Der letzte linke Kleingärtner über geliebte und ungeliebte Massen, ihr Ausbleiben und die richtige Mischung.
Gartenarbeit für Linke macht Sinn. Während der politischen Linken das revolutionäre Subjekt und damit die Masse abhandengekommen sind, kann die gärtnerische Linke hier noch glänzen. Endlich hat man als Linker wieder einen passablen Bezug zur Menge. Und das ist gleich doppelt schön: Erstens hat kann man diese steuern. Wenn ich meine Stangenbohnen gezielt wässere, steigt der Ertrag erheblich. Zweitens werde ich werde mit meinen produzierten Gütern gebraucht und dies auch noch weltweit. Schließlich kümmere ich mich als Kleingärtner um die Ernährung der Menschheit. Da schimmert wieder eines der alten linken Versprechen durch: Als Linker ist man für alle da, sozusagen ein globaler Sozialarbeiter, und man tut allen in der Welt Gutes. Zumindest versucht man es. Nur manchmal trägt man sein Kreuz an der Menge.
Dies trifft auf meine Hühner zu, die mitten im Sommer von einer großen Masse widerlicher Milben befallen wurden. Diese verursachen allerhand Juckreiz und den Ausfall von Federn. Darunter leidet die Eierproduktion erheblich. Aber dafür bin ich ja da. Als Kleingärtner ist man gleichermaßen Seelentröster von Pflanzen und Tieren und auch ein wenig ihr medizinischer Assistent. Die Gesundheit des Federviehs muss stabil bleiben, damit die Eierproduktion nicht zum Erliegen kommt. Ich halte die Hühner nicht aus Nettigkeit.
Jedenfalls beschaffte ich mir flugs Kieselgur und puderte das Federvieh damit ein. Das Zeug ist ein extrem feines Pulver aus Kieselalgen (Siliziumoxid), das ob seiner geringen Partikelgröße in jeden Hohlraum und jede Ritze eindringt und die Milben letztlich austrocknet. Es ist so was von leicht und klitzeklein und damit lungengängig, dass man beim Einpudern des Viehzeugs und dem Bestäuben des Stalls besser eine Atemmaske trägt. Aber: das „Wundermittel“ hat geholfen. Nach zweimaligem Einpudern sowie Bestäuben des Hühnerstalls, reduzierte sich der Milbenbefall schnell und die hühnerartigen Geschäfte liefen wieder wie eh und je: arbeiten, fressen, Eier legen, saufen, schlafen. Repeat. Hühner haben es gut.
Ein Garten ist wie eine Beziehung
Aktuell freue ich mich, dass die sommerliche Bullenhitze vorbei ist und das gärtnerische Werkeln – ich traue mich fast nicht, es zu sagen – so langsam dem jahreszeitbedingten Ende entgegengeht. Noch nicht ganz, aber immerhin ist der Herbst bereits absehbar.
Ein inneres Schaudern verspüre ich vor der Kartoffelernte. Nicht allein, weil die dieses Jahr nach der Dauerhitze deutlich früher ansteht. Auch wegen des erwartbar miserablen Ergebnisses, das mich jetzt schon tiefe Schluchten voller Traurigkeit durchschreiten lässt. Womit habe ich das nur verdient? Dabei hatte ich dieses Jahr keinen Kartoffelkäfer in meinen Kartoffelbeeten. Der kann einem auch den Spaß verderben. Dabei ist er, wie so viel anderes Viehzeug, das unsereiner nicht leiden mag, ein Kind der Globalisierung. Als Coloradokäfer, so sein richtiger Name, wurde er in den 1870er-Jahren aus den USA über den Hafen von Rotterdam nach Europa nicht etwa von dunklen Mächten eingeschleppt. Vielmehr wurde er zusammen mit Handelsgütern als unbeachtetes „Nebenprodukt“ eingeführt und verbreitete sich mangels natürlicher Feinde rasend schnell.
Der Name „Kartoffelkäfer“ ist etwas irreführend, denn das Biest frisst keine Kartoffeln, wohl aber deren Blätter. Und dummerweise wachsen dann die Knollen unter der Erde nicht mehr. Dieses Ungeziefer hatte mich und meine Kartoffeln in diesem Jahr also verschont und mir damit viel Plackerei erspart. Dafür musste ich das Leid von Hitze und ausbleibendem Regen ertragen. Irgendwie ist ein Kleingärtner die Fortführung des Weges von „unserem Herrn Jesus“; so würde es ein Gläubiger wohl formulieren. Wie Christus ist der Kleingärtner zu Höherem berufen und trägt auf den Schultern das Leid von allen.
Dennoch läuft die Produktion im Garten passabel. Zugegeben, es gibt bessere Jahre. Aber ein Garten ist wie eine Beziehung. Manches, das wächst, hängt von der Qualität des eigenen Zutuns ab und manches kann ich nicht beeinflussen. Es bricht schicksalhaft über mich herein. So ist das Leben. Mal hat man kein Glück, mal kommt Pech dazu, sagt eine bekannte Fußballweisheit.
Dafür wachsen die roten Hokkaido-Kürbisse gut, nach anfänglichen Startschwierigkeiten, die der Trockenheit und der Hitze geschuldet waren. Und der Grünkohl gar, der wächst in einem Ausmaß und Tempo, das ich in meinem gärtnerischen Kosmos mit eher sandigem Boden noch nicht erlebt habe. Chapeau. Die Rote Beete nimmt noch etwas an Gewicht und Umfang zu. Die Zucchiniernte hält sich in Grenzen, überzeugt aber durch Kontinuität und steten Nachschub. So verhält es sich auch bei den Gurken, wobei ich dieses Jahr auf eine Mischung aus Einlege und Salatgurke setzte, was die richtige Entscheidung war, da dieses Gewächs weniger anfällig gegen den falschen Mehltau ist als die hochgezüchteten Salatgurken, womit wir wieder bei der Problematik des Hochertragssaatgutes wären. Besser weniger, dafür aber sicherer Ertrag.
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