Ausstellung „Songs for Gay Dogs“: Daunenweiches Unbehagen

Plüschtiere, Popkultur und Polaritäten: Mit ihren im Mudam ausgestellten Kunstwerken entlarvt die Künstlerin Cosima von Bonin nicht zuletzt die Unsinnigkeiten einer konsumversessenen Gesellschaft.

Ein Kuscheltier, das kurz vor der Obduktion steht – die Installation wirkt verstörend und amüsant zugleich. (Mareike Tocha © Mudam Luxembourg)

Flauschige Zartheit trifft auf metallene Härte, bunte Fröhlichkeit auf schattige Trübsal: Bei der monografischen Ausstellung „Songs for Gay Dogs“ von Cosima von Bonin im Museum für zeitgenössische Kunst (Mudam) werden Gegensätze konkret, erhalten durch augenfällige haptische und optische Attribute eine distinkte Gestalt. Besonders oft wählt die deutsche Künstlerin für ihre Installationen verniedlichte Tierfiguren oder bekannte Charaktere aus der Comicwelt. Diese werden so in Szene gesetzt, dass ihre heitere, dem unbeschwerten Raum der Kindheit angehörende Gestalt unausweichlich mit dem beunruhigenden Dunklen kollidiert, das die Szenerie in ihrer Gesamtheit ausstrahlt.

Bei dem Werk „Autopsy“ (2024) liegt zum Beispiel ein übergroßer Plüschhase auf einem Seziertisch, auf seine Fußsohlen wurde das Wort „Sloth“ (zu Deutsch: Faulheit) genäht – ein Detail, das auf die sieben christlichen Todsünden verweist und dem vermenschlichten Plüschtier dadurch nicht nur einen allegorischen Charakter verleiht, sondern auch einen gewissen makaberen Humor durchschimmern lässt. Immerhin wurde das Wort „Todsünde“ hier wörtlich verstanden. Man kann die Installation auch als bildhafte Gesellschaftskritik lesen, die eine zynische Sicht auf die moderne Arbeitswelt widerspiegelt: In einer leistungsorientierten Gesellschaft, die extremen Wettbewerb und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse begünstigt, erscheint selbst der Tod als persönliches Versagen – als sei dieser auf die Unzulänglichkeit und das mangelnde Durchhaltevermögen des*der Verstorbenen zurückzuführen.

Alltagskultur und „hohe Kunst“

Durch die Anordnung der Skulpturen erinnert die Installation an eine spirituelle Zeremonie. (Mareike Tocha © Mudam Luxembourg)

Bemerkenswerterweise werden viele der ausgestellten Figuren in einer liegenden und sitzenden Haltung gezeigt: Ergänzen sie eine vornehmlich idyllische (Urlaubs-)Szene, strahlen sie Ruhe und Entspannung aus – oft genug scheinen sie aber in einer Passivität, Lähmung und Ohnmacht gefangen, die in Parallele steht zur geistigen Totenstarre einer durch Konsumgüter überfütterten und zugleich seelisch hungernden Gesellschaft. Aus genau diesem Grund werden bei von Bonin die Niederungen der grellen Popkultur und die Gefilde der etablierten Kunstwelt zu einem kontrastiven Landschaftsbild zusammengefügt: Sie trifft so eine Aussage über die in alle gesellschaftlichen Ecken reichende Kommerzialisierung kultureller Erzeugnisse.

Dass das Werk der in Köln lebenden und wirkenden Künstlerin durchflochten ist von Referenzen aller Art und zugleich Redundanzen aufweist, legt nahe, dass sie wie schon Vertreter*innen der Pop-Art der 50er- und 60er-Jahre mit der industriellen Massenproduktion als künstlerisches Konzept spielt. Laut eigener Aussage würde sie „von überall stehlen“, einige Quellen und als Bezugspunkte dienende Vorbilder erwähnt die Ausstellungsbroschüre namentlich: die Künstler*innen Mike Kelley, André Cadere und Martin Kippenberger sowie die Popikone Missy Elliott.

Drastische Dissonanzen

Von Bonin versteht es meisterhaft, mittels Gegensätzlichkeiten eine beklemmende Atmosphäre zu schaffen. Sie gibt sich nicht einfach damit zufrieden, Gewalt zum Thema ihrer Kunst zu machen, sondern kombiniert die entsprechenden Symbole – Handschellen, eine Rakete, eine Axt, einen Streitflegel – mit zarten Materialien und scheinbar harmlosen Gegenständen wie Spielzeug. Dadurch muten die genannten Objekte noch bedrohlicher an; überdies haftet den unerwarteten Gegenüberstellungen an sich schon etwas Drastisches, fast Brutales an. Die Künstlerin lässt – was durchaus verunsichern kann – die Betrachter*innen die Dissonanz zwischen Gefährlichem und vermeintlich Unschuldigem unmittelbar erfahren; die Ideale von Konsistenz und Widerspruchsfreiheit, nach denen sich der Mensch als rationales Wesen sehnt, werden im Zuge dessen als Schimären enttarnt.

Religion und Ritus mitsamt ihrer düsteren, unheimlichen Dimension finden ebenfalls Eingang in das Werk der Kunstschaffenden. So steht auf einem überdimensionierten Tisch in dem Grand Hall des Mudam eine schwarze Kunstharz-Figur von Daffy Duck (Titel: „Church of Daffy“), der die Arme wie ein Prediger oder Sektenanführer seitlich in die Luft streckt – als verkünde er seine Lehren den Besucher*innen, die, wenn sie in die Halle treten, den Kopf heben müssen, um ihn zu betrachten. Im Zentrum der Ostgalerie steht dann die Werkgruppe „What If It Barks“ aus dem Jahre 2018. Ein Ensemble aus Fisch- und Hai-Skulpturen, die einen Kreis bilden um eine von der Decke hängende Metalldose, auf der die Aufschrift „Authority Purée“ prangt. Finden hier gerade kultische Handlungen statt? Huldigen die Meerestiere, die mit Stofffetzen bekleidet und teils mit Instrumenten ausgestattet sind, der Autorität, als wäre sie eine eigenständige Entität? Ist dies ein höhnischer Kommentar auf die Obrigkeitshörigkeit bestimmter Personen, eine Warnung vor blinder Willfährigkeit? Die Skulpturengruppe bietet, wie ausnahmslos alle Exponate, ein Reservoir an möglichen Interpretationen, das kaum ausgeschöpft werden kann.

Dementsprechend ausdrucksstark sind die Werke, welche die Schau „Songs for Gay Dogs“ vereinigt. Die Kluft zwischen Dargestelltem und Art der Darstellung sowie der Kontrast zwischen den miteinander verknüpften Komponenten, die sich in ihrer Textur und ihren materiellen Eigenschaften voneinander unterscheiden, schafft einen gut dosierten Überraschungseffekt, mit dem von Bonin Erwartungshorizonte zu durchbrechen weiß. Eine Ausstellung, die man auf keinen Fall verpassen sollte.

„Songs for Gay Dogs“, Mudam Luxembourg (3, Park Dräi Eechelen, L-1499 Luxembourg-Kirchberg) Eintritt: 10 Euro für Erwachsene, Di. – So. 10 – 18 Uhr, Mi. 10 – 21 Uhr. Bis zum 2. März.

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