Der letzte linke Kleingärtner, Teil 53
: Experte für Auferstehung


Unser linker Kleingärtner mal wieder 
voll in Fahrt: Dieses Mal geht es um die Wiederkunft von Obst und Gemüse sowie weniger wünschenswerter Gewächse.

Vom letzten linken Kleingärtner nicht gerne gesehen: der Kartoffelkäfer. (Foto: pixabay)

Es ist jetzt wieder soweit und ließ sich nicht vermeiden. Einmal mehr beschäftige mich mit einer meiner Kernkompetenzen: der Auferstehung. Gutes Zureden und zuvor schon das sorgfältige Lagern des Saatgutes – wie üblich kühl und dunkel – führt jetzt dazu, dass es kurz nach der Aussaat schon wieder den Weg nach oben sucht und zum Lichte emporstrebt. So organisiere ich jedes Jahr in meinem Garten tausendfach die Auferstehung. Die Community der Christen bekommt dies nur einmal pro Jahr an Ostern hin.

Einer der eher unangenehmeren Experten für Fragen der Auferstehung ist hingegen Andrij Melnyk. Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland und aktuelle Vizeaußenminister der Ukraine trommelt seit dem russischen Überfall auf sein Land unentwegt für Waffenlieferungen aus dem unschuldigen Westen. Das ist logisch für jemand aus dem Regierungsapparat. Dass er aber seit Jahren dem ukrainischen Nationalisten und Antisemiten Stepan Bandera (1909-1959) huldigt und beispielsweise an dessen Grab in München – Bandera lebte nach dem Kriege dort – mal ein Blumengedeck niederlegte, geschah nicht wegen eines Wladimir Putin, der die Fäden zog, sondern entsprang Melnyks Überzeugung, der von ihm Geehrte sei ein „Held“.

Eine glaubwürdig Distanzierung der Kiewer Regierung von dieser Kranzniederlegung und, was noch wichtiger wäre, von Bandera selbst, gab es damals und gibt es bis heute nicht. Solche ukrainischen Merkwürdigkeiten stoßen mir als linkem Kleingärtner bitter auf. Wenn schon Auferstehung, dann bitte ohne Nationalismus und ohne Antisemitismus, sondern die Früchte des Paradieses in Hülle und Fülle. Zur Auferstehung tanzen werde ich als Experte für die Ernährung der Menschheit erst dann, wenn diese Früchte allen auf Erden zugutekommen. Nationalismus nährt zwar auch ein Bedürfnis der Menschen, hat aber die unangenehme Eigenschaft, nie satt zu machen und deshalb immer maßloser aufzutreten. Das lässt die Menschen und ihre sozialen Gebilde richtig hässlich werden.

Obwohl, wenn ich mir das so überlege, ich könnte auch mit der Ukraine ins Geschäft kommen. Die könnten mir die Grabpflege der erdnahen Bandera-Behausung übertragen; gegen Honorar natürlich. Wir sind schließlich in der Marktwirtschaft zu Hause. Oder? Das würde ich glatt machen und könnte so zugleich kontrollieren, wer alles um das Grab herumschleicht und diesem Unsympathen seine nationalistische und antisemitische Aufwartung macht. Nur, was mache ich dann mit den gesammelten Daten? Soll ich sie an den Kreml verkaufen? An Putin und seine devote Garde? Was würde das bringen? Die hätten wieder ordentlich Stoff für ihre Propaganda, wonach der russische Krieg gegen die Ukraine ja nichts anderes als die Fortsetzung des Kampfes gegen den Hitler-Faschismus der Deutschen sei.

Nein, das werde ich nicht tun. Belassen wir es dabei, dass ich weiterhin nicht meinen Frieden schließe mit Nationalismus und Antisemitismus jedweder Art – egal ob von rechts, von links, oder in ukrainische beziehungsweise russische Farben getränkt. In einem von Vorschriften durchtränkten Land wie Deutschland ist eigentlich alles geregelt. Normalerweise sehen Friedhofssatzungen vor, dass ein Grab nach 20 bis 30 Jahren „verschwindet“. Das wäre in diesem Fall die perfekte Lösung und man würde dem Spuk der Huldigung ein für alle Mal ein Ende setzen.

Auch in meinem Garten gibt es Momente der Auferstehung, auf die ich liebend gerne verzichten würde. Nehmen wir beispielsweise den Kartoffelkäfer. Der meldet sich jedes Jahr aufs Neue zu Wort und macht sich am Kraut der Kartoffeln zu schaffen. Die Kartoffeln selbst lässt er in Ruhe. Aber indem er das Kraut frisst, verhindert er die zum Wachstum der Pflanze nötige Fotosynthese und schwupps!, bleiben die Kartoffeln klein, weil das Kraut abstirbt.

Also muss der Käfer bekämpft werden. Da mein Garten, obwohl selbstredend groß, im Vergleich zu Feldern und Ackern eine recht kleine Angelegenheit ist, bekämpfe ich das Insekt mechanisch und erspare mir den Einsatz chemischer Artillerie. Genau genommen sammele ich ihn ein und setze seinem Leben ein Ende. Das führt zwar nicht dazu, dass er ganz verschwindet, aber so bekomme ich meine Kartoffeln bis zur Ernte über die Runden.

In West- und in Ostdeutschland hielt sich lange Zeit das Gerücht, der Kartoffelkäfer sei im Zweiten Weltkrieg durch die Alliierten nach Deutschland gebracht 
worden.

In West- und in Ostdeutschland hielt sich übrigens lange Zeit das Gerücht, der Kartoffelkäfer sei im Zweiten Weltkrieg durch die Alliierten nach Deutschland gebracht worden, um den Kartoffeln – das ist eine respektvolle und fast schon ehrfürchtige Bezeichnung für Deutsche – die Knollenfrüchte zu rauben. Dabei handelt es sich um eine Lüge des Nazipropagandisten Goebbels. Der Kartoffelkäfer, der im botanischen Kosmos „Colorado Käfer“ heißt, kam in den 1870er-Jahren dank internationalen Handels via Rotterdam nach Europa. Mangels natürlicher Feinde verbreitete er sich rasend schnell. Bereits in den 1930er-Jahren bekämpfte man ihn in Europa mit der chemischen Keule.

Drei Praxistipps: 
Bevor du in der Tristesse deiner Gedanken versinkst, frage den Kleingärtner. Er ist der Experte für alle Fragen der Auferstehung, tausendfach im Jahr.
Überlasst mir die Pflege des Grabes von Stepan Bandera. Dann ist der Spuk bald vorbei.
Egal wie, der Kartoffelkäfer muss bekämpft werden, mit chemischer Artillerie oder achtsam von Hand.


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