Datenschutz im Gefängnis: Verwirrende Antwort der Gefängnisverwaltung

Letzten Freitag berichtete die woxx über vermutete Lücken beim Datenschutz in der Software, die zur Verwaltung deutscher und luxemburgischer Gefängnisse eingesetzt wird. Die Antwort der Gefängnisverwaltung wirft jedoch mehr Fragen auf, als sie deren beantwortet.

Obwohl das Gefängnis Uerschterhaff sehr modern ist, wird dort mit alter Software gearbeitet. Informationen darüber, wie wenig der Datenschutz für Gefangene gewährleistet ist, will die Verwaltung nicht weitergeben. (Foto: © SIP/Jean-Christophe Verhaegen)

In der letzten Ausgabe der woxx berichteten wir über die Software „Buchhaltungs- und Abrechnungssystem im Strafvollzug“ (Basis, zum Teil auch Basis-Web genannt), die in 13 von 16 deutschen Bundesländern und in Luxemburg benutzt wird, um Daten der Inhaftierten zu verwalten. Die Aktivistin Lilith Wittmann war von Gefangenen auf mangelnden Datenschutz in Basis hingewiesen worden. Als sie für ihre Recherche Dokumente von deutschen Behörden anforderte, antworteten diese, dass man diese nicht herausgeben könnte, weil Luxemburg sich dagegen ausgesprochen habe.

Am 6. November 2024 befasste sich das Gremium „Lenkungskreis Basis“, in dem die 13 betroffenen Bundesländer und Luxemburg über die Weiterentwicklung der Software entscheiden, mit Wittmanns Anfrage. Behörden aus verschiedenen Bundesländer verweigerten nicht nur die angefragten Informationen herauszugeben, sondern zeigten mit dem Finger auf Luxemburg, das sich diesbezüglich quergestellt hätte. Darüber hatte Wittmann bei einem Vortrag im Dezember 2024 berichtet. Am vergangenen Dienstag veröffentlichte sie Ausschnitte aus weiteren Dokumenten, die belegen, dass es in Basis keine Zugriffsprotokollierung gibt. Für Gefangene heißt dies: Beamt*innen können auf ihre Daten zugreifen, ohne sich je dafür rechtfertigen zu müssen. Der Weitergabe von persönlichen Daten Gefangener steht damit wenig im Weg.

Bis Redaktionsschluss unserer letzten Ausgabe hatte die Gefängnisverwaltung (Administration pénitentiaire) der woxx auf die Frage, warum Luxemburg sich im Lenkungskreis gegen eine Herausgabe der Dokumente gestellt hatte, nicht geantwortet. Am Nachmittag des vergangenen Montags erhielten wir dann die Antwort. „Es gab tatsächlich eine Anfrage, um Informationen aus besagter Lenkungssitzung herauszugeben. Allerdings wurde nie eine formelle ‚Demande écrite‘ an Luxemburg gerichtet. Die Gefängnisverwaltung erlangte erst im Rahmen der Lenkungssitzung Kenntnis davon. Das Argument, das hier beschrieben wird, ist eins von vielen, das die deutschen Verwaltungen Frau Wittmann gegeben haben“, so eine Sprecherin der Gefängnisverwaltung per E-Mail gegenüber der woxx.

Wer hat die Tagesordnung nicht gelesen?

Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass diese Darstellung so nicht stimmt. Insbesondere die Aussage, die luxemburgische Gefängnisverwaltung habe erst im Rahmen der Sitzung des Lenkungskreises von Wittmanns Informationsanfrage erfahren, ist zweifelhaft. Der woxx liegen interne E-Mails der deutschen Behörden vor, die belegen, dass Wittmanns Anfrage bereits eine Woche vor der Sitzung als Punkt auf der Tagesordnung angekündigt worden war. Am 29. Oktober erging eine Einladung zur 47. Sitzung des Lenkungskreises. Am 30. Oktober bat ein*e Mitarbeiter*in der IT-Abteilung aus Schleswig-Holstein darum, die Anfrage Wittmanns auf die Tagesordnung zu setzen. Eine halbe Stunde später kommt die Antwort aus dem nordrhein-westfälischen Justizministerium: Der Punkt sei bereits „unter TOP [Tagesordnungspunkt, Anm. d. Red.] Verschiedenes ‚IFG-Antrag’ berücksichtigt.“ In den der woxx vorliegenden Dokumenten sind die E-Mailadressen, die diese Mails empfangen haben, zensiert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Luxemburger Gefängnisverwaltung als Mitglied des Lenkungskreises sowohl Einladung als auch die Diskussionen über die Tagesordnung erhielt. Gesichert ist, dass sie am 22. November eine Mail von der IT-Abteilung des Justizministeriums des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen erhielt. Die teilte „unter Bezugnahme auf die Erörterung im Lenkungskreis Basis am 6.11.2024“ ihren ablehnenden Bescheid mit den Justizbehörden der anderen Bundesländer und mit zwei Empfänger*innen, deren E-Mail-Adressen auf „ap.etat.lu“ enden, also der Luxemburger Gefängnisverwaltung. Dies untermauert die Annahme, dass diese Mailadressen auch die E-Mails zu Einladung und der Diskussion über die Tagesordnung bekommen haben.

„Luxemburg war sich mit den deutschen Ländern einig, dass die Informationsanfrage von Lilith Wittmann weder mit dem deutschen, noch mit dem Luxemburger Gesetz konform ist. Desweiteren, hier war Luxemburg sich mit den Ländern einig, würde in diesem Fall eine Veröffentlichung der gefragten Informationen die öffentliche Sicherheit und die Aktivitäten der Jurisdiktionen [sic] beeinträchtigen. Im gleichen Sinne wurde die Anfrage abgelehnt, weil damit Informationen über Betriebsgeheimnisse aufgedeckt werden könnten“, so die Sprecherin der Gefängnisverwaltung weiter, bevor die woxx zur Geduld gemahnt wird: „Für detaillierte Informationen würden wir Sie bitten auf die Antwort auf die parlamentarische Anfrage zu warten. Wir sind aktuell noch im Prozess der Datensammlung.“

„Völliger Quatsch“


(Foto: © SIP/Jean-Christophe Verhaegen)

Lilith Wittmann selbst hält diese Argumentation für „völligen Quatsch“. Im Gespräch mit der woxx meinte die Aktivistin: „Es gibt nicht einmal ein Informationsfreiheitsgesetz in Deutschland, das hier anzuwenden wäre, sondern die jeweiligen Gesetze der Bundesländer. In einigen progressiven Bundesländern bleibt von den Ausnahmetatbeständen eigentlich nur der Punkt mit den internationalen Beziehungen übrig, nach dem eine Herausgabe der Dokumente nicht infrage kommt.“ Es wirkt also so, als ob die deutschen Justizbehörden die von Wittmann angefragten Informationen nicht herausgeben wollten und deswegen die internationalen Beziehungen mit Luxemburg als Grund vorschieben. Die Luxemburger Gefängnisverwaltung spielte dieses Spiel bereitwillig mit, hat in ihrer Antwort an die woxx jedoch zugegeben, dass die Herausgabe der Informationen nicht alleine am Unwillen des Großherzogtums scheiterte.

Wittmann gab gegenüber der woxx an, bereits einige Datenschutzdokumente von Landesdatenschutzbeauftragten erhalten zu haben – was der Argumentation der Justizbehörden widerspricht. „Selbst wenn man bei einigen Dokumenten von Betriebsgeheimnissen sprechen und die Veröffentlichung einiger Dokumente unter Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden könnte, so reicht das keinesfalls für einen pauschalen Ausschluss des Informationszuganges“, so Wittmanns Fazit. Eine Stellungnahme des schleswig-holsteinischen Landesbeauftragten für Informationszugang, die der woxx vorliegt, bestätigt diese Ansicht. Darin heißt es „Unklar ist, auf welche Dokumente sich die verweigerte Zustimmung vom Großherzogtum Luxemburg bezieht. Es erscheint nicht nachvollziehbar, dass sämtliche der angefragten Dokumente in einem direkten Zusammenhang mit dem Großherzogtum Luxemburg stehen.“ Die deutschen Behörden müssten darlegen, wieso sie bei der Herausgabe nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen befürchten – immerhin müsse Luxemburg bewusst gewesen sein, welche Transparenzgesetze in Deutschland gelten. „Auch das Großherzogtum Luxemburg hat ein Transparenzgesetz. Es ist daher nicht grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Weitergabe der Information nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen haben muss.“

Dabei scheinen die internationalen Beziehungen zwischen deutschen und luxemburgischen Gefängnisverwaltungen sehr gut zu sein. Zumindest in dem Punkt, dass man keine Transparenz in Bezug auf mögliche Lücken beim Datenschutz von Gefangenen will, sind sie sich wohl einig.


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