Der schwarze Abgrund, in den Linda nach dem Verlust ihrer siebzehnjährigen Tochter Sonja kopfüber gestoßen wird, heißt Trauer. Wie mit diesem zerquälenden, alles verschlingenden Gefühl weiterleben? Die Mittvierzigerin zieht es nach der harten Lebenszäsur aufs Land, wo sie anstrengende körperlicher Arbeit verrichtet. Nur langsam, nachdem die Beziehung zu ihrem Ehemann Richard schon verkümmert ist, tastet sich die verwaiste Mutter vorwärts und versucht, ins Leben zurückzufinden. Die Schriftstellerin Daniela Krien erzählt in „Mein drittes Leben“ mit beeindruckend sensibler Feder von einer Existenz, die zertrümmert und schließlich wieder neu zusammengesetzt wird – wobei die Narben, die sichtbaren Spuren, hier nicht wie nach Art der japanischen Kintsugi-Reparaturtechnik mit Gold bedeckt werden, sondern so bleiben dürfen, wie sie sind: nackt, blass, unschön. Nichts wird an dem Trauerprozess, den Linda durchläuft, idealisiert, und eben das macht das Buch, das auf der Longlist des diesjährigen Deutschen Buchpreises stand, so berührend.
Diogenes Verlag, 304 Seiten , ISBN: 978-3-257-07305-8.