Camille Giras Nachfolge: Logisch aber auch schmerzhaft

von | 01.06.2018

Sogar Robert Goebbels (LSAP) nennt die Nominierung von Claude Turmes (Déi Gréng) zum Staatsekretär einen cleveren Schachzug, wünscht seinem einstigen Europaparlamentskollegen aber auch ein „Willkommen in der Realität“.

(Foto: greng.lu)

Als Robert Goebbels 1999 ins Europaparlament wechselte – und dabei seinen Vorgänger Ben Fayot verdrängte, der sein Mandat liebend gerne weitergeführt hätte – war der Grund dafür weniger Begeisterung für europäische Politik als vielmehr die Tatsache, dass seine Partei, die LSAP, auf nationalpolitischer Ebene in die Oppositionswüste geschickt worden war.

Zeitgleich mit ihm wurde Claude Turmes Europaabgeordneter. Anders als bei Goebbels stand bei Turmes Europa am Anfang der parteipolitischen Karriere, und nicht an deren Ende. Beide haben in der Folge – allerdings mit radikal entgegengesetzten Vorzeichen – der Europapolitik tatsächlich hierzulande einiges Gehör verschafft und den Satz „Hast du einen Opa, dann schick ihn nach Europa“ Lügen gestraft – einfach nur seine Zeit in Brüssel oder Strasbourg absitzen, bis die Pensionsansprüche genügen, war beider Sache nicht.

Der Makel des 7. Nachrückers, den auch Goebbels immer wieder anführte, um den Newcomer Claude Turmes in die Schranken zu verweisen, war spätestens nach dessen fulminanter Wiederwahl 2004 beseitigt. 1999 galt noch die absurde Regel, wonach die Parteien für die insgesamt sechs Sitze im Europa-Parlament zwölf (!) Kandidat*innen aufstellten, und bei diesen zuerst, als Stimmenbringer, die bekanntesten Minister*innen und Abgeordneten, die aber, wenn sie erfolgreich waren, in der Regel „großzügig“ auf ihr Mandat verzichteten. Ein Spiel das auch – wohl oder übel – die Grünen mitmachen mussten.

Als Europaabgeordneter konnte sich Claude Turmes – auch als seine Partei 2013 Regierungsverantwortung übernahm – eine gewisse Unabhängigkeit bewahren und musste nicht unbedingt in allen Dossiers, die es in Brüssel zu verteidigen galt, in Einklang mit der Heimatregierung sein. Das hatte aber weniger mit seiner Person als der Funktion des Europaabgeordneten zu tun. Auch Robert Goebbels funkte nicht nur einmal seinen Parteikolleg*innen von Brüssel aus gehörig dazwischen.

Dass er demnächst auch einige Kröten schlucken muss (dixit Goebbels), hat Claude Turmes gleich in mehreren Interviews eingeräumt. So etwa in der Steuerpolitik, zu der er seine aktuelle Position noch in dieser Woche, anlässlich der Rede seines zukünftigen Chefs vor dem Europaparlament, noch einmal dargelegt hat. Und dass er seine Arbeit auf europäischer Ebene liebend gerne fortgesetzt hätte, ist auch kein Geheimnis.

Von Brüssel in die Opposition?

Doch Claude Turmes sieht sich in der Pflicht, die Lücke, die der Tod seines „Freundes und Vorbilds“ Camille Gira gerissen hat, zu füllen. In seine durchaus glaubwürdigen emotionalen Statements mischt sich ab und zu etwas wie enthusiastischer Schwung, als ginge es darum, in den wenigen verbleibenden Monaten noch vieles umzukrempeln – ein bisschen Wahlkampf schimmert auch schon durch. Dabei listet Turmes so viele Vorhaben auf, dass man meinen könnte, er habe eine weitere Regierungsbeteiligung der Grünen nach dem Wahlgang im Oktober noch nie in Zweifel gezogen.

Trotzdem birgt die Choreographie der Vernunft, welche die immer noch geschockten Grünen hier durchziehen, auch Gefahren. So ist eine Rückkehr von Claude Turmes nach Europa, sollten die Dinge im Herbst nicht so laufen wie geplant, durch sein Versprechen, sein nationales Mandat in jedem Fall anzunehmen, ausgeschlossen. Es bleibt auch wenig Zeit, die wichtigsten Teile seines europapolitischen Kapitals, das er sich mittlerweile erworben hat, auf seine Nachfolgerin Tilly Metz zu übertragen.

Sollte es im Herbst doch zu einer steuer- und wirtschaftspolitisch kompatibleren CSV-DP-Regierung kommen, könnte Claude Turmes diese Kröte gleich wieder ausspucken – als Oppositionspolitiker des Nordbezirks, der, wie schon sein Vorbild Camille Gira, sich ständig ermahnen muss, nicht an der Starrheit der Verhältnisse, die doch sehr an die Postkutschenzeit erinnern, zu verzweifeln.

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