Heute ist der letzte linke Kleingärtner fast beängstigend nachdenklich drauf. Eine Triggerwarnung braucht die Kolumne aber trotzdem nicht. Denn sein Optimismus ist so unzerstörbar wie die Buschbohnen in seinem Garten.
Während Bob Dylan ständig auf seiner „Never Ending Tour“ ist, kümmere ich mich um meine ganz eigene Never Ending Story: Der Kampf mit dem Wasser. Es ist ein ewiger Kampf und deshalb ist er episch. Mal gibt es zu viel, mal zu wenig Wasser, mal an der falschen Stelle, und ein andermal stimmt der Aggregatszustand nicht. Dann nämlich, wenn Wasser in blank liegenden Heizungsrohren aus Kupfer im Winter anfängt zu frieren.
Wenn die Temperatur nicht flugs wieder den Bereich unter null Grad verlässt, verliert das geduldige wie leicht dehnbare Edelmetall Kupfer den Kampf gegen die Gewalt des Wassers und beschert unsereinem als Mieter oder Hausbesitzer jede Menge Wasser an Stellen, wo man es nicht gerne hat. Gigantisch wird das, wenn man nicht zu Hause ist und erst nach ein paar Tagen zurückkehrt. Wenn es richtig dumm läuft, verwandelt das Wasser das Haus in den Zustand der Unbewohnbarkeit.
Beim russischen Roulette kommt schließlich auch nicht sechsmal hintereinander eine Kugel aus dem Lauf.
Aber auch unsere Autos können vom Wasser gequält werden. Wenn beim Motor das Wasser sichtbar verdampft, ist meist der Kühlkreislauf in Schieflage geraten, was einer Weiterfahrt im Wege steht. Ganz fies wird es für uns Autofahrer, wenn das Wasser den ihm zugewiesenen Platz – also den Kühlkreislauf – verlässt – und statt dessen eine Expedition zum Ölkreislauf unternimmt. Die fachliche Diagnose ist klar: Kopfdichtung kaputt. Wenn man es aber nicht rechtzeitig bemerkt, kann der Motor ordentlich Schaden nehmen. Zwar ist ein gewisser Schmiereffekt von Wasser durchaus gegeben – sonst würde man ja nicht auf nassen Stellen ausrutschen – aber er ist eben nicht so stark wie beim Öl im Kreislauf des Motors.
Auch Atomkraftwerke haben oft Probleme mit dem Wasser, denn auch hier wird es, wie beim Auto, als Kühlmittel gebraucht. Ohne Kühlung macht es Bums, und das Resultat nennt sich dann Gau oder gar Supergau, was in diesem Fall abgekürzt „größter anzunehmender Unfall“ bedeutet. Da es in Teilen Mitteleuropas aber seit Jahren immer trockener wird, führen die Flüsse, an denen die AKWs meist stehen, im Sommer zu wenig Wasser für die Kühlung.
Also wirklich, hätte man das nur früher gewusst bei der Planung der AKWs, dann hätte man womöglich auf das eine oder andere atomare Dingsbums verzichtet und der Menschheit, also uns allen, einen großen Gefallen getan. Zumindest hätte man uns dann weniger Risiko und russisches Roulette beschert. Aber was soll die Panikmache an dieser Stelle? Bislang ging doch alles gut – zumindest in Mitteleuropa. Und beim russischen Roulette kommt schließlich auch nicht sechsmal hintereinander eine Kugel aus dem Lauf. Also bleiben wir locker.
Trotzdem: Genau genommen dürften im Sommer an Flüssen keine AKWs laufen und Kühlwasser entnehmen, weil sie das nämlich ordentlich erwärmt dem „natürlichen“ Kreislauf zurückgeben. Ordentlich erwärmtes Wasser im Sommer ist irgendwie voll Kacke für die Fische im Wasser. Und der Sauerstoffgehalt des Wassers zeigt dann im Gegensatz zur Gaspreiskurve nach unten. Und wenn das eine zum anderen kommt und sich noch mit dem dritten Dingsbums verbindet, dann ist am Ende doch Chaos angesagt: Zu wenig und zu warmes Wasser in den Flüssen und schwupps: können nur noch wenig Schiffe mit wenig Ladung fahren. Drei Probleme die uns beschäftigen werden, wenn wir so weitermachen. Wer ist hier wir? Die anderen. Ich bin schließlich für das Chaos mit dem Wasser nicht verantwortlich. Uns Kleingärtner hat keiner gefragt.
Immerhin, das in grauer Steinzeit mal in Luxemburg geplante AKW bei Remerschen wurde dank vernünftiger Menschen und Radau auf der Straße letztlich doch nicht gebaut. Aller vorhandenen Euphorie in den Planungsstäben zum Trotz. Dort, wo ansonsten heute ein Betongigant stehen und der Mosel durch die Wasserentnahme den endgültigen Todesstoß versetzen würde, finden sich heute allerhand Baggerseen und Pflanzen, die sonst nie eine Chance gehabt hätten. Ich habe es ja immer schon gesagt: Wenn man das Wasser lässt, nimmt es sich seinen Platz, schenkt uns Kühlung und Abwechslung und bietet Mensch wie Tier den so sehnlich erwünschten Frieden auf Erden. Man muss das Wasser nur lassen.
So erging es mir auch in meinem Garten auf dem Höhepunkt der sommerlichen Bruthitze. Es ist etwas passiert, was sehr untypisch für mich ist. Ich gab auf. Naja, nicht komplett, sonst gäbe es ja diese Kolumne nicht, was ein Verlust für die Menschheit wäre. Aber ich gab es auf, vier Reihen Buschbohnen weiter zu wässern. Ich hatte ihnen zwei Monate lang jeden zweiten Tag ordentlich Wasser gegeben. Aber zwecklos. Der Ertrag war kaum messbar. Viele Fruchtansätze, aber nur ein mickriges Wachstum. Und siehe da, zwei Wochen nachdem ich resignierte, ging die Temperatur leicht nach unten, es regnete ein bisschen und jetzt sind meine Buschbohnen und ich wieder beste Freunde. Wir beschenken uns gegenseitig, sie mich mit einer reichen Ernte und ich sie mit viel Dankbarkeit.
Drei Praxistipps:
- Der Kampf mit dem Wasser ist unser aller Lebenswerk.
- Setze den Kreml unter Wasser und der Friede hat eine Chance.
- Wir Kleingärtner sind Experten in allen Wasserfragen. Fragt uns. Wir helfen.
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