Der letzte linke Kleingärtner, Teil 30: Scheiße am Fuß

Wenn er über Fußball sinniert, läuft unser Kleingärtner philosophisch zur Höchstform auf. Heute geht es um die Dialektik des Hühnerkots.

War 1998 sogar Spiel des Jahres: Mit „Zicke Zacke Hühnerkacke“ könnte der letzte linke Kleingärtner endlich mal Trittsicherheit trainieren. (Foto: Wikimedia)

„Ohne Eier verlierst du jedes Spiel.“ Wieder mal so ein Satz aus den Niederungen des Fußballs, der mir die Welt umfassend erklärt und mich nicht mit unbeantworteten Fragen hilflos zurücklässt. Ein Spruch fürs Poesiealbum der Weltgemeinschaft, rausgerotzt Ende April von Rafał Gikiewicz, dem polnischen Torwart des FC Augsburg nach dem verlorenen Heimspiel gegen den 1. FC Köln. Mit fadem Blick, halb trotzig, halb verloren wirkend, sagte der Bundesligatorhüter ihn in die Kamera. So etwas spricht mich als Kleingärtner in meinem tiefsten Inneren an.

Das Beste daran jedoch: Ich, einer der weltweit größten Kleingärtner, kann nie ein Spiel verlieren! Ich habe immer Eier, dank meiner Hühner. Es gibt Dinge im Haushalt, die gehen nie aus. Nein, das hat nichts mit der „unsichtbaren Hand“ des Ökonomen Adam Smith zu tun. Verantwortlich ist mein Genius. Sobald der Vorrat an Eiern oder Toilettenpapier auch nur ansatzweise zur Neige geht, kümmere ich mich um Nachschub. Wenn es um Eier geht, schnauze ich zur Not mein Hühnerpersonal an.

Neulich im Hühnerstall landete ich ebenfalls wieder beim Fußball. Eine Eingebung katapultierte mich rund 30 Jahre zurück, als alles noch besser war. Es muss ja so gewesen sein, sonst würde die Glorifizierung von Tradition keinen Sinn machen. „Unser“ Andi Brehme – das ist der, der „uns“ Krauts 1990 mit seinem Elfmetertor gegen die Argentinier zum Weltmeister machte – sagte mal in einem Interview: „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß.“ In meinem Hühnerstall blieb mir nichts anderes, als anerkennend festzustellen: Wo er recht hat, hat er recht.

Klar, Hühner sind putzige Tierchen, fressen alles und legen Eier. So weit, so gut. Ebenfalls klar: wie alle anderen Tiere scheißen sie. Solange sie das in meinem Garten machen, handelt es sich um wunderbaren Dünger. Kein Problem. Machen sie es jedoch im Hühnerstall, führt das zu Konflikten. Spätestens dann, wenn ich in die Ausscheidungen hineintrete und über die blöden Hühner fluche. Wenn man denen nur beibringen könnte, sich zu einer bestimmten Tageszeit zu entleeren und ihnen dafür einen bestimmten Ort zuweisen könnte. Unsereins macht das ja auch so als Zweibeiner.

So, wie es die Hühner machen, ist es im doppelten Sinne Mist. Damit sich die Nummer mit der Scheiße in Grenzen hält, säubere ich regelmäßig den Hühnerstall und bringe die zusammengekehrte Einstreu inklusive Hühnermist auf den Komposthaufen, der ein Jahr später zur Bodenverbesserung in den Garten kommt. Oder ich bringe sie direkt im Garten aus. Wenn es allerdings ganz dumm läuft, und die Hühnerkacke an den Schuhen unentdeckt bleibt, handle ich mir zudem noch häuslichen Mist ein, sprich Unfrieden und Streiterei.

Kleingärtner haben nämlich die weit verbreitete Angewohnheit – ich mache da keine Ausnahme –, beim Gang in den Garten oder in den Hühnerstall, „mal eben“ auf das Anziehen von Arbeitsschuhen zu verzichten, weil sie ja nur „mal kurz“ nach draußen gehen. Und dann nehmen die Dinge ihren Lauf: Die Kacke krallt sich an den Schuhen fest und fällt erst in der Wohnung wieder ab. Das familiäre Geschrei lässt nicht lange auf sich warten. Mist, wieder dumm gelaufen. Wobei eigentlich die Hühner schuld sind. Ich bin nur ihr Betreuer. Aber es ist, wie es ist: Uns Kleingärtner trifft regelmäßig die zivilisatorische Wut unserer Mitmenschen, die viel Frust im Alltag schieben. Ein bisschen Mist in der Wohnung hat früher auch nicht gestört. Früher war eh alles besser.

Uns Kleingärtner trifft regelmäßig die zivilisatorische Wut unserer Mitmenschen.

Neben dem ganzjährigen Stress mit dem Hühnerdreck, hat der Frühling für den Kleingärtner noch eine zusätzliche Nerverei im Angebot. Um diese Jahreszeit gibt es im Hause des Kleingärtners nämlich keine einzige leere Fensterbank. Überall stehen große und kleine Blumentöpfe herum. Sie sind mit Erde und Saatgut gefüllt und werden regelmäßig gegossen. Sinn der innerhäuslichen Kurzzeitgärtnerei ist das Vorziehen von Pflanzen wie Salate, Gurken und Zucchini, die später im Garten ausgepflanzt werden. Pflanzen brauchen wie du und ich häusliche Wärme. Das ist ethisch korrekt und sehr nachhaltig und natürlich äußerst achtsam gegenüber dem großen Dingsbums, also der Schöpfung, wie es die Christen nennen.

Leider ist es mit der Erde wie mit der Hühnerkacke: sie bleibt nicht immer dort, wo sie soll. Das fängt schon beim Füllen der Blumentöpfe mit Komposterde an und wird später nicht besser. Ständig ist etwas zu regulieren, müssen ungewollte Pflanzen entfernt werden. Das Erdreich in den Blumentöpfen beherbergt tausende „ungewollte“ Samen, die sich ebenfalls an Wärme und Wasser erfreuen und dabei hoch zum Lichte streben. Und wenn die Erde dann beim Jäten auf die Fensterbank fällt, ab und an gar auf den Boden purzelt und sich dort dank des Schuhwerkes meiner Mitbewohner im Hause verteilt, kippt die Stimmung im Hause einmal mehr blitzschnell. Meistens identifiziert man mich als Verursacher, was zu allerhand Zeigefingerakrobatik führt. Jedenfalls hängt dann der Haussegen schief und will für lange Zeit nicht mehr zurück ins Lot. Dabei habe ich es doch nur gut gemeint. Aber da muss ich jetzt durch. In diesem Sinne – Eier muss man haben. Denkt an mich.


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