung. Stilistisch dringt Blank nicht nur in den von weißen Männern dominierten Bereich des Autorenfilms vor: Mit Figuren, die punktuell direkt in die Kamera sprechen, scheint sie zudem Filmemacher Spike Lee Tribut zu zollen. Trotz einiger Hommagen entwickelt Blank mit ihrem Werk einen eigenen Stil mit Wiedererkennungswert. Sie zeigt ein tiefgreifendes Verständnis von Filmsprache, davon, wie die Maßstäbe für „gute Kunst“ oftmals von weißen Menschen gesetzt werden. Dadurch lässt sie auch stilistisch jene Elemente in ihren Film einfließen, die ihre Protagonistin oftmals an den Rand der Verzweiflung treiben.

So ernst manche der behandelten Themen auch sind: In „The Forty-Year-Old Version“ dominiert in erster Linie ein leichter, humorvoller Ton. Das liegt unter anderem auch daran, dass in langsamem Tempo erzählt wird und die Struktur eher lose ist. Darin liegt leider auch die größte Schwäche des zweistündigen Films, der in der zweiten Hälfte dann doch einige Längen hat. Nichtsdestotrotz ist Blank mit „The Forty-Year-Old Version“ ein sowohl inhaltlich wie auch handwerklich beeindruckendes Erstlingswerk gelungen.

Auf Netflix.

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